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Raphael

Die Arbeit an der Tankstelle war keine sonderlich schwere Arbeit, doch wie immer musste ich mich mit zu vielen Menschen rum schlagen und diskutieren, weil sie meinten sie könnten Mathe besser als ein Computer. Dementsprechend genervt traf ich am späten Abend wieder zuhause an und musste feststellen, dass Cedric immer noch da war.
Was zum? Wieso war er überhaupt noch hier?

„Wie war die Arbeit, Liebling?" scherzte er direkt, als er mich sah.
„Klappe." brummte ich,
„Was machst du noch hier."
„Schon vergessen? Du hattest noch mein Auto." er grinste schief und ich verdrehte die Augen.
„Hast du kein Chauffeur?" fragte ich, während ich ihn den Autoschlüssel zu warf.
„Doch, aber ich dachte ich verbringe ein wenig Zeit mit Blue und Fae."
Ich spannte mich an. Er sollte keine Zeit mit ihnen verbringen. Sie würden sich an Cedric's Anwesenheit gewöhnen und in zwei Monaten wird es dann heißen wir haben Schluss gemacht, er kommt nicht mehr wieder und mir grault es schon vor dem Gedanken, die beiden so enttäuscht zu sehen.
Denn gerade Blue scheint ihn aus unerklärlichen Gründen zu mögen.

„Lass die Kids da raus. Ich will nicht, dass sie am Ende enttäuscht werden." sagte ich knapp und ging in die Küche, wo das kalte Abendessen auf mich wartete. Ich nahm mir die Nudeln und den Ketchup aus dem Kühlschrank und lehnte mich schließlich an den Theresen an und sah zum angeschalteten Fernseher.
„Jovie schläft schon. Genau so wie deine anderen Geschwister." gab er in mehr oder weniger Abwesenheit von sich, während er - genau so wie ich - auf den Fernseher sah und irgend einen Film lauschte.

Es vergingen ein paar Minuten der Stille, während ich mein Essen kaute und den Blick von Fernseher nicht abwandte. Schließlich stellte ich die leere Schüssel in die Spüle und räusperte mich.
„Du solltest jetzt gehen." sagte ich und Cedric drehte sich vom Fernseher weg, in meine Richtung.
„Kein gemütlicher Filmeabend mit deinem festen Freund?" neckte er und ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Auf Wiedersehen, West." ausladend hielt ich ihn nun die Tür nach draußen auf und wartete, bis er verschwand.
„Bis morgen." grinste Cedric und brachte mich wieder dazu, meine Augen zu verdrehen.
Nachdem ich sichergestellt hatte, dass er weg war, seufzte ich, schaltete den Fernseher aus und legte mich schlafen. Gott sei Dank klingelte mein Handy diese Nacht nicht schon wieder. Denn noch ein drittes Rennen diese Woche, könnte ich nun wirklich nicht fahren.

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Cedric

Der Tag begann heute nicht wie immer. Über eine Stunde früher stand ich heute auf, zog mich an und war schon viel zu früh am Morgen aus dem Appartement verschwunden.

Und um Punkt 6 Uhr klopfte ich an die Tür der Coleman's. Klingeln wollte ich extra nicht, da die anderen vermutlich noch am schlafen waren. Das hatte ich von Blue und Fae schon erzählt bekommen.

„Raff steht immer schon sehr früh auf, Jovie nur kurz vor uns!" hatte Blue mir gestern Abend erzählt. So wie eine Menge weiterer Sachen. Ich fand sie größtenteils auch interessant und so langsam weckte sich in mir das Interesse, mehr über Raphael zu erfahren.
Was war wahr an den Gerüchten, was war falsch? Wie war er als großer Bruder, wie war seine Familie?
Alles fragen, die ich früher oder später schon heraus finden würde.

„Man West, wieso bist du schon so früh hier?" fragte mich Raphael direkt, als ich mit einer großen Papiertüte vor seiner Haustür stand.
„Hab was mitgebracht. Als Abwechslung fürs Frühstück." sagte ich und ging an ihn vorbei.

Mir ist aufgefallen, dass es bei den Coleman's jeden Tag das gleiche gibt. Das war übrigens auch eine Info, die mir Blue geliefert hatte. Jeden Morgen gab es Rührei und Toast. Und für die Schule ein geschmiertes Brot. Langweilig, wenn ihr mich fragt.

„Und was genau?" fragte Raphael und ich war mir sicher, ein Hauch von Neugierde in seiner sonst zu dunklen und kratzigem Stimme zu hören.

Ich betrat die Küche, wo Jovie gerade mit einer Zahnbürste in der Hand stand und sich den Mund abwischte.
„Guten Morgen." begrüßte ich sie freundlich, doch ich bekam nur ein monotones Nicken zurück.
Schließlich stellte ich die Tüte auf den Tisch und begann alles auszuräumen. 

„Okey, heute wird vernünftig gefrühstückt. Frühstück ist eine wichtige Mahlzeit, also lasst die Pfanne heute Eier frei." sagte ich und Jovie, so wie Raphael gesellten sich zu mir und schienen sogar etwas gespannt zu sein.
„Ich hab also was mitgebracht. Da wären Pancakes, frische Brötchen, Croissants, Baguette, Käse, gekochte Eier, Marmelade, ein bisschen Wurst und son Zeug und Orangensaft." während ich das alles aufzählte, räumte ich es alles auf den Tisch. Dieser schien fast schon ein bisschen zu klein für all das Zeug, aber es passte alles drauf.
„Wow." sagte Jovie, als sie das alles sah und gespannt wartete ich auch auf Raphaels Reaktion.
„Wieso machst du das? Das ist nicht Teil des Deals." war der erste Satz von Raphael.

„Ich bin vielleicht reich und arrogant, aber nicht herzlos. Blue hat mir erzählt, dass ihr jeden Morgen das gleiche esst. Erstens ist das ungesund und zweitens dachte ich mir, ich mach euch damit eine kleine Freude." antwortete ich wahrheitsgemäß und kam mir damit irgendwie nicht mehr so vor wie ein Arschloch.

„Dann... dann sollte ich wohl danke sagen." murmelte Raphael und ich wusste genau, das ihn das alles andere als leicht fiel.
Ich wollte etwas erwidern, doch genau in dem Augenblick kamen Fae und Blue die Treppe runter.
„Wow was is denn hier los?" fragte Fae und schien für einen Moment lang, nichts zu suchen.
„Da steht ja so viel essen!" rief Blue und setzte sich schon gleich an den Tisch.
Jovie warf Raphael einen Blick zu.
„So einfach war's noch nie, den Knirps an den Tisch zu bekommen." sagte sie zu ihm und er nickte. Und erneut warf er mir einen Blick zu. Ich versuchte ihn zu deuten. Irgend eine Mischung aus ich hasse dich, danke und ich freue mich, die anderen so glücklich zu sehen. So in etwa. Und irgendwie gefiel mir es.

„Na, dann solltet ihr mal anfangen." schlug ich vor und hastig fing Blue an zu nicken. Doch bevor sich alle hingesetzt hatten, war Raphael in der Küche verschwunden. Leicht verwundert sah ich ihm hinterher. Wollte er von dem Essen nichts? Wenn ja, dann wäre ich aber ziemlich beleidigt. Auch wenn ich es nicht zugeben würde.
Doch Raphael kam wieder. Mit einem fünften Teller in der Hand. Er stellte ihn neben seinen und deutete auf den freien Stuhl.
„Setz dich und iss mit." sagte er und versuchte nicht genervt zu wirken.

Und ohne es zu wollen, ohne es kontrollieren zu können, ging mein Herz ein kleines Stück auf. Sie hatten alle so wenig hab und gut. Und trotzdem wollten sie es teilen.
Und dann passierte etwas, was ich nicht in näherer Zukunft gedacht hatte.
Ich lächelte Raphael an, während ich mich hin setzte und er lächelte zurück. Beides war echt...

„Ihr seid süß zusammen." quiekte Fae aufgeregt
„Klappe." brummte Raphael, doch immer noch mit einem Lächeln im Gesicht.
Raphael's echtes Lächeln Strichliste wuchs auf eins.

Und ich war der Grund dafür.

All that's bright and goneWhere stories live. Discover now