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Harry

Ich stehe auf meiner Yoga-Matte auf meiner Terrasse und bin gerade dabei den -herabschauenden Hund- zu machen, als mich Geschrei von der Straße her aus meiner konzentrierten Position reißt. „Du hast dich also von ihm schwängern lassen, ja? Tja, Karma das du es verloren hast! Geschieht dir Recht, Schlampe!" Ich eile zu dem kleinen Display an der Wand, das mit die Kameraaufnahmen vor meinem Eingangstor und der Tür zeigt.

Eine Gruppe junger Mädels steht dort Matilda gegenüber, deren Gesichtsausdruck Bände spricht. Ohne zu zögern, drücke ich auf den Türöffner und eile ihr schon entgegen, als sie durch die schwarze Tür in der hohen Mauer tritt und diese mit einem lauten Knall hinter sich ins Schloss wirft.

Sie kommt völlig verstört auf mich zu und ich hole sie ins hier und jetzt zurück, indem ich ihren Namen rufe! Ihre Augen füllen sich mit Tränen und ohne zu zögern, stürzt sie auf mich zu und fällt mir schluchzend in die Arme. Ich brauche nicht nachzufragen was passiert ist, weil ich ja alles mithören konnte. „Lass mich nicht mehr los..." weint sie und klammert sich an meinem Shirt fest.

Eigentlich wollte ich später eh noch zu ihr fahren, weil ich gestern mein Handy bei ihr vergessen habe. Und wäre ich ein bisschen früher aufgestanden, dann wäre ich jetzt bei ihr und sie wäre nicht auf die Mädels getroffen. Dann hätte sie die schlimmen Worte nicht hören müssen und würde nicht wieder von der Vergangenheit eingeholt werden... aber wenn..., wenn..., wenn... hilft mir jetzt nicht weiter, weil ich es nicht mehr rückgängig machen kann!

Die Worte, die diese junge Frau gewählt hat, waren alles andere als das, was ich seit Jahren meinen Fans predige... Treat people with kindness! Es ist das, was meine Mutter mir beigebracht hat und genau das trage ich in die Welt und versuche es zu vermitteln! Mitzuerleben, wie jemand, den man liebt so bösartig angegangen wird... es tut weh!

Und damit meine ich noch nicht mal, dass es ja auch bei mir etwas auslöst... immerhin war ich ja maßgeblich an der Entstehung dieses kleinen Wunders beteiligt... und ich leide noch immer jeden Tag wegen unseres Verlusts!

„Matilda, schau mich an!" wispere ich leise an ihr Ohr, doch sie bewegt sich kein bisschen. Erst, als ich ihr Gesicht in meine Hände nehme und mir den Daumen die Tränen wegwische sieht sie mich an. „Ich... ich... ich wollte dir dein Handy bringen... und... mich für... gestern entschuldigen! Ich... ich... hätte dich nicht einfach vor die Tür setzen dürfen!" schluchzt sie laut und recht unverständlich. „Schon okay... ich hätte dich auch stoppen können. Es war zu früh und zu impulsiv." Versuche ich sie zu beruhigen, doch das gelingt nicht wirklich, weil die Mädchen vor der Mauer anfangen, lauthals Schimpf-Tiraden zu schreien.

Dumme Schlampe ist noch eines der weniger schlimmen Dinge. Viel furchtbarer sind die Sachen, die sie über den Verlust unseres Babys sagen. Und das ist auch der Moment, in dem mir der Kragen platzt. Ich schiebe Matilda zu der kleinen Holzbank, die um den Baum in meinem Vorgarten gebaut ist und stapfe dann wütend in Richtung der schwarzen Tür, die zur Straße hinausführt, reiße sie auf und trete hinaus!

Als die Drei mich sehen klappt ihnen zuerst die Kinnlade herunter, doch ihnen scheint sofort klar zu sein, dass ich nicht gerade freundlich gestimmt bin... „was zum Teufel stimmt denn mit euch nicht? Habt ihr eine Ahnung, was es mit uns macht, wenn ihr so was sagt? UND JETZT VERSCHWINDET VON HIER BEVOR ICH DIE POLIZEI RUFE!" brülle ich sie an. Ich sehe zwar sehr wohl, dass eine von ihnen ihr Handy auf mich richtet und mich entweder filmt oder fotografiert, aber das ist mir sowas von egal!

Die Kleinste von ihnen zieht schon am Ärmel ihrer Freunde versucht sie zum Gehen zu animieren, doch die anderen Beiden machen keine Anstalten. Im Gegenteil... „das wäre sowieso ein hässliches Kind geworden... bei der Mutter... sei froh, dass du es los bist!"

You can let it go (H.S.)Where stories live. Discover now