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Vielleicht sollte ich einfach verschwinden. Meine Tränen fingen an sein Shirt nass zu machen, doch es störte ihn nicht. Stattdessen zog er mich noch näher an sich, sodass ich seinen Herzschlag hören konnte.

Es war still zwischen uns. Jedoch nicht unangenehm. Er war so vertraut für mich und ihn so nah zu spüren half mir mich zu beruhigen. „Ich werde einfach nicht schlau aus dir", brach er die Stille.

Ich war verwirrt über seine Aussage, aber antwortete nicht. Er schien auch nicht so, als würde er eine Antwort erwarten, mehr als würde er seine Gedanken aussprechen. „Immer wieder schiebst du die Schuld auf dich und auch der Vorfall in dem Auto. Das ist nicht zum ersten Mal passiert, oder?" Unsicher, was ich antworten sollte, blieb ich erstmal still.

Sollte ich ihm wirklich sagen, was passiert war? Was wird er dann von mir halten? Er strich mir beruhigend über den Rücken und drückte mich näher an sich. Ich hatte aufgehört zu weinen und versuchte wieder normal zu atmen. „Es ist ok, wenn du nicht darüber reden möchtest, aber bitte hör auf, dir bei allem die Schuld zu geben. Du bist nicht schuld, dass ich und Felix uns gestritten haben."

Er küsste meine Stirn und ließ mich nicht los. Sein Herz schlug in einem gleichmäßigen Tempo, was mir half, mich zu entspannen. Ich konnte jedoch nicht anders, als mir weiterhin die Schuld für den Streit zu geben. „Ich möchte dir etwas über mich erzählen. Ich denke, du solltest das wissen." Er klang sanft, aber unsicher. Er wartete einen Moment bevor er weiter redete.

„Es ist ungefähr 3 Jahre her, wo ich zum Vampir wurde. Chan gab uns früher immer sein Blut, sodass wenn wir sterben, wir wieder zurückkommen konnten. Als ich an dem einen Tag meine Mutter besuchen wollte, stand die Tür weit offen. Sofort betrat ich die Wohnung und suchte meine Mutter. Ein paar Gegenstände waren kaputt und Glasscherben waren auf dem Boden. Ich fand meine Mutter in der Küche mit einem vielleicht 30-jährigen Mann, welcher eine Waffe auf sie richtete."

Ich hörte ihm zu und merkte, wie schwer es für ihn war, darüber zu reden. „Sofort rannte ich zu meiner Mutter, um mich vor sie zu stellen, doch ich hörte einen Knall. Der Angreifer hatte mich erschossen und ist dann weggerannt." Seine Stimme brach und mir stockte der Atem.

Er atmete einmal tief ein und fuhr fort. „Meine Mutter dachte, ich wäre tot und lag heulend neben meinem Körper, als ich wieder aufwachte. Das Problem war, dass man einen starken Blutdurst nach der Verwandlung hat. Man kann nicht mehr klar denken und ich griff meine Mutter an."

Ich hob meinen Kopf und sah, dass sein Blick auf die Wand gerichtet war. Seine Augen waren glasig und sein Herz pochte lauter. Seine Stimme zitterte. „Am Ende hatte ich nur noch ihren Leichnam in meinen Armen. Ich hatte sie umgebracht." Eine einzelne Träne verließ sein Auge. Ich drückte ihn fester an mich. „Du bist nicht schuld. Der Verbrecher hatte deine Verwandlung ausgelöst, es wäre sonst nichts passiert. Du kannst nichts dafür."

Ich versuchte ihn aufzumuntern und ihm weiß zu machen, dass er nicht Schuld war. Er ließ ein kleines Lachen von sich und wischte sich die Träne weg. „Wenn es doch nur so einfach wäre. Was denkst du jetzt von mir? Ich bin ein Monster." Ich erstarrte und sah ihn geschockt an. Er dachte genau, dass gleiche von sich wie ich dachte, er würde es von mir denken, doch ich würde ihn niemals als Monster sehen.

Ich sah ihn als Engel. Er brachte wieder Licht in mein Leben, er half mir zu heilen. Nicht so wie die anderen, verließ er mich nicht. Viel zu besonders war er für mich, als dass ich ihn als Monster sehen könnte. „Ich werde dich niemals als Monster sehen." Sein Atem stockte und sein Herz fing an schneller zu schlagen.

Es war kurz still zwischen uns und wir genossen einfach nur die Nähe des anderen in den Moment. Er trug eine genauso schwere Last, wie ich mit sich herum. Vielleicht konnte ich es ihm doch sagen.

„Minho..." Ich hob meinen Kopf, um ihn anzusehen. „Mhmm." Ich atmete einmal tief ein und versuchte mich zu entspannen. „Als ich 16 war, hatte ich einen Autounfall und meine Eltern und meine Schwester starben." Ich stockte und versuchte, die brennenden Tränen herunterzuschlucken. Er blieb still und strich mir weiter über den Rücken.

„Ich regte meinen Vater auf. Er hatte sich nicht auf die Straße konzentriert und ein LKW fuhr in uns rein. Ich war die einzige, die überlebte, obwohl ich es nicht verdient hatte. Ich hätte stattdessen sterben sollen, nicht meine Familie."
„Das stimmt nicht. Es war ein Unfall und nicht deine Schuld."

Er zog mich näher zu ihm, wenn das überhaupt noch ging. Tränen fingen wieder an meine Wangen herunterzulaufen. Wir blieben beide still, dachten an das, was wir erlebt hatten, doch diesmal waren wir nicht allein.

Er legte seine Hände auf meine Wangen und schaute mich an. Mit seinem Daumen wischte er mir die Tränen weg. Seine braunen Augen sahen mich sanft an. Er hatte diese beruhigende Wirkung auf mich. Bei ihm fühlte ich mich sicher. Jedoch wusste ich, dass ich Schuld war. Ich hätte an diesem Tag sterben sollen.

Minho hatte es schlimmer. Er hatte gesehen, wie die Leiche seiner Mutter in seinen Armen lag. Mir wurde nur gesagt, sie hatten es nicht überlebt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm es für ihn gewesen sein muss.

„Gibst du dir deshalb immer die Schuld?", flüsterte er sanft. Ich war erstaunt, warum er das fragte, aber es brachte mich zum Nachdenken. Ich war doch immer schuld gewesen, oder? Er merkte, wie ich nachdachte und lächelte. „Hör auf, dir die Schuld für Dinge zu geben, für die du nichts kannst. Du bist auch nicht an unserem Streit Schuld, ok?"

Ich mied seinen Augenkontakt und wollte mich wieder in seine Arme kuscheln, doch er hielt mein Gesicht weiterhin fest. „Seh mich an und sag, dass es stimmt." Ich schaute ihm in die Augen. Obwohl ich es selbst nicht glaubte, nickte ich, doch er schien damit nicht zufrieden.

„Sag es." Seine braunen Augen sahen mich erwartend an. Er würde nicht aufhören bis ich es sagte, so gab ich ihm was er wollte. „Ich bin nicht schuld an eurem Streit." Es fühlte sich komisch an, sowas zu sagen und auch wenn nur für einen kleinen Moment, glaubte ich dran.

Zufrieden ließ er mein Gesicht wieder los und wartete darauf, was ich als Nächstes machte. Er gab mir die Wahl, ob ich weiter ihm nah sein wollte oder nicht. Nie zwang er mich zu etwas. Er schaute immer, dass ich mich wohlfühlte mit dem, was er machte. Das liebte ich an ihm.

Er war die erste Person, nach langer Zeit, die wirklich an mich dachte, weil er möchte, dass es mir gut ging und nicht nur aus Höflichkeit. So wertvoll wirkte er wie die funkelnden Sterne, die den dunklen Nachthimmel erhellten.

Wartend hielt er seine Arme offen für mich. Ich wartete nicht länger und krabbelte zurück in seine Arme und ließ mich von ihnen einschließen. Mir machte die Kälte seines Körpers nichts aus, da ich zugedeckt war. Mein Kopf tat immer noch weh und ich wollte einfach nur in seinen Armen liegen.

Für immer, wenn es ginge. Ich wusste, dass dies absurd war, doch der einfache Gedanke war schön. Man muss an nichts denken, ist nur mit der Person zusammen, bei der man sich wohlfühlte. Dieses Gefühl ist einfach so unbeschreiblich.

„Bitte verlass mich nicht." Meine Lippen formten die Worte, bevor ich darüber nachdenken konnte. Seine Hand hielt meinen Kopf an seine Brust gelegt, währenddessen er leicht durch meine Haare fuhr. Ich hörte seine unregelmäßigen Atemzüge und seinen lauten Herzschlag.

„Werde ich nicht." Sanft und leise flüsterte er es mir ins Ohr, wodurch eine Gänsehaut auf meiner Haut erschien. „Versprochen?" Es war so ein unwahrscheinlicher Gedanke, jedoch wollte ich es war haben. Ich wollte ihn nie mehr loslassen. Er legte sein Kinn auf meinen Kopf und küsste meinen Haaransatz. „Versprochen."

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„I don't believe in enternity, but for you I want to."

Dancing in Nightmares | Minho Vampire ffWhere stories live. Discover now