Die Oma am Rollator, Trillerpfeifen und ein gemeinsamer Feind

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Pete

"Auf gehts, ihr lahmen Säcke, bewegt eure Ärsche!" Mister Melonis Stimme hallt laut über den Platz, über den er unsere Klasse gerade eine Runde nach der anderen treibt.

Eigentlich mache ich gerne und oft Sport. Ich gehe regelmäßig Joggen, mache Krafttraining und bis zu meinem Umzug nach Wales war ich in einem Boxclub angemeldet. Von nichts kommt nichts, und irgendwie musste ich meinen Badboy-Körper ja stählen. Mein Sixpack kann sich absolut sehen lassen. Bisher habe ich mich durchaus für einen sportlichen Menschen gehalten.

Bisher. Jetzt läuft mir der Schweiß aus allen Poren, meine Beinmuskeln schreien bei jeder Bewegung und meine Lunge ist kurz davor, den Dienst zu quittieren. Hinter mir höre ich Dean schnaufen, die anderen haben wir schon lange abgehängt.

"Also wirklich, wie wollt ihr denn so jemals vor der Mafia weglaufen können?! Macht mal hinne, so kann euch ja meine Oma einholen! Und die ist 90 und geht am Rollator!" Begleitet wird sein Gebrülle von regelmäßigen Pfiffen auf seiner Trillerpfeife.

"Wenn der so weitermacht, schiebe ich ihm das blöde Ding bald dahin, wo die Sonne niemals hinkommt", keucht Dean neben mir. Für mehr als ein zustimmendes Nicken fehlt mir die Puste.

"Mister ... Meloni", Luke steht schwer atmend auf seine Knie gestützt vor Meloni und versucht, genug Luft zu holen, um einen Satz zusammenzukriegen, "Sir, ... warum ... sollten wir denn ... vor der Mafia ... wegrennen ... müssen? ... Das macht doch ... keinen ... Sinn!"

Krass, der traut sich was. Beeindruckt bleibe ich ebenfalls stehen.

Meloni wirkt, als würde er gleich platzen vor Wut über den Einwand, so sehr pocht die Ader an seiner Schläfe. "Ausgerechnet du, Luke, ausgerechnet du müsstest wissen, wie wichtig das sein kann! Schneller zu sein als die Mafia kann ab-so-lut lebensnotwendig sein!", schreit er und betont dabei einige Silben übermäßig deutlich. Angeekelt beobachte ich die Spucketröpfchen, die bei dem ganzen Geschrei aus seinem Mund kommen.

"Was ... meinen Sie ... damit, ... Sir?" Man kann Luke die Verwirrung förmlich anhören. Meloni redet aber auch einen Quark, wer muss denn schon von der Mafia wegrennen, und dann auch noch ausgerechnet Luke? Als ob der mit seinen Wuschelhaaren und Katzenaugen irgendetwas mit der Mafia zu tun hätte, lächerlich!

"Was steht ihr denn hier alle so rum?", fällt Meloni plötzlich auf, dass sich um ihn herum mittlerweile eine Menschentraube gebildet hat. Außer mir haben sich auch noch Dean und Lizzy zu uns gesellt, auch wenn beide viel zu sehr außer Atem sind, um mehr zu tun, als hörbar nach Luft zu schnappen. Und Kimberley scheint die Gelegenheit ebenfalls genutzt zu haben, mit dem ständigen Rennen aufzuhören.

"Okay, wenn ihr meint, dass Weglaufen keine geeignete Reaktion bei einer Begegnung mit der Mafia ist, werdet ihr wohl andere Wege beschreiten müssen. Ich will von jedem von euch 50 Liegestütze und 100 Situps, und wenn ihr das geschafft habt, gehts erst recht ans Eingemachte: Selbst-ver-tei-di-gung!"

Das letzte Wort spricht Meloni mit so viel Nachdruck und leicht sadistischem Grinsen aus, dass mir ganz angst und bange wird.

~

"Ich ... hasse ... diesen Mann!" Wer auch immer es war, der noch genug Luft und Energie aufbringen konnte, um diesen Satz von sich zu geben, er spricht mir aus der Seele.

Wir liegen zu fünft nebeneinander auf dem Rasen neben der Sporthalle. Weiter sind wir nicht mehr gekommen. Meloni hat seine Ankündigung wahr gemacht und uns so lange gehetzt und gescheucht, bis wir uns kaum noch bewegen konnten. Danach hat er uns ein paar Verteidigungskniffe beigebracht und so oft üben lassen, bis wirklich gar nichts mehr ging.

Geschont hat er dabei keinen einzigen von uns. Immer und immer wieder hat er uns antreten lassen, und wenn eine Abwehr nicht schnell genug oben war oder nicht kräftig genug, dann ging sein Angriff eben durch. Treffer, versenkt. Wahrscheinlich wird es morgen leichter sein, die Stellen an meinem Körper zu zählen, die NICHT blau sind.

Besonders Luke hat er erst in Ruhe gelassen, als dieser alle Griffe und Wendungen perfekt ausführen konnte. Was auch immer sein Problem ist! Luke liegt jedenfalls apathisch neben mir und hat schon seit Ewigkeiten keinen Mucks mehr von sich gegeben. Der Arme ist vollkommen erledigt.

Eins hat Meloni aber auf alle Fälle erreicht, auch wenn er das wahrscheinlich nicht beabsichtigt hatte: Wir fünf bilden jetzt eine Einheit. Ein gemeinsamer Feind schweißt eben zusammen.

Der Omega, der Badboy und die MafiaWhere stories live. Discover now