Zweiundzwanzig

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Der Bambuswald, den ich später erreichte, half mir meine Gedanken zu ordnen und nicht mehr an die Zerstörung der Welt zu denken. Es beruhigte mich den hohen Bambus zu sehen, der so magisch aussah, als würde ich in eine andere Welt eingetaucht sein. Ich kam aus dem Staunen nicht raus. Hier war es so wunderschön. Sehr lange blieb ich im Schutz des Bambuswald und sog neue Kraft aus der Natur. Die Reise hat sich gelohnt und ich war froh, dass ich doch mitgekommen war. Sonst würde ich diesen magischen Ort nie sehen. Bestimmt interessierten sich meine Mitschüler für sowas nicht. Lieber sie machten Selfies in Danmyang und unterhielten sich über den Ausflug. Sie würden so etwas Schönes nicht schätzen.

Nachdem ich mich satt gesehen hatte, verließ ich den Bambuswald um mir eine Kleinigkeit zu essen zu kaufen. Bis zum Abendessen war es noch eine Weile. Ich fand einen kleinen Supermarkt in dem ich mir ein paar Snacks und etwas zu trinken kaufte. Mit meinen gekauften Sachen setzte ich mich auf einen Platz im Stadtzentrum hin. Wie schön still es ist, wenn man alleine sein Zeit verbrachte. Ich war nicht traurig, dass ich immer alleine war, da konnte ich meine Umgebung besser erkennen und wurde sie mir wirklich bewusst. Dann sah ich verschiedene Läden oder anderes, die ich nicht sehen würde, wenn ich mich mit anderen unterhalten würde. Man sah die Welt mit anderen Augen, wenn man alleine durch sie lief.

Es wurde langsam Zeit zurück zu gehen. Ich lief also zurück zum Hotel, wo mich ein böser drein blickender Herr Koh mich empfing. „Minho? Warst du etwa die ganze Zeit alleine?! Du weißt doch, dass ihr Dreiergruppen bilden solltet! Hast du mir überhaupt zugehört?" Ja, das hatte ich. Nur interessiert hatte es mich nicht. Wir sollten Dreiergruppen bilden, falls etwas passiert, dass einer Hilfe holen konnte, während der andere bei den Verletzen bleiben konnte. Ich konnte gut auf mich alleine aufpassen. „Sorry, ich wollte einfach nur den Bambuswald anschauen", meinte ich und lies meinen Lehrer stehen. Herr Koh seufzte und folgte mir nach drinnen. Jisung saß alleine im Esszimmer und schaute in das Display seines Handys. Er sah immer noch zutiefst traurig aus. Seungmin war aber nicht weit und sprach meinen Lehrer an. „Wäre es möglich, wenn Jisung alleine wo schlafen würde? Ihm geht es wieder etwas schlechter." Herr Koh lief dann zu Jisung, der leise mit ihm unterhielt. Erst bei genauem Betrachten sah ich Jisungs geröteten Augen. Hatte er etwa geweint?

Minho, das interessiert dich nicht.

Denn heute Nacht wird Jisung sterben.

Da Jisung jetzt offenbar in einem anderen Zimmer schlafen durfte, war er alleine und niemand würde in seiner Nähe sein. Es sei denn Chan und Seungmin würden bei Jisung schlafen, doch Herr Koh machte dem einen Strich durch die Rechnung, als er Seungmin erzählte, dass Jisung Ruhe brauchte, nachdem er gefragt hatte, ob er bei Jisung bleiben durfte. „Ich denke, dass Jisung gut auf sich selber aufpassen kann, oder?" Jisung nickte tapfer und lächelte seinen Kumpel an. „Morgen geht's mir besser, Minnie. Wirst schon sehen."

Ich wartete bis nach Mitternacht, damit ich mir sicher sein konnte, dass die meisten hier schliefen. Dann schlich ich mich aus dem Schlafraum raus und suchte Jisungs Einzelraum. Da uns die Lehrer ihre Zimmer gezeigt hatten, wusste ich genau, in welchem Zimmer ich garantiert nicht reinschauen werde. Der Flur auf den ich mich gerade aufhielt, beherbergte nur Einzelräume, also musste Jisung irgendwo sein. Etwas nervös griff ich nach meinem Butterflymesser und umschlang es fest mit meiner Hand. Der Gedanke drei parasitäre Wesen umzubringen gefiel mir, doch Vorstellungen bedeuten nicht die Realität. Was mir am Anfang so leicht machbar erschien, hatte sich zu etwas Unmöglichen entwickelt. Konnte ich wirklich drei Menschen auf einmal umbringen?

Ja, ich konnte.

Weil ich die Erde beschützen musste.

Mein Ziel löste gab mir Mut und ich suchte vorsichtig weiter. Ein paar der Türen waren zugeschlossen. Die Nächste, wo ich versuchte reinzukommen, allerdings nicht und ich schaute rein. Dort lag Jisung. Bingo. Ich hatte ihn gefunden! Leise schlich ich mich rein und schloss die Tür hinter mir zu. Jisung schlief weiter. Gut, dann konnte ich es endlich hinter mir bringen. Ich lief zu ihm und deckte ihn auf. Er schlief wirklich friedlich. Die Parasiten in ihm zerrten sicher an seinen Kräften. Jisung trug ein einfaches weißes Shirt, welches ich nach oben schob. Man konnte schon bereits einen kleinen Babybauch erkennen.  Um mein Messer an eine gute Position zu bringen, musste ich ihn festhalten. Dadurch streifte meine Handspitzen seinen schwangeren Bauch.

Für einen Moment konnte ich nicht klar denken.

Da lag Jisung mit zwei kleinen Babys in ihm. Zwei kleine Wesen, die ihn brauchten, weil sie sonst sterben würden. Ich legte meine Messer an Jisungs Bauch und wollte seine Haut aufschlitzen, doch ich konnte nicht. Der Gedanke, dass sich darin zwei winzig kleine Lebewesen befanden, die noch ein ganzes Leben vor sich hatten und die auch von mir stammten, ließen es einfach nicht zu, dass ich Jisung weh tat. Stattdessen steckte ich das Messer zurück in meine Jackentasche und kniete mich vor Jisungs Bett. Vorsichtig beugte ich mich zu seinem Bauch und küsste ihn sanft. 

Was war nur über mich gekommen, dass ich so etwas Liebevolles machte? Ich hasste Jisung und die Babys doch! Damit ich meinen kalten Gedanken zurück bekommen konnte, musste ich heftig mit mir ringen, weil mein Herz, welches durch die Babys in Jisung erweicht war, bei ihm bleiben und ihn beschützen wollte. Es wollte ihn fragen, was los war, wieso es ihm so schlecht ging. Ob es die Babys waren oder ob er wegen mir litt.

Wieso fühlte ich so viel?

Frustriert raufte ich mir die Haare und fluchte leise vor mich hin. Meine Anwesenheit wurde allerdings bald von Jisung bemerkt.

„Minho? Bist du das?"

Ein hübscher Cliffhänger für euch :)

Between reality and dream (Minsung FF)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon