Eine Pokemon-Brotdose, ein Motorrad und unerbetene Abschiedsküsschen

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Pete

"Ach, fickt euch doch alle!"

Mit einem lauten Knall fällt die Eingangstür hinter mir ins Schloss, als ich mit noch offener Lederjacke und meinem Helm in der Hand zu meinem glänzend schwarzen Motorrad stürme. Ich brauche nur drei Sekunden, um meine abgeranzte, aber ebenfalls schwarze Reisetasche hinter meinen Sitz zu schnallen und mein Bein über eben jenen zu schwingen.

Ha, da habe ich aber mal einen dramatischen Abgang hingelegt! Wie ein wahrer Profi und der absolute Badboy, der ich nun mal bin!

Leider brauche ich dann nochmal deutlich länger, um den Kinngurt meines Helms festzumachen. Das verflixte Ding will einfach nicht einrasten! Kurz überlege ich, ohne korrekt sitzende Kopfbedeckung loszufahren, aber dazu kann ich mich dann doch nicht durchringen. Ich habe immerhin nur einen Kopf und Ersatzteile sind schwer zu kriegen.

"Da bist du ja noch. Ich hab dir ein paar Schnittchen für die Fahrt eingepackt, nicht dass du Hunger kriegst. Und bist du sicher, dass du dir nicht lieber einen Schal umbinden willst? Du erkältest dich doch immer so leicht!"

Verdammt, meine Mutter hat mich eingeholt. Glücklicherweise scheint sie meine letzten Grußworte vorhin nicht gehört zu haben. Sonst müsste ich mir jetzt ordentlich was anhören!

Gerade noch so kann ich verhindern, dass sie mir einen bunt gemusterten Schal um den Hals wickelt, bin davon aber so abgelenkt, dass sie mir mit der anderen Hand eine Brotdose mit Pokemon-Motiven in die Tasche stecken kann. Meine Mutter ist wirklich multitaskingfähig.

"Mum!", versuche ich sie mir vergeblich vom Leib zu halten, "Lass das, das ist ja voll cringe, ey!"

"Ach je, bist du etwa immer noch in dem Alter, in dem Eltern peinlich sind? Dann kann ich dich wohl nicht zu einem Abschiedsküsschen überreden?"

"Boah, Mum, gehts noch? Lass mich in Ruhe! Wie oft soll ich dir das noch sagen, ich bin ein BADBOY, die lassen sich doch keine Abschiedsküsschen geben!" Das "Badboy" betone ich dabei besonders deutlich, vielleicht kommt es ja diesmal bei ihr an.

"Jaja, mein Junge, ich weiß. Du bist ein total böser Bube. Deshalb haben wir dir ja auch das Motorrad bezahlt und die zerrissenen Jeans, in denen jedes Loch nochmal extra kostet." Besänftigend tätschelt meine Mutter mir den Kopf, was sich durch den Helm wirklich seltsam anfühlt.

"Mum, ich muss jetzt los, sonst komme ich noch zu spät zur Schule. Wenn ihr mich schon ins Internat abschiebt, wollt ihr doch bestimmt, dass ich dort einen guten ersten Eindruck hinterlasse, oder?"

Natürlich liegt mich nichts ferner, als tatsächlich einen guten Eindruck hinterlassen zu wollen -- Badboy, duh! -- aber zur Not würde ich meiner Mutter alles erzählen, um endlich meine Ruhe zu haben.

"Von Abschieben kann jetzt aber wirklich keine Rede sein, mal davon abgesehen dass du mit deinem Badboy-Getue gerade von der dritten Schule geflogen bist, aber gut. Bist du wirklich sicher, dass ich dich nicht fahren soll?"

Bei der Vorstellung, von meiner Mutter im lila Familienkombi an die neue Schule gebracht zu werden, rollen sich mir die Zehennägel auf.

"Mum, ich bin sicher! Ich muss auf meinen Ruf achten! Was sollen denn die Leute von mir denken?"

"Ach mein Schatz, die Leute denken eh was sie wollen." Sind das etwa Tränen in ihren Augen? "Herrje, mein Baby wird erwachsen. Eben noch warst du mein kleiner Wonneproppen und jetzt ziehst du ganz allein los, um die Welt zu erobern."

Manchmal fühle ich mich von meiner Mutter nicht ernst genommen.

Der Omega, der Badboy und die MafiaWhere stories live. Discover now