Andrew zuckte mit den Schultern und meinte: "Also eigentlich wollte ich dich aufheitern und ein bisschen mit dir quatschen, weil man mir sagte, dass du wenig Freude an Griechenland hast. Aber als ich hier ankam, hat mir das Verhalten meines besten Freundes ziemliche Sorgen bereitet. Er hat mich praktisch aus dem Haus geworfen, also habe ich dich gesucht, da einer der Wachmänner meinte, dass du nicht im Haus bist."

Also hatte Cyrian meine Aussage schwerer getroffen als gedacht.

Es war grausam, dass sich das schlechte Gewissen meldete. Ausgerechnet wegen einem Mafiaboss empfand ich das. Das war ein kranker Witz.

Andrew überschlug seine Beine und tat so als müsste er sich seine Brille zurecht rücken, obwohl er keine trug. "Ich kann auch den Therapeuten spielen."

Ok, das war schon witzig, weshalb ich leicht lachen musste. Der Mann hatte auf jeden Fall Humor.

Er kniff die Augen zusammen und musterte mich dabei, was mich sicherlich nicht beruhigen ließ.

Schließlich nickte er und schien zu einem Entschluss gekommen zu sein. "Deinem Lachen nach sind es keine unüberbrückbaren Differenzen. Trotzdem sollte man solche Dinge nie in sich hineinfressen, denn das ist ungesund. Und ich gebe zu, dass ich neugierig bin. Sorry."

Ich tat es mit einer Handbewegung ab, denn das war verständlich. An seiner Stelle wäre vermutlich jeder neugierig was genau passiert war.

"Kein Problem, außerdem meinst du es gut und es ist keine reine Neugierde."

Wobei der Hauptgrund sein bester Freund sein dürfte, um welchen er sich Sorgen machte. Aber das war das Schöne oder Nette daran.

Mit einem Seufzen sah ich nach vorne zu einem der Bäume und gab mir einen Ruck. Vielleicht half es mir, wenn ich es ausgesprochen hatte. Den Versuch sollte ich wagen, denn schaden konnte es wohl kaum. Cyrian würde es ihm vielleicht irgendwann erzählen.

"Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn hasse, was gelogen war und das hat Cyrian erkannt. Danach habe ich ihm gesagt, dass ich es aber tun möchte und das ist die Wahrheit. Seiner Aussage nach wusste er das bereits."

Es herrschte Stille und ich bewunderte weiterhin den Baum vor mir. Er war nicht zu groß und hatte einige Äste, welche dunkelgrüne Blätter trugen.

Das war ein schöner Anblick.

Die Natur konnte etwas Beruhigendes haben, nur aktuell war zu viel Chaos, weshalb der gewünschte Effekt ausblieb.

Schließlich sagte Andrew: "Ja, ok, das sind harte Worte. Trotzdem sind sie verständlich, wenn man bedenkt wie wenig du weißt. Also eigentlich ist es ziemlich unfair, aber dann auch wieder nicht. Es ist nämlich niemals deine Schuld, wenn man dich nicht aufklärt. Aber ich bin mir sicher, dass du Cyrian kaum zu Wort kommen lässt. Richtig problematisch wird es, da er sehr ungern über seine Vergangenheit spricht und das mit seinem Job ist auch so ein Ding."

Wenn man mir fast nichts erzählte, war es wohl kaum meine Schuld, das könnte mir niemand erzählen. Vielleicht tat es Andrew, dann bekäme ich eventuell die Erleuchtung oder würde es besser verstehen.

Leider gab es dann die Möglichkeit, dass ich Sympathie für Cyrian empfand oder noch schlimmer, wenn ich Verständnis bekam. Danach entwickelte ich vielleicht noch das Helfersyndrom, weshalb ich bei ihm bleiben wollte.

Außerdem hatte er sich falsch verhalten, das konnte kein Mensch schön reden. Egal was mal war oder welche angeblichen Gründe er hatte.

Ich konzentrierte mich weiterhin auf den Baum, obwohl der Anblick echt nichts hergab. Das Spannendste daran dürfte ein Ast sein, welcher in einer fragwürdigen Form gewachsen war. Er war gebogen und wuchs in keiner normalen Form, wie die anderen.

Hm.

Das konnte einen ganz nachdenklich machen, obwohl das vollkommen egal war, denn ich hatte ganz andere Probleme.

Andrew fragte hoffnungsvoll: "Hörst du mir zu, wenn ich dir wenigstens ein paar Sachen erzähle? Bei der gesamten Story würde Cyrian mich töten, aber wenigstens ein paar Spoiler kann ich dir geben."

Ich musste keine Sekunde darüber nachdenken, denn das wusste ich bereits.

So antwortete ich in einem kalten Ton: "Nein." Es war bestimmend und duldete keinen Widerspruch, da konnte ich stolz sein, dass ich das überhaupt hinbekam.

Scheinbar respektierte er das, denn Andrew sagte: "Du wärst eine tolle Frau eines Mafiabosses. Der ruhige Gegenpol, welcher ihn erdet und auf den Boden der Tatsachen holt. Du bist edel, Feline, einfach nur edel."

Dem Frieden traute ich kein bisschen, denn dafür hatte Andrew das Thema viel zu schnell gewechselt. Ich würde es ihm zutrauen, dass er einen Plan verfolgte.

Ich drehte meinen Kopf zu ihm und in diesem Moment legte er los: "Cyrians Eltern wurden ermordet als er noch klein war, danach kam er zu seiner Tante und seinem Onkel, welche leider genauso ihr Ende fanden. Allerdings gab es da gewisse Hintergründe. Das Schlimmste Erlebnis war dennoch als sein Bruder starb, das hat ihn wirklich fertig gemacht."

Ich starrte ihn einfach nur an, da mich diese Informationen überforderten, dann hatte er es so schnell aufgezählt als würde er etwas Normales mit mir besprechen.

Mein Hirn musste das erst umsetzen.

Andrew laberte schon weiter: "Jedenfalls hat er starke Verlustängste, weshalb Cyrian niemand Neuen in sein Leben lässt. Seiner Ansicht nach sterben Menschen viel zu leicht, was einem das Herz brechen oder schädigen kann. Aber ja, dann kamst du und dich hat er in sein Leben gelassen. Einfach, weil er nicht anders konnte."

Das war zu viel auf einmal, wenn man es derart unsensibel vor die Füße geknallt bekam und eigentlich sollte ihm das klar sein.

"Dann fährst du ihm ausgerechnet in sein Lieblingsauto. Ernsthaft das ist sein absolutes Lieblingsauto. Als er mir davon erzählte, habe ich gedacht, dass diese Person tot ist, dabei war sein nächster Satz ganz ein anderer."

Er räusperte sich, verstellte seine Stimme und sagte: "Was für ein unschuldiges und süßes Wesen."

Das Fass war voll, denn damit hatte Andrew zu extrem umgelenkt, da kam kein Mensch mehr mit und wäre außer sich.

Also rief ich: "Tickst du noch ganz richtig?! Das war zu viel und zu schnell!" Meine Stimme hatte ich erheben müssen, da in mir die pure Unruhe herrschte.

Andrew sah mich verständnislos an und erklärte: "Du hast gemeint, dass du mir nicht zuhörst, also hatte ich starken Zeitdruck."

Starken Zeitdruck?!

Nein, der Typ hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank und sagte mir das so locker ins Gesicht.

Ich stand auf und sagte dabei: "Du hast einen Knall und ich brauche jetzt Zeit für mich." Während ich mich in Bewegung setzte, antwortete er: "Ok, falls du reden willst, dann kann ich beruhigen, dass ich in Griechenland bleiben werde."

Ich grummelte, ging den Waldweg entlang und das mit schnellen Schritten.

Mittlerweile hatte ich wieder das Bedürfnis im Haus zu sein und musste über das Gesagte nachdenken, denn das musste erst richtig bei mir ankommen.

The Monster | ✔️Where stories live. Discover now