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"Hier." Chan hielt mir mein Handy hin und ich nahm es langsam an. Ich sah darauf und der Akku war leer. Wir standen in meiner Wohnung, nachdem Chan alle Taschen hochgebracht hatte.

Er sah mich liebevoll und mit einem leichten Lächeln an. Ich versuchte auch zu lächeln und sah ihm in die Augen. "Tut uns leid, dass du so lange bei uns bleiben musstest. Ich gehe jetzt besser. Tschüss."
"Nein warte." Er drehte sich zu mir um und sah mich überrascht an. Ich wusste nicht, wieso ich das gesagt hatte und blieb still stehen.

Alles fühlte sich so komisch an und so falsch. "Was ist? Ist alles okay?" Fragte er sanft und sein Gesichtsausdruck wurde besorgt. "Kann ich dich umarmen?" Mein Blick war auf den Boden gerichtet und ich unterdrückte mir die Tränen.

Er machte ein paar Schritte auf mich zu und hielt vor mir an. Im nächsten Moment lagen seine Arme um meinen Körper und er umarmte mich leicht. Sofort legte ich meine Arme um ihn und drückte ihn ein letztes Mal. In diesem Moment konnte ich kaum noch meine Tränen zurückhalten.

Ich wollte nicht gehen. Ich wollte nicht, dass er geht. Doch ich wusste, dass es mein Wunsch war und das kann ich nicht mehr zurücknehmen. Ich ließ von ihm ab und sah in dankbar an. Er lächelte und schüttelte dann mit seiner Hand und drehte sich um.

Hinter sich schloss er die Tür und ich hörte sie ins Schloss fallen. Sofort klappte mein Körper in sich zusammen und ich ging auf meine Knie. Alles fühlte sich so leer an und ich fühlte mich schrecklich. Im nächsten Augenblick fühlte es sich so an, als würde alles auf mich einstürzen. Ich wollte weinen, doch ich konnte einfach nicht. Irgendwas in mir sagte mir, dass ich es nicht darf. Es war nicht richtig.

Ich wollte heim. Es ist meine Schuld und mir war klar, dass ich mich jetzt zusammenreißen musste. Ich rappelte mich langsam vom Boden auf und sah mich in meiner Wohnung um.

Alles war still und man hörte kein Geräusch. Das einzige Licht, was in dem Raum fiel, kam von meinen Fenstern. Für ein paar Minuten blieb ich still dort stehen und dachte nach.

Ich wollte jetzt nicht allein sein, also entschied ich mich dazu ins Café zu gehen. Sofort holte ich meine Schlüssel und meine Jacke und verließ meine Wohnung.

Den ganzen Weg dorthin versuchte ich nur daran zu denken, dass ich Yuna und Junseo wiedersehen würde, doch es fiel mir schwer. Durch die Glasfront sah ich Junseo der an der Kasse grad lächelnd mit einem Kunden sprach. Yuna war die Leute am Bedienen und brachte grad einen Kakao und einen Kaffee zu einer Mutter mit ihrem Kind.

Ich musste lächeln bei dem Anblick und betritt das Café. Die Klingel über der Tür verriet ihnen, dass ich reinkam. Yuna schaute in meine Richtung und ihr Gesichtsausdruck leuchtete glücklich auf.

"Minji!" Sie kam sofort zu mir gerannt und umarmte mich. Wie immer hatte sie den Geruch von Vanille an sich, welcher von ihrem Parfüm kam. Ebenfalls legte ich meine Arme um sie und genoss die Umarmung. Das war das, was ich in diesem Moment gebraucht hatte.

Nach ein paar Minuten ließ sie von mir ab und sah mich mit einem breiten Lächeln an. Durch Yuna hatte auch Junseo mich bemerkt. Nachdem er mit dem Kunden fertig war, kam er in unsere Richtung und umarmte mich ebenfalls kurz. "Wo warst du? Und warum bist du nicht ans Telefon gegangen?" Ich sah sie geschockt und planlos an.

Durch alles was passiert war, hatte ich mir gar nichts ausgedacht, was ich als Ausrede benutzen könnte. Panik stieg in mir auf und ich versuchte zu überlegen. Zum Glück kam in dem Moment zwei Kunden und Junseo musste wieder zur Kasse. "Klären wir das später. Kannst du jetzt auch arbeiten?"  Ich beruhigte mich wieder ein wenig und nickte mit einem Lächeln.

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Wir schlossen den Laden und setzten uns dann drinnen an einen Tisch. Sie sahen mich erwartungsvoll auf eine Erklärung an. In der Zeit, in der wir gearbeitet hatten, hatte ich mir eine halbwegs glaubwürdige Erklärung ausgedacht.

"Meine Oma ging es plötzlich nicht so gut und ich musste schnell zu ihr und mich um sie kümmern. Die Nachricht kam für mich auch ziemlich plötzlich und ich hatte mich sofort auf den Weg gemacht."

Sie sahen mich beide ein bisschen misstrauisch an. "Aber warum konntest du uns nicht schreiben, was los war? Oder mal ans Telefon gehen? Wir haben dich mindestens tausendmal angerufen und du bist nicht rangegangen." Fragte Yuna und ich bekam Panik, dass sie mir nicht glauben würden.

"Leider hatte ich mein Handy in meiner Wohnung vergessen und meine Oma hat keins. Aber ihr habt recht, ich hätte euch Bescheid sagen sollen. Tut mir leid." Ich wartete auf ihre Reaktion und ihre misstrauischen Blicke wurden wieder sanfter. "Ist nicht schlimm. Es war ja ein Notfall. Was hatte deine Oma eigentlich?"
"Sie hatte sich ziemlich stark erkältet. Sie hatte die Grippe." Yuna sah mich nun mitfühlend an. "Oh ok. Geht es ihr jetzt besser."

Ich nickte und versuchte alles so glaubhaft wie möglich rüber zu bringen."Ja, auf jeden Fall." Wir unterhielten uns ein wenig weiter und machten uns dann alle auf den Heimweg. Als wieder der Ort kam, wo sich unsere Wege änderten, verabschiedeten wir uns von Yuna.

Junseo wohnte im gleichen Wohnblock wie ich, weshalb wir zusammen gingen. Ehrlich gesagt war ich froh, dass ich nicht allein gehen musste und blieb nah an Junseo dran. Er sah mich verwundert an. " Ist alles in Ordnung?"

Ich nickte schnell und hielt wieder ein wenig Abstand zu ihm. Wir bogen in die Gasse ab und in mir baute sich ein mulmiges Gefühl auf. Je weiter wir in die Gasse hineingingen, je mehr hatte ich das Gefühl von der Dunkelheit verschluckt und vergessen zu werden.

Meine Hände fingen an zu schwitzen und mein Atem wurde unregelmäßiger. Die Erinnerungen an die Nacht spielten auf Dauerschleife in meinem Kopf. Mein Körper fing an zu zittern und meine Augen sahen sich immer wieder unkontrolliert um. Alles zog sich in mir zusammen und mein Herz fing an schneller zu schlagen.

Ich war so fokussiert auf was um mich herum und in mir geschah, dass ich Junseo komplett ausblendete, weshalb ich aufschrie als er seine Hand auf meine Schulter legte. Er zuckte zusammen und sah mich besorgt und gleichzeitig verwirrt an. Mein ganzer Körper zitterte und ich sah ihn ängstlich an.

"Minji! Was ist los?" Ich wollte was sagen, doch ich bekam kein Ton heraus. Meine Stimme war weg. Es fühlte sich so an als würde mir jemand auf die Brust drücken und ich bekam immer weniger Luft.

Plötzlich fingen meine Beine von allein an zu laufen. Immer schneller. Schneller. Schneller. Nichts konnte mich in dem Moment stoppen, nicht mal Junseo der mir schreiend hinterherrannte. Meine Angst hatte mich übernommen. Alles spielte verrückt. Das Blut gefror in meinen Adern, meine Atemzüge wurden schneller, eine Gänsehaut wanderte über meinen ganzen Körper, alles hörte sich gedämpft an. Erinnerungen, die nicht stoppen wollten, sich immer wieder von vorn abzuspielen.

Jedoch sah das Monster in meiner Erinnerung nicht mehr so aus wie Felix, denn ihm vertraute ich nun. Ich hatte nicht Angst vor ihm, sondern vor dem Schmerz, das Gefühl langsam zu sterben, langsam all seine Kraft zu verlieren, alles zu verlieren. Ich hatte nur Angst vor dem Tod und damit für immer vergessen zu werden. Und dieses Gefühl machte mich fertig.

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„The worst feeling is when you are controlled by your fears"

Dancing in Nightmares | Minho Vampire ffWhere stories live. Discover now