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Cedric

Klammeräffchen. Ich hielt mich an Raphael fest wie ein Klammeräffchen. Er fuhr schnell; sehr schnell, doch irgendwie machte es mir nicht so viel Angst wie angenommen. Natürlich hatte ich angst, auf diesem Motorrad zu sitzen, sonst würde ich mich nicht so fest halten wie ich es tat, doch es ging.

„Bist du schon mal geflogen?" fragte er, als wir an einer roten Ampel zum stehen kamen.
„Schon hunderte Male." antwortete ich, da ich schon sehr oft mit meinem Dad auf Geschäftsreisen war oder im Urlaub.
Statt einer richtigen Antwort, kam von Raphael nur ein herzliches Lachen, eher die Ampel auf grün schaltete.
„Festhalten. Wir werden jetzt fliegen." danach zog er mit einem Ruck das Gas auf anschlag, ließ die Kupplung los und raste mit voller Geschwindigkeit davon. Dann zog er das gottverdammte Motorrad in die Luft und wir fuhren auf dem hinteren Reifen, während das vordere mindestens zwei Meter in der Luft hing. Augenblicklich kniff ich meine Augen zusammen und verstärkte den Klammergriff um Raphaels Hüften. Kurz war ich davor, wie ein kleines Mädchen los zu schreien.
Doch ich nahm meinen Mut zusammen und öffnete meine Augen schließlich wieder. Ich sah in den Himmel und konnte die Sterne sehen, die Lichter der Laternen die an uns vorbei rasten. Es fühlte sich atemberaubend an.
„Wow..." flüsterte ich mir zu und meine Angst war wie weggeflogen...

Irgendwann kamen wir an den Ort an, an dem uns Raphael hingeführt hatte. Er stellte sein Motorrad ab und lies mich von dem Teil runter steigen.
„Wo sind wir?" fragte ich, als ich den Helm abgenommen hatte und mich ein wenig umsah.
Wir waren auf einem Berg, neben uns in der Mitte stand eine riesige Eiche. Drum herum fanden sich neben dem Gras viele Blumen wieder, die in der Schönheit der Nacht zu leuchten schienen.
Vor dem Baum stand eine kleine Bank; eine auf denen man die Beine baumeln lassen konnte. Von dort aus, konnte man unsere Stadt sehen. Der Blick reichte Meilen weit und man sah die vielen kleinen Lichter der Häuser, vermischt mit dem Licht der Sterne und dem Mond.

„Wow..." flüsterte ich. Wieder hatte Raphael es geschafft, mich heute gleich zwei mal sprachlos zu machen.
„Ich komme hier oft her.." sagte er, während er sich zu der Bank bewegte und ich ihm folgte.
Wir setzten uns und ich ließ meinen Blick über die Aussicht wandern.

„Schau nach oben." sagte er irgendwann und ich konnte seine Zufriedenheit in seiner Stimme hören.
Kurz sah ich Raphael von der Seite an. Er hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt, seine Hände vergrub er in seiner Jackentasche und sein Blick war nach oben gerichtet.
Ich tat es ihn gleich, als ein leichter Windhauch an uns vorbei zog und ich leicht erzitterte.

Über uns war der klare Sternen Himmel. Es sah wunderschön aus, die vielen Sterne zu sehen.
„Da oben ist der große Wagen." sagte ich schließlich, als ich ihn gefunden hatte.
„Du kennst die Sternbilder?" fragte Raphael und klang ein wenig überrascht.
„Nein, nicht wirklich. Ich kenne nur den großen Wagen." gab ich mit einem schmunzelnd zu, wendete meinen Blick dabei nicht vom Himmel ab.

„Kennst du sie?" fragte ich ein paar Sekunden später.
„Ja. Ich mag die Sterne. Sie sind so viele Lichtjahre entfernt und trotzdem denke ich manchmal, ich könnte nach ihnen greifen. Schau da oben." sagte er und zeigte mit seinem Finger in die Luft. Ich versuchte seinem Blick zu folgen, doch es war ziemlich schwierig.
„Da ist das Sternbild Hase. Siehst du die Löffel, die Pfoten oder den Körper? Manchmal sieht es auch nur aus wie ein umgekipptes H. Oder wie ein K, Je nachdem wie die Sterne stehen. Es ist mein Lieblings Sternbild." ich konnte hören, wie er lächelte und etwas verzweifelt suchte ich danach am Sternhimmel.
„Wieso ist es dein Lieblings Sternbild?" fragte ich, als ich mir sicher war den Hasen jetzt gefunden zu haben. Mit ein wenig Fantasie sah er tatsächlich aus wie an Hase.

„Ich weiß es nicht so recht. Hasen sind Tiere, die eigentlich immer gut getarnt sind. Wenn der Hase sich nicht rührt, wird er leicht übersehen. Bei den Sternen ist das ähnlich. Über den Hasen und rechts daneben sind hellere Sterne, deswegen übersieht man ihn am Himmel ziemlich leicht."
Ich lauschte seiner Erzählung und es rührte mich ein wenig. Ich fand die Geschichte schön.

„Also denkst du, du bist manchmal ein Hase? Jemand der übersehen wird?" fragte ich vorsichtig, denn ein wenig erinnerte Raphael mich an einen Hasen.
„Manchmal." antwortete er, doch es klang mehr wie eine Frage.

Und wieder war es still zwischen uns. Es war keine unangenehme Stille, wir genossen einfach diesen Ausblick in diesem wunderschönen Himmel.

„Raphael?" Ich drehte meinen Kopf so, dass ich ihn von der Seite aus ansehen konnte. Ein paar seiner braunen Haare hingen ihm im Gesicht. Er sah friedlich aus und ein kleines Lächeln zierte seine Mundwinkel.

„Hier ist einer." scherzte er und drehte sich ebenfalls zu mir um.
„Was wolltest du heute Abend sagen, als wir in der Küche standen? Was meintest du damit, dass du kein weiteres gebrochenes Herz heilen kannst?"
Raphaels Lächeln verschwand, er sah wieder weg; in Richtung Stadt.
Er schwieg. Und ich auch. Falls er Zeit brauchte, um über die Worte nachzudenken, wollte ich sie ihn geben.

„Weiß du... Als du damals Jovie versucht hast anzubaggern hab ich dich gehasst. Immer wenn ich die großen Plakate in der Stadt von deinem Dad gesehen habe, hab ich dich gehasst. Und immer wenn Fae diese Klatsch und Tratsch Zeitungen mitgebracht hatte und du mal wieder auf der Titelseite warst hab ich dich auch gehasst. Vielleicht, weil ich dachte, dass so ein reicher Junge der alles in den Arsch geschoben bekommt, einfach nur arrogant ist und sich um nichts außer sich selbst kümmert. Ich hab von meinem Dad gelernt, dass man die West's hasst. Schließlich tuen die West's es nicht anders mit den Coleman's. Sie hassen sich. Wieso auch immer.
Und dann warst du auf einmal hier; mitten in meinem Leben. Du warst auf einmal gar nicht mehr so ein Arschloch und immer wenn ich sehe wie Blue und Fae sich freuen wenn du morgens schon da bist, sobald sie aufstehen, dann freue ich mich irgendwie auch..."

Er machte wieder eine Pause, während ich nur da stand und all seine Worte verarbeitete.
„... Cedric, ich.. ich hasse dich nicht mehr. Und ich müsste lügen, wenn ich nicht sagen würde, dass ich dich..." schon wieder, er brach ab. Er verschloss seinen Mund; verschloss sein Inneres. Vor mir. Und verdammt, das sollte er nicht. Die Zeit, in der ich nur meinen Vater einen auf den Deckel hauen wollte, war vorbei. Sie stand zumindest nicht mehr im Vordergrund.

Ich rückte, fast unbemerkt, ein kleines bisschen näher zu Raphael.
„Was ist es, was du mir sagen möchtest?" fragte ich leise, doch schon wieder kam keine Antwort.
Ich wusste nicht, was in ihm vor ging, doch wie gesagt: Wenn er die Zeit zum nachdenken braucht, gebe ich sie ihn.
„Ich.. ich kann nicht." murmelte er und wirkte auf einmal so verletzlich.
„Wenn... es an mir liegt; wenn du es mir nicht sagen kannst, dann sag es doch den Sternen. Sie sind zwar so weit weg, doch ich bin sicher, dass sie dich hören können. Sie hören dir immer zu. Und wenn du es den Sternen erzählt hast, dann verraten sie es mir vielleicht auch..."

Raphael sah mich an, wechselte dann seinen Blick nach oben zu den Sternen. Ich war gespannt was er ihnen nun sagen würde und ich sah ebenfalls nach oben.
Doch bevor Raphael anfing zu sprechen, drehte er mich an der Schulter um, nahm mein Gesicht in seinen Händen und legte sanft seine Lippen auf die meinen..

Kurz weiteten sich meine Augen. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet. Dennoch erwiderte ich den Kuss, ruhig und im Einklang Harmonierten unsere Lippen zum Takt unseres Herzschlages...
Als wir uns lösten, spürte ich seinen warmen Atem noch an meinen Lippen.
„Ich mag dich, Cedric." hauchte er schließlich. Das Geheimnis war gelüftet. Und ohne drüber nach zu denken, sagte ich das, was mein Herz mir schon die ganze Zeit sagen wollte.
„Ich mag dich auch, Raphael."
Er lächelte.
„Du kannst mich Raff nennen."

All that's bright and goneWhere stories live. Discover now