Vierundsechzig

452 46 46
                                    

Die nächsten Wochen war die Stimmung zwischen Jisung und mir angespannt. Wir redeten nur das Nötigste miteinander und kuschelten weniger als sonst. Jisungs Distanz zerstörte mich. Es war nicht so als würde nur Frieden bei uns herrschen, doch wir fanden uns nach ein paar Tagen wieder. Dieses Mal war es anders. Jisung war gekränkt und ich wusste nicht, wie ich es wieder hinrichten konnte.

In Jisungs 12ter Schwangerschaftswoche hielt er es nicht mehr aus. „Minho?" Ich spürte seine Körper sich an meinen schmiegen, als wir nachts im Bett lagen und versuchten zu schlafen. „Entschuldigung. Ich hab beim Eislaufen überreagiert. Es sind sicher nur die Hormone. Waffenstillstand? Ich weiß auch schon wie." Jisung pinnte mich in die Matratze, während er sich rittlings auf mich setzte. „Versöhnungssex."

So gerne ich mich seinen Berührungen hingeben wollte, konnte ich nicht. „Aber wir sind nicht alleine und wenn das Baby verletzt wird?" Seufzend kletterte Jisung von mir runter und drehte sich um, sodass ich jetzt nur noch seinen Rücken sehen konnte. „Was ist eigentlich dein fucking Problem, Minho? Was hab ich dir getan, dass du mich so scheiße behandelst? Erst hältst du mich davon ab etwas Spaß zu haben. Ganz richtig gehört. ich hatte beim Eislaufen echt viel Spaß. Weißt du wieso ich unbedingt eislaufen wollte? Weil ich mit meiner Familie und meinen Freunden wieder Zeit verbringen konnte, doch du hast es kaputt gemacht. Dann ignorierst du mich für Wochen, als würde ich dich verletzt haben, weil ich zu dir gesagt habe, dass du viel zu übervorsichtig bist. So wie jetzt. Du willst nicht mal mehr Sex mit mir haben."

„Du willst wissen, was mein Problem ist? Willst du wirklich wissen was in meinem Kopf vorgeht? Da drinnen ist es sehr dunkel, Jisung." Mein Freund drehte sich zu mir und schaute mir direkt in die Seele. „Ja, bitte."

„Seit du das mit der Trennung ausgesprochen hast, leide ich an Verlustsängsten. Ich habe ständig Angst dich zu verlieren. Ich kann ohne dich nicht leben, Jisung. Mein Herz würde einfach aufhören zu funktionieren, ich würde aufhören zu funktionieren. Ich weiß, dass es lächerlich ist und ich will nicht so sein, doch ich kann nicht anders. Deine Worte haben mich traumatisiert. Sie haben etwas ganz tief in mir kaputt gemacht, Jisung. Dann machst du es schlimmer, als du das mit Damyang erwähnt hast...und dann muss ich daran denken, wie gestört ich damals war....dass ich diesen für mich perfekten Menschen und zwei wundervolle Töchter einfach töten wollte. Weißt du was ich gemacht habe, Jisung? Ich habe im Internet nachgeschaut, an welchen Körperteilen ein Mensch am meisten Blut verliert, damit ich dir dort das Messer reinrammen kann, damit du endlich stirbst. Ich kann nicht aufhören mich deswegen selber zu hassen, dass ich dir das alles antun wollte. Dass ich dich so hart geschlagen hab, dass du zum Arzt musstest. Es tut mir so Leid, Jisung."

Jisung zog mich zu sich und strich mir sanft über die Wange. „Und das sagst du mir erst jetzt? Minho, bitte rede mit mir. Dazu bin ich da. Ich bin da, um dich aufzufangen, wenn du fällst. Du musst da nicht alleine mehr durch. Nicht mehr. Jetzt hast du mich, also bitte rede mit mir, okay?" Jisung gab mir einen hauchzarten Kuss auf die Lippen und ich könnte glatt anfangen zu weinen, weil Jisung so ein toller Mensch ist und immer für mich da ist. „Minho, ich werde dich nicht alleine lassen, okay? Ich werde bei dir bleiben, weil ich auch ohne dich nicht leben kann. Es tut mir Leid, dass ich das mit Damyang und dem Arzt erwähnt hab. Wenn ich gewusst hätte, was das alles in dir auslöst, hätte ich meinen Mund gehalten." Zitternd kuschelte ich mich an Jisung und lies mich von seiner Nähe trösten. „Denkst du...dass wird irgendwann besser?", fragte ich ihn. Jisung schenkte mir liebevolle Küsse auf mein Haar und mein Gesicht. „Das hoffe ich."

Was wenn ich nicht mit meinem alten Ich und dem Trauma abschließen konnte, weil ich so gemein zu Jisung damals war? Was wenn ich es alles nochmal irgendwie erleben musste, um endlich zu heilen? Ich konnte es probieren, es besser machen als damals. Während Jisung neben mir schlief, überlegte ich, wie ich das hinbekommen konnte. Als erstes war da der Abend, wo ich auf der Bank saß und Wodka trank und Jisung so frech wach und mit die Flasche weggenommen hatte. Dann schenkte er mir einen Apfelsaft. Stimmt! Der Apfelsaft! Gleich morgen früh würde ich den Apfelsaft kaufen, den Jisung mir damals gekauft hab und werde ihn trinken. Ich wusste auch noch genau welche Marke das war. Seit damals muss ich immer an Jisung denken, wenn ich den Apfelsaft in den Supermarkt sah. Dann würde ich mit meiner Familie einen Ausflug nach Damyang machen und Jisung den Bambuswald zeigen, der mich so fasziniert hatte. Hoffentlich hilft mir das. Ich gab Jisung noch einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich so sehr, Jisung." Dann schloss ich dich Augen und schlief ein. 

Between reality and dream (Minsung FF)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora