Fünfzig

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Jisungs POV

Seit ich dieses Geheimnis mit mir trage, lebte ich mit Sorge. Ich hatte schlichtweg Angst, dass es irgendwann rauskommt und ich meine Stelle verlor und dass Minho enttäuscht von mir ist, dass ich mich auf so einen Niveau begeben musste. „Du hast was?!", fragte mich Minho aufgebracht. Wir hätten diese Konversation wann anders führen sollen, denn mein Freund war immer noch sauer wegen der Erzieherin, doch es fühlte sich auch befreiend an, dass er es endlich weiß. Trotzdem wusste er bis jetzt nicht alles. „Du lügst deine Chefin und deine Mitarbeiter für Jahren schon an? Jisung, ich weiß nicht was ich sagen soll.....ich kann nicht glauben, dass du das gemacht hast.....Wieso? Hm? Sollen wir wieder die gleiche Konversation führen wie damals bei der Wohnungssuche?"

„Nein, das müssen wir nicht. Denkst du wirklich, ich hätte diesen Job bekommen, wenn ich gesagt hätte, dass ich eine Familie mit einem Mann habe? Denkst du das hätten die Chefin und die Mitarbeiter gut gefunden? Meine Mitarbeiter reden eh schon schlecht über Homosexuelle in der Mittagspause, wenn die Kinder schlafen. Denkst du, ich kann zu ihnen gehen uns sagen 'Hey, ich bin übrigens schwul und hab einen Freund'?"

„Dann solltest du erst recht nicht dort arbeiten! Sie beleidigen dich indirekt. Willst du dir das echt gefallen lassen?" Im Moment erinnerte er mich so sehr an den Minho, den ich damals auf der Bank kennen gelernt hatte. Da war wieder dieses Feuer in seine braunen Augen. Minho wollte kämpfen.

„Du weißt doch gar nicht, wie es mit so vielen Mitarbeiter ist! Du arbeitest alleine! Man muss aufpassen, was man von sich gibt, Minho. Egal wo und egal als was du arbeitest, die Erwachsenenwelt gleicht einem Haifischbecken. Deswegen habe ich Kinder so gerne. Sie sagen dir direkt, ob sie dich mögen oder nicht. Sie sind ehrlich, im Gegensatz zu Erwachsene. Sie lächeln dich alle an, während sie im alle ein Messer hinter den Rücken halten. Weißt du was? Damals als ich dich kennen gelernt habe, war ich wirklich naiv. Ich habe gedacht, dass die Welt ein guter Ort ist, doch jetzt wo ich älter bin und sehe, was ich damals nicht sehen konnte, finde ich diesen Ort nicht mehr so toll. Ich will ihn am liebsten verlassen. Menschen sind schrecklich, Minho."

Er nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. Sanft küsste er mein Haar. Es tat so gut Minhos Liebe zu spüren. Er sagte mir nicht, dass ich eine andere Einstellung haben sollte, dass ich gerade viel zu pessimistisch klang, denn Minho wusste, dass ich Recht hatte. Ich erinnerte mich an all die Gespräche von damals, als ich schwanger war. Ich verstand ihn langsam wirklich.

„Bist du böse oder enttäuscht von mir?"

„Nein, ich bin nur traurig, Jisung. Ich muss dich aber verstehen. Wir brauchen das Geld. So verlogen diese Welt ist, man verlangt von uns auch so verlogen zu sein. Erzähl mir doch mal von deiner 'Freundin'. Ist sie auch so heiß wie ich?" Das brachte mich zum Lachen. Minho versuchte die Stimmung aufzulockern, worüber ich ihm sehr dankbar bin. „Sie heißt Minsoon, ist Geschäftsführerin einer Kosmetikfirma, deswegen ist sie auch auf vielen Geschäftsreisen. Aufgrund ihrer Arbeit kann sie nicht an Mitarbeiterfesten mitmachen oder die Kleinen abholen, deswegen bleibt der Appa zuhause und kümmert sich um seine Töchter. Ich hab meinen Mitarbeiter ein Bild von meiner Cousine gegeben, die auch einverstanden war, als ich ihr das mit der Homophobie erzählt hab. Sie könnte auch mal die Kleinen abholen, doch ich will sie nicht zu tief in mein Lügenkonstrukt einbeziehen."

„Kannst du damit leben? Mit dieser großen Lüge?"

Ehrlich gesagt brach ich langsam wegen dieser Lüge zusammen. Da war diese Frage, wie lange ich meine Lüge noch aufrechterhalten kann. Dann war da noch die andere Angst, dass man meine 'Freundin' googelt und herausbekommt, dass ich gelogen habe. Bis jetzt ist es noch nicht passiert, doch ich konnte mich deswegen nicht ausruhen. Manchmal war diese Lüge so schlimm, dass ich nachts nicht gut schlief.

„Es geht mir schlecht ehrlich gesagt."

„Dann sag ihnen die Wahrheit. Wenn sie dich nicht akzeptieren, weil du schwul bist, dann ist das nicht der richtige Arbeitsplatz für dich.

„Ich weiß nicht, ob ich das alleine schaffe."

„Dann werde ich mit dir mitkommen."

Und das Kapitel ist sozusagen Jisungs breaking point. Wenn wir schon von ihm reden, der Dude wreckt seit ich die Story hier weiter schreibe, so hart, dass ich die ganze Zeit grinsen muss, wenn ich an ihn denken muss :')

Between reality and dream (Minsung FF)Where stories live. Discover now