Ein Soundcheck, maskierte Fremde und flüssiger Mut

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Pete

Das Winterball-Kommittee hat ganze Arbeit geleistet: Der Ballsaal sieht einfach klasse aus. Überall glitzert es, hängen Girlanden von der Decke, Stoffbahnen an den Wänden ergeben gemeinsam mit stilisierten Bäumen und diversen Waldtieren das stimmungsvolle Bild eines Winterwonderland.

Ein Bereich ist fürs leibliche Wohl abgetrennt, mit einem irrsinnig langen Buffet samt obligatorischer, gigantischer Bowleschüssel, weiß eingekleideten Stehtischen mit hübschen Zierdeckchen und eleganten Kerzenhaltern — natürlich elektrisch wegen der Brandgefahr.

Im hinteren Teil ist eine Bühne aufgestellt, auf der die eigens engagierte Band gerade ihre Instrumente aufbaut und einen letzten Soundcheck vornimmt. Vor der Bühne eine große Tanzfläche, auf der schon einige Mitschüler herumlungern und warten, bis die Band endlich wirklich zu spielen beginnt.

Einige besonders engagierte Fans in der ersten Reihe halten Banner in die Höhe mit Aufschriften wie "Ich will ein Kind von dir" oder "Heirate mich!". Ich selbst habe natürlich noch nie etwas von dieser Band gehört, aber sie scheint ganz berühmt zu sein. Als der Sänger in die langsam größer werdende Menge zwinkert, fallen zwei Mädels spontan in Ohnmacht und müssen von der Security nach draußen getragen werden.

Ich stehe ein bisschen verloren mittendrin und versuche, jemanden zu finden, den ich kenne. Hätte ich mich nur mal mit meinen Freunden verabredet. Leider habe ich nicht mit dem Effekt gerechnet, den die Masken gemeinsam mit der ungewohnten Kleidung heraufbeschwören: Ich erkenne niemanden.

Und damit meine ich wirklich: Niemanden. Das ist ja der reinste Wahnsinn, ich gehe seit Monaten jeden Tag mit diesen Menschen in die Schule, mit einigen habe ich mich sogar angefreundet, und doch erscheinen mir jetzt alle Personen um mich herum fremd.

Vielleicht sollte ich mehr auf meine Mitmenschen achten.

Was mache ich denn jetzt? Bleibe ich wirklich mitten im Saal stehen wie bestellt und nicht abgeholt, oder kann ich irgendwie zumindest sinnvoll beschäftigt aussehen? Am besten hole ich mir erst mal etwas zu essen, dann haben meine Hände etwas zu tun und es fällt nicht so auf, dass ich mit niemanden spreche. Wäre ja auch unhöflich, so mit vollem Mund. Selbst für einen Badboy wie mich.

Ja, der Plan gefällt mir.

Leider kann man auch mit essen nur eine gewisse Zeit überbrücken, und während die Band zu spielen beginnt und sich die Tanzfläche immer weiter füllt, fühle ich mich an meinem Stehtischchen in der Ecke zunehmend verloren und unwohl.

Natürlich könnte ich mich einfach unter die Menge mischen, ein bisschen tanzen oder mich an einen der anderen Stehtische dazugesellen und ein Gespräch beginnen. Nur: Was mache ich, wenn ich mich vollkommen blamiere?

Wenn meine Dancemoves peinlich sind oder ich im Gespräch was Dummes sage? Oder mich verspreche und rot anlaufe und in Tränen ausbreche und aus dem Saal renne? Und mit vagen Grummellauten kann man nunmal kein Gespräch starten. Ich wäre das Gespött der ganzen Schule.

Diese Gedanken tragen natürlich nicht dazu bei, mich zu entspannen. Mittlerweile stehe ich stockesteif an meinem Tisch und versuche krampfhaft, nach außen einen coolen und gelassenen Eindruck zu vermitteln.

Das kann so nicht weitergehen!

Ganz zufällig fällt mein Blick auf die Bowle. Vielleicht ist es an der Zeit, ein bisschen lockerer zu werden.

~

Eine halbe Stunde später habe ich mein viertes Glas Bowle intus und fühle mich angenehm beschwippst. Meine Hemmungen sind verschwunden, ich fühle mich eins mit dem Universum und könnte die ganze Welt umarmen. Keine Ahnung, was genau in der Bowle ist, ich tippe auf etwas mit Früchten gemischt mit einem minzigen Geschmack, aber es tut auf alle Fälle seine Wirkung.

Die Musik ist wirklich mitreißend und ich merke, wie meine Füße den Takt aufnehmen. Wenn ich gewusst hätte, was für einen sexy Hüftschwung ich aufs Parkett legen kann, wäre ich schon längst bei "Let's dance" oder einer vergleichbaren Show aufgetreten. Diese ganzen F-Promis wären chancenlos gegen mich.

Ich nehme mir noch ein fünftes Glas to go und bewege mich Richtung Tanzfläche. Zeit, mich unters Volk zu mischen.

Der Omega, der Badboy und die MafiaWhere stories live. Discover now