Einundfünfzig

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Gleich am nächsten Morgen, noch früher als unser Arbeitstag begann, betrat ich mit Minho den Kindergarten. Ich konnte gestern Nacht nicht schlafen. Statt aber todmüde zu sein, war ich mehr als nur wach, ich war panisch. Was werden meine Mitarbeiter sagen? Wie sehr werden sie mich beleidigen? Ich würde das alles nicht durchstehen können, wenn Minho nicht bei mir war. Zitternd umschloss ich seine Hand. „Wow, du zitterst ja richtig. Wir müssen das nicht machen, wenn es dir zu viel wird", meinte er sanft und küsste mich auf die Schläfe. „Nein, ich muss das machen, weil du Recht hast!"

So früh am morgen waren noch keine Kindergartenkinder da, sondern nur Erzieher, deswegen war es so still hier, was mir Angst machte. Mich entspannte das Lachen von Kindern, vor allem wenn sie so freudig vor meinen Augen herum rannten. Jetzt waren wir alleine in der Eingangshalle. Es fühlte sich fast schon an, als würde ich eine gruseligen, leeren Kindergarten betreten, indem irgendwelche Monster hausten, die mich töten wollten. In der Regel war es das auch irgendwie, nur dass Krallen und Zähne Wörter waren.

„Dann komm", meinte Minho. Mit ihm klopfte ich an den Mitarbeitsraum, wo ich von drinnen die Stimmen kamen. Mein Herz raste so stark. Ich wäre bestimmt zusammengebrochen, wenn Minho nicht meine Hand halten würde. Bevor ich die Tür zu meinem Alptraum aufmachte, atmete ich tief durch. Ein paar von meinen Mitarbeiterinnen unterhielten sich, als sie verstummten, sobald sie mich sahen. Ihre Blicke wanderten zu meiner Hand, die zitternd in Minhos ruhte. „Hallo...Jisung?" Ich versuchte ihren Blicken stand zu halten, während ich versuchte mutig zu sein. „Ich muss euch etwas sagen und ich hätte es euch von Anfang an sagen sollen. Minsoon gibt es nicht. Es gibt nur Minho, mein fester Freund und der Vater von meinen Töchtern. Ich bin nicht hetero, wie ich es behauptet hab, sondern schwul...und...und wenn es euch nicht passt...dann...." Weiter kam ich nicht, denn das war viel zu viel für mich. Minho nahm mich in den Arm und tröstete mich. „Schon okay, das genügt. Ich bin stolz auf dich, mein Schatz." Tränen rannen mir aus den Augen. Ich hatte so Angst nicht akzeptiert zu werden in einer Welt, wo Anderssein bestraft wird.

„Ich muss das sofort unserer Chefin sagen, damit sie dich kündigt. Sowas geht gar nicht!", rief Nara, eine Mitarbeiter, die oft sich über Homosexuelle lustig machte. Sie wusste, dass unsere Chefin in ein paar Minuten auftauchen wird. Ein paar folgten ihr. Ein anderer Erzieher, Kwon, sagte nichts, sondern sah einfach auf den Boden. Bis auf zwei andere Erzieherinnen, waren wir alleine. Nara kam mit meiner Chefin zurück. Wie meine gemeine Mitarbeiter sah sie uns missbilligend an, als sie mich sah, wie ich in Minhos Armen lag. „Das hätten Sie schon seit Anfang an sagen müssen, Herr Han. Wir sind ein sehr ordentlicher Kindergarten, wo wir die richtigen Werte vermitteln wollen und so eine....Schandtat ist bei uns nicht gestattet. Ich muss mich leider von ihnen verabschieden."

„Wenn Sie Jisung kündigen, dann können Sie mich auch gleich kündigen, denn es ist schrecklich, wie man mit nicht heterosexuelle Menschen umgeht. Ich habe mich die ganze Zeit zurück gehalten, weil ich Angst hatte, doch jetzt wo Jisung so mutig war, will ich auch so mutig sein. Ich bin übrigens auch nicht heterosexuell. Komm, Jisung, wir verlassen den Ort!", meinte Bora, eine Mitarbeiterin die bis her immer sehr ruhig war,

Sobald wir draußen waren, grinste uns Bora an. „Jisung! Du warst so mutig! Wow." Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Es gab also eine Mitarbeiterin, die das System so an sich auch nicht unterstützt. „Bedeutet dass...dass du auch auf das gleiche Geschlecht stehst?"

„Ich bin bin, also stehe ich auf beide Geschlechter, habe mich aber nie getraut es zu sagen, obwohl es mich echt auffrisst. Was wenn man mich nicht versteht? Wenn man mich nur hasst? Ich habe so lange meinen Mund gehalten, während diese bösen Menschen da drinnen, weiter so gemeine Sachen gesagt hätte. Ich wollte eh bald gehen, weil ich das da drinnen nicht aushalten kann. Jisung? Möchtest du mit mir einen neuen Kindergarten suchen, indem wir akzeptiert werden?" Noch immer lag ich in Minhos Arme, weil ich seine Umarmung so sehr brauchte, doch das was Bora sagte, beruhigte mich. Ich war nicht alleine wie erwartet. Es wird immer eine widerstandsfähige kleine Menge geben, die gegen die große Masse kämpft.

„Ja, das wäre schön", meinte ich leise und kuschelte mich an Minhos Brust. Bora schenkte uns eins warmes Lächeln. „Jetzt weiß ich also, von wem Jaemi und Yoona die Augen hat. Freut mich Sie kennen zu lernen!" Dass Bora uns versteht, lässt Minho sanft werden. „Du kannst mich ruhig dutzen. Ich bin Minho, aber das hat Jisung ja bereits erwähnt. Ich finde dich auch mutig."

„Wollen wir dann in ein Cafe setzen und weiter darüber reden? Vielleicht...vielleicht kannst du dann von dir erzählen....du meintest es würde dich auffressen...Minho und ich hören dir gerne zu."

Between reality and dream (Minsung FF)Where stories live. Discover now