Falsche Gänge, pinke Labertaschen und ein Hausmeister mit Dialekt

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Pete

Endlich da!

Selten war ich so erleichtert und glücklich, ein Schulgebäude zu sehen, wie gerade jetzt. Wobei Schulgebäude maßlos untertrieben ist. Das Ganze ist ein fucking Schloss!

Meine Nacht spüre ich trotzdem in allen Knochen. Ein Lager aus Pappkartons im Hinterzimmer einer Tankstelle ist einfach nicht so bequem wie ein richtiges Bett, und mein Hals kratzt ganz fürchterlich von der gestrigen Fahrt bei Wind und Wetter. Heute morgen habe ich kaum ein Wort rausgekriegt, als ich mich bei Russ, dem freundlichen Kassierer, verabschiedet habe. Wie damals im Stimmbruch, nur viel schlimmer.

Als ich langsam die kiesbestreute Einfahrt entlangfahre, kann ich die Dimensionen nur mit Mühe begreifen. Neben dem eigentlichen Schloss gibt es mehrere Scheunen mit beeindruckendem Fuhrpark -- Ist das eine Kutsche? -- und einen riesigen Garten mit klassisch englischem Rasen und schilfumrandetem See. Ganz in der Ferne kann ich bewaldete Berge erkennen.

Meine Güte, diesmal haben sich meine Alten echt nicht lumpen lassen. Ich muss mich beherrschen, um mir meine Ehrfurcht nicht anmerken zu lassen. Jetzt bloß nicht starren, und Kinnlade wieder nach oben klappen.

Wroar! Ups, jetzt hab ich vor lauter Staunen den falschen Gang erwischt und mein Motorrad laut aufheulen lassen. Egal, ich sag einfach, das wäre Absicht gewesen. Immerhin hab ich jetzt einen klassischen Badboy-Auftritt hingelegt.

"Na, wer bischn du? Unn was machschn fürn Lärm, so frieh am Morge?" Ein zotteliger Mann mit viel zu vielen Haaren auf dem Kopf kommt wild mit den Armen fuchtelnd auf mich zu. "Nedd dass du mir meen Rase kapudd machsch!"

Ich bin von seinem Dialekt so überfordert, dass ich nur ein "Hmpf!" über die Lippen bekomme.

"Ah, du musch der Pete sei. Isch hadd ja schoo geschtern Obend mit der greschnet, abba gut, jetzt bisch ja doo. Kumm mit, du kannsch dei Radl in de Scheun abstelle. Und danaa zeig isch der dei Zimma."

Was hat er jetzt schon wieder gesagt? Ich versteh kein Wort. Was will er von mir? Und was soll ich jetzt antworten? Hilfe! Ich bin lost.

Also mache ich das, was ich immer mache, wenn ich nicht weiter weiß: Ich setze einen mysteriösen Gesichtsausdruck auf, schaue demonstrativ gelangweilt auf meine Zehenspitzen und warte darauf, dass die Welt mir klare Anweisungen gibt. Wie ein wahrer Badboy eben.

~

"Ach, Herr Higgrat, gut, dass ich Sie finde. Mister Meloni sucht Sie!" Mir bluten die Ohren, was ist denn das für eine schreckliche Stimme? Gerade wollte ich Herrn Higgrat, so heißt der Hausmeister mit dem ausgeprägten Akzent anscheinend, in mein Zimmer folgen, als uns eine Erscheinung in pink den Weg abschneidet.

"Hallo Kimberley, isch wollt dem junge Bu hier grad sei Zimma zeige. Ischs denn dringedd?" Bitte, lass mich nicht mit ihr allein! Ihre Fingernägel machen mir Angst! Da schlag ich mich lieber mit dem heftigsten Dialekt der Welt herum.

Aber Herr Higgrat scheint mein innerliches Flehen nicht zu hören, denn nach kurzem Hin und Her macht er sich auf seinen Weg und überlässt mich dem Mädel mit der schrillen Stimme. Diese hakt sich bei mir unter und zerrt mich beinahe die Gänge entlang, während sie in einem fort auf mich einschnattert.

"Keine Sorge, ich zeig dir dein Zimmer. Cooles Motorrad hast du da, sehr stylish, vielleicht kannst du mich ja mal damit ins Restaurant ausführen."

Was soll ich denn dazu bitte sagen? Danke, aber Nein? An dem Tag werde ich leider krank sein? Babe, es liegt nicht an dir, es sind deine Fingernägel? Ich entscheide mich für ein "Grmpf."

"Ich sag dir, ich hatte vielleicht eine stressige Anreise. Du glaubst es nicht, aber ich bin doch tatsächlich im Zug auf zwei Gauner hereingefallen, richtig fiese Typen, you know, und dann bin ich am falschen Bahnsteig ausgestiegen und musste erst mal Ewigkeiten laufen, bis ich endlich ein Taxi rufen konnte! Und das mit meinen neuen Schuhen!"

Empört holt sie Luft, und ich nutze die Gelegenheit, um ein "Hmhm" einfließen zu lassen. Kimberley scheint meine mangelnde Gesprächigkeit keineswegs negativ aufzufallen, denn sie fährt unbeirrt fort.

"Und dann, ich sag dir, das Taxi, das war so alt und überhaupt nicht mein Style, you know, aber man nimmt ja was man kriegt. Nur lief da die ganze Zeit so laute Musik, und dann hab ich gesagt ..."

Was genau sie gesagt hat, kriege ich nicht mehr mit, weil mein Gehirn überfordert von der Redeflut einfach abschaltet. Hoffentlich sind wir bald bei meinem Zimmer und ich kann sie endlich loswerden.

Während Kimberley mich also hinter sich her zerrt, als wäre ich ihre neueste Puppe, und dabei weiter ohne Punkt und Komma auf mich einredet, schweift mein Blick ziellos durch die Korridore.

Kurz bleibt er auf einem Mädchen mit einem riesigen Pummeluff auf dem Oberteil kleben, bevor er zu dem Jungen neben ihr wandert. Meine Güte, so grüne Augen habe ich noch nie gesehen. Spontan muss ich an endlose Waldspaziergänge, blühende Wiesen im Frühlingswind und den gestiefelten Kater aus Shrek denken.

Dann biegen wir um eine Ecke und ich schüttele mir diese Gedanken schnell wieder aus dem Kopf.

Der Omega, der Badboy und die MafiaOnde as histórias ganham vida. Descobre agora