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Harry

Die Sonne scheint mir ins Gesicht und ich schlage genervt die Augen auf. Mittlerweile vibriert mein Handy schon zum 4. Mal, aber ich konnte es bisher ziemlich gut ignorieren. Leider ist es meistens so, dass irgendetwas passiert ist, wenn jemand so unnachgiebig und ausdauernd ist. Deshalb greife ich grummelnd nach dem Telefon und sehe, dass es weit mehr als nur die Anrufe sind. Und eine der Nachrichten, die ich noch zusätzlich bekommen habe, lässt mich schlagartig hellwach werden.

Auch der Kater, der mich an diesem Morgen so lange im Bett bleiben lassen hat, ist mir einem Mal wie weggeblasen und ich sitze senkrecht im Bett und starre auf die Zahl, die dort auf meinem Display zu sehen ist. Was hat das zu bedeuten?
Ich drücke auf Jeffs Namen und hoffe darauf, dass er abnimmt, aber ich warte vergeblich. Kaum habe ich den Anruf beendet klingelt es jedoch an meiner Tür und ich steige ungelenk aus dem riesigen Bett, greife nach den Shorts, die auf dem Sessel neben der Tür stehen und laufe schnell nach unten, um zu schauen, wer um diese Uhrzeit hier auftaucht.

Durch die Kamera sehe ich, dass es mein Manager in Begleitung der neuen PR-Tante ist, und sie sehen Beide nicht gerade erfreut aus. Ich drücke den Summer und das schwere Metalltor öffnet sich. Dann gehe ich nach draußen, um sie zu begrüßen. Eigentlich bin ich zu dieser Uhrzeit schon fit, aber die Nacht war heftig und im Moment wäre eine Mütze Schlaf eigentlich eher das, was ich brauche.

Matilda sieht strahlend schön aus in ihrer orangen Hose mit weitem Bein und dem weißen T-Shirt, das ein klein wenig Bauch zeigt. Dagegen gleiche ich gerade eher einem Landstreicher. Die Haare stehen zu Berge und ich habe vermutlich eine Fahne, die dem besten Alkoholiker Konkurrenz macht. Toller Eindruck, den ich da hinterlasse.

“Das hast du ja wieder toll hinbekommen!” Jeff drückt sich an mir vorbei ins Haus und Matilda folgt ihm zögernd. Man sieht ihr an, dass ihr die Situation unangenehm ist, aber auch sie sieht nicht gerade erfreut aus mich zu sehen. Das wird sicherlich kein fröhliches Gespräch.

Sie warten nicht einmal, ob ich ihnen folge und Jeff geht direkt durch ins Wohnzimmer, wo er sein Tablett auf den Tisch legt und direkt zum Punkt kommt. “Harry, dieses Mal hast du es wirklich geschafft! Mir war immer klar, dass deine Frauengeschichten irgendwann noch für große Probleme sorgen könnten, aber das, was jetzt passiert ist... dafür habe ich keine Worte! Und ich bin so sauer, dass ich es nicht mal in Worte fassen kann. Matilda... Kannst du es ihm bitte erzählen?”

Sie strafft die Schultern, hebt den Blick. “Mr. Styles, ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, aber sie haben wohl jemanden sehr verärgert zu haben. Eine Frau, mit der sie offensichtlich vor kurzem eine recht intensive Nacht verbracht haben, hat ihre intimen Spielchen aufgezeichnet und droht jetzt damit das Video an die Medien zu senden, wenn sie ihr keine 500 000$ für ihr Schweigen bezahlen.”

Ich will gerade fragen, ob sie sich sicher sind, dass dieses Video tatsächlich existiert, als sie das Tablet in die Hand nimmt und eine Datei öffnet. Darauf zu sehen bin ich und die brünette Fake-Barbie, die ich gerade über der Lehne meines Outdoorsofas von hinten nehme. Mein Gesicht ist so deutlich zu erkennen, dass leugnen zwecklos wäre. Wie konnte mir das passieren? Seither habe ich immer darauf geachtet, dass ich die Ladys nirgends im Haus alleine lasse, aber in letzter Zeit bin ich immer leichtsinniger geworden.

Der angewiderte Ausdruck, der sich auf Matildas Gesicht abzeichnet, spricht Bände. Und auch Jeff sieht aus als würde er am liebsten das Tablet an die Wand werfen.

“Okay, was machen wir jetzt?” will ich wissen. Eigentlich ist mir schon klar, dass ich keine andere Möglichkeit habe, als zu bezahlen. “Du wirst nicht darum herumkommen... Vielleicht können wir die Summe noch drücken, aber wer weiß, wie viel die Frau bereit ist uns entgegenzukommen. Harry ich weiß nicht, wie oft ich dir gesagt habe, dass das noch ein böses Ende geben wird. Warum kannst du deinen Schwanz nicht einmal unter Kontrolle haben?” Jeff ist richtig sauer und ich kann ihn sogar verstehen, trotzdem nervt mich seine Art gerade extrem.

“Hör mal, wenn du nur gekommen bist, um mich anzuschreien, dann kannst du auch direkt wieder verschwinden. Mir ist auch klar, dass das eine echt beschissene Lage ist, in die ich mich da manövriert habe und ich ärgere mich selbst unfassbar darüber, dass mir die Kamera nicht aufgefallen ist, aber jetzt kann ich es nicht mehr rückgängig machen. Also, Miss PR-Leitung... Was ist der Plan?”

Meine Laune ist so tief gesunken, dass ich es nicht schaffe einen normalen Ton anzuschlagen und Pampe die Zwei einfach nur an. Es ist ja auch nicht meine Aufgabe eine Lösung für das Problem zu finden. Schließlich wird Matilda genau für solche Sachen bezahlt. Also kann sie auch was für Geld tun.
Jetzt schein Jeff kurz vor dem Platzen zu sein. Sein Gesicht ist hochrot und an seiner Schläfe pocht eine Ader ziemlich heftig. Matilda dagegen hat ihren angeekelten Gesichtsausdruck gegen einen neutralen ausgewechselt und tippt auf ihrem Handy herum. 

“Harry, ich glaube du verstehst den Ernst der Lage nicht. Und es tut mir leid, aber ich kann das mit dem Siezen nicht mehr machen, weil ich gerade nicht die richtigen Worte finde, die ich mit dem Sie kombinieren kann. Ich kann im Moment nichts anderes machen, als sie versuchen im Preis zu drücken. Wenn es nur ein Tonband wäre... Das könnte ich so dastehen lassen, als hätte sie es mit künstlicher Intelligenz erzeugt, aber ein Video... Wie soll ich das bitte dementieren?

Mein Vorschlag wäre, dass ich ihr direkt anrufe und ein Gegenangebot mache. Und dann sehen wir weiter!” ihr Blick ist weiterhin neutral, aber die Stimme hat etwas Schneidendes und auch wenn es gerad super unpassend ist, muss ich sagen, dass es mich anturnt.

Das lenkt mich so sehr ab, dass meine Augen direkt zu ihren Brüsten wandern und dort einen Tick zu lange verweilen.
Matildas Fingerschnippen reißt mich aus meiner Trance, in die mich der Anblick ihrer süßen Früchte versetzt hat. Zum Glück hat mein Freund und Manager nichts davon mitbekommen, weil er sonst vermutlich handgreiflich wird. Äußerlich lasse ich vielleicht noch den desinteressierten Macho raushängen, aber innerlich bin ich mindestens genauso angespannt wie er. Immerhin geht es hier um mich und meine Karriere. Und ich will das auch sicherlich nicht vor meiner Mutter erklären müssen. 

Schon zum zweiten Mal an diesem Morgen läutet es an der Tür und als ich nachsehen gehe, wer uns stört, bin ich nicht wirklich überrascht, dass dort mein Anwalt steht, der wohl von Jeff informiert wurde. Tony ist wie immer leger gekleidet und umarmt mich direkt mit den Worten “Was hast du jetzt wieder verbockt?”

Zurück im Wohnbereich begrüßt er zuerst Jeff und stellt sich dann Matilda vor.

Sie tippt schon wieder auf ihrem Telefon herum und hält es sich dann ans Ohr. “Miss Davina Lautner?  Schön, dass ich sie erreiche. Ich rufe im Auftrag von Mr. Styles an und würde mit ihnen gern über das kleine kompromittierende Filmchen und ihre Forderung sprechen.” Sie stellt den Lautsprecher ihres Handys an und legt es vor sich auf den Tisch. “Ich weiß nicht, was es da noch zu besprechen gibt!? Ich habe gesagt, was ich für mein Schweigen haben möchte, und davon werde ich auch nicht abkommen! Ihr Mr. Styles hätte sich einfach vorher überlegen sollen, wie er mit mir umgeht...”

Das ist der Punkt, an dem sich Tony in das Telefonat einklinkt und das Wort ergreift. “Miss Lautner, oder darf ich Davina sagen?” Er wartet ihre Antwort nicht ab und redet einfach weiter. “Ich bin Tony Marshall, der Rechtsbeistand von Mr. Harry Styles und würde gerne die Fakten mit ihnen besprechen.

Ist ihnen bewusst, dass, Menschen, ohne ihr Wissen zu filmen oder zu fotografieren, ein Straftatbestand ist und schon allein damit eine empfindliche Geldstrafe auf sie zukommen könnte!? Dazu kommt dann noch Erpressung, was sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden könnte. Die Höhe der Strafe wird in diesem Fall von der Höhe der erpressten Summe, festgemacht. Ich denke nicht, dass sie es darauf ankommen lassen wollen, oder?”

Es ist das erste Mal, dass ich Tony in Aktion sehe, und es beeindruckt mich zutiefst, dass er trotz der Härte seiner Worte aussieht, als würde er ihr gerade erklären, wie man zur nächsten Bahnstation kommt.

Am anderen Ende der Leitung herrscht erst Schweigen und dann fängt Davina an zu stottern. “Ähm... Ähm... Ich... glaube wir verstehen uns nicht richtig... Ist sein Verlust... nicht ein bisschen größer als meiner?” “Nein. Ich glaube SIE verstehen nicht richtig! Sie gehen in den Knast, wenn sie an der Erpressung festhalten. Und dann ist es ja auch noch so, dass nicht nur mein Klient auf dem Video zu sehen ist, sondern auch sie selbst sehr gut erkennbar. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es für ihren Ruf förderlich ist, wenn man sie in einer so prekären Lage sieht.” kontert mein Anwalt direkt und trifft damit scheinbar direkt ins Schwarze.

Nach ein paar weiteren Sätzen einigen sich die Beiden darauf, dass die junge Frau eine Verschwiegenheitserklärung unterschreibt und das Video unter Zeugen unwiderruflich gelöscht werden muss. Mir fällt ein großer Stein vom Herzen und ich danke ihm für seinen Einsatz.

“Da ich ja direkt mit einem solch schwerwiegenden Fall in meinen ersten Arbeitstag gestartet bin und ich in Zukunft solche Situationen verhindern möchte, kam mir vorhin die Idee, dass es wohl besser wäre, jede Frau immer eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben zu lassen. Damit können wir verhindern, dass es wieder zu Erpressungen kommt!” Matilda ergreift das Wort und dreht das Tablet so herum, dass wir auf das Display sehen können, auf dem sie schon ein solches Schriftstück vorbereitet hat.

Während Tony es sich durchliest und Jeff am Telefon hängt, wendet sie sich an mich. “Noch einfach wäre es, solche Situationen zu vermeiden, wenn du in Zukunft deine Libido ein bisschen besser unter Kontrolle hättest. Auch wenn das wahrscheinlich utopisch ist!”

Was bildet sie sich ein? Mich am ersten Tag schon so maßregeln zu wollen ist ganz schön mutig von ihr. Mal sehen, wie sie reagiert, wenn ich den Kotzbrocken heraushängen lasse. “Deine Aufgabe ist es, solche Sachen von mir fernzuhalten und dich nicht in mein Privatleben einzumischen. Die Idee mit dem Vertrag ist gut, aber das heißt nicht, dass du es dir rausnehmen kannst, so eine Aussage zu tätigen.

Um sie noch ein bisschen weiter zu triggern, lege ich meine Hand auf ihren Arm und streichle mit dem Daumen leicht über ihre umwerfend weiche Haut. Es ist nicht das erste Mal, dass ich sie berühre, aber dieses Mal ist es irgendwie anders. Sie zieht ihren Arm ruckartig weg und steht auf, um auf die große Terrasse zu gehen. Ich schaue ihr irritiert hinterher. Was zum Teufel war das denn bitte?

Mit dem Rücken zu uns bleibt sie vor dem großen Infinity-Pool stehen und lässt den Blick über die Skyline der Stadt gleiten. Ich erhebe mich ebenfalls, folge ihr nach draußen und stelle mich neben sie, ohne einen Ton zu sagen.

Für den Moment ist alles gesagt und manchmal ist es auch einfach schön nichts reden zu müssen. Sie ist mir so nah, dass ich zum ersten Mal ihren Geruch wahrnehmen kann. Süße Vanille und karibischer Kokosduft steigt mir in die Nase. Ziemlich verführerisch!

Nach einer Weile des Schweigens ist sie es, die zuerst ihre Worte wiederfindet. “Es muss traumhaft sein, diese Aussicht beim Sonnenuntergang genießen zu können. Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass du hier wohnen kannst.” ihre Stimme ist sanft und fast schon ein bisschen wehmütig, als sie sie ausspricht.

“Ja, hätte mir das jemand vor 10 Jahren gesagt, dann hätte ich denjenigen für verrückt erklärt. Menschen wie mir passiert so etwas normalerweise nicht!” antworte ich ihr ebenso ruhig und lächle sie dabei an. “Was meinst du damit?” erkundigt sie sich neugierig. “Naja es gab ja auch ein Leben vor dem Erfolg und Geld und das sah deutlich anders aus. Meine Mutter hat mich und meine Schwester alleine großgezogen und wir hatten nicht viel. Ich habe ihr geholfen wo es ging und als ich alt genug war habe ich in einer Bäckerei geholfen, um finanziell ein wenig beisteuern zu können.” erkläre ich ihr leise.

Es ist das erste Mal, dass wir voreinander stehen und mir fällt jetzt erst auf, wie klein und zierlich sie ist. Sie legt ihre Hand auf meinen Unterarm und sieht zu mir auf. Wieder ist da dieses Gefühl, das ich nicht einordnen kann und wieder entfernt sie sich, als hätte sie einen Schlag bekommen.

You can let it go (H.S.)Where stories live. Discover now