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Harry

Der Grund, warum ich den ganzen Tag so neben der Spur bin, ist, weil ich Jeff einen Auftrag gegeben habe. Er sollte Matilda zu einem bestimmten Zeitpunkt an eine abgesprochene Stelle neben der Bühne holen.

Vier Wochen sind genug... Ich halte es nicht mehr aus und Mitch hatte recht. Es wird Zeit, dass ich die Dinge selbst in die Hand nehme. Man kann nicht immer nur warten, bis sich alles von allein regelt. Und heute ist der Tag, an dem sich hoffentlich alles aufklärt. Nervös trete ich von einem Bein aufs andere. Im Augenblick habe ich das Gefühl, als müsste ich gleich kotzen. Alle sind in Position und die einzige Person, die noch fehlt, ist Matilda.

Die letzten Akkorde von Daylight verstummen und ich drehe ich unauffällig zu meinem Manager, der mir seinen Daumen entgegenstreckt und sich dann umdreht. Das war mein Zeichen und ich zeige der Band an, dass als nächstes ein ganz besonderes Lied gespielt werden soll.

Ich schließe die Augen und höre auf die Melodie, um nicht wieder den Einsatz zu verpassen, wie es bei den Proben immer wieder getan habe. Die Töne erfassen mich und ich öffne den Mund. Leise beginne ich die Worte zu singen, die Matilda damals auf Papier gebracht hat. Sofort durchströmt mich wieder das Gefühl, dass ich damals schon hatte, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe.

Langsam drehe ich mich dorthin wo noch vor ein paar Sekunden Jeff alleine stand und blicke direkt in ihre Augen. Es ist als wären wir Magnete... Weder ich noch sie sind in der Lage unsere Blicke voneinander abzuwenden. Die Wärme, die mich einnimmt, ist unglaublich intensiv und ich weiß instinktiv, ob es ihr genauso geht.

Matilda, you talk of the pain like it's all alright
But I know that you feel like a piece of you's dead inside
You showed me a power that is strong enough to bring sun to the darkest days
It's none of my business, but it's just been on my mind

Auch wenn ich es liebe auf der Bühne zu stehen, bin ich froh, dass es der letzte Song für heute ist und ich danach kurz ein bisschen Zeit habe, um Matilda zu sehen. Ich muss dringend mit ihr sprechen, bevor ich zu den ganzen PR-Terminen gehe.

Kaum ist der Applaus ab geklommen sprinte ich hinter die Bühne und mache mich auf die Suche nach dieser wundervollen, blonden Frau, die mein Leben so gehörig auf den Kopf gestellt hat. Ich eile durch die abgedunkelten Gänge und reiße jede Tür auf, die mir unterwegs begegnet. Erst nach der fünften habe ich Glück. Matilda steht an einem der Tische, die für ein Interview vorbereitet sind und richtet ein paar Unterlagen zusammen.

Sie hat mich noch nicht kommen hören, aber mit kommt mal wieder meine Schusseligkeit in den Weg und ich stolpere, weil die Tür nachgibt und ich mich nicht rechtzeitig halten kann. Bevor ich wirklich falle greife ich nach dem erstbesten, was sich mir bietet und halte mich dran fest. Leider ist eine Stuhllehne nicht unbedingt ein fester Halt und mit einem lauten Rumms lande ich direkt hinter ihr auf dem Boden.

Erschrocken dreht sie sich herum und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich rapple mich hoch und streiche mir die Klamotten glatt, bevor ich auf sie zugehe. Doch sie kommt mir zuvor und eilt im selben Augenblick los, in dem ich wieder aufstehe. "Harry, ist alles okay?" fragt sie voller Sorge. Ihre Hand greift nach meinem Arm und die Stelle, an der sie mich berührt beginnt zu kribbeln.

In den letzten Wochen habe ich mir nichts mehr gewünscht, als dass sie zurückkommt. Sie jetzt vor mir stehen zu sehen ist einfach überwältigend. Ich atme einmal tief durch und streiche mir die Haare aus der Stirn. "Schön, dass du..." "Du warst...!" wir beginnen zeitgleich zu sprechen und lachen dann beide ein wenig verunsichert.

"Du zuerst..." fordere ich sie auf und lächle dabei schief, zupfe an meinem Hemd herum und blicke mich um, um zu kontrollieren, ob noch jemand im Raum ist. Immerhin findet hier gleich eine Pressekonferenz statt und bis dahin wäre es besser, wenn das Zimmer keine Ohren hat.

You can let it go (H.S.)Where stories live. Discover now