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Cedric

Erst als Raphael außer Sichtweite war, traf mich die Erkenntnis. Er war der Typ gestern auf dem Motorrad. Was ihn um 11 Uhr abends noch nach draußen getrieben hat?

Aber Raphael hatte es schon wieder getan. Die Mittelfinger Strichliste wuchs auf drei.
Irgendetwas sollte ich mir auch überlegen. Etwas, was ich immer machen werde, wenn ich ihn sehe. So wie er es mit dem Mittelfinger macht. Ein Kussmund vielleicht? Nein, viel zu kitschig. Zwinkern? Auch nicht. Aber egal. Ich werde mir schon noch was überlegenen. Doch jetzt hatte ich erst mal Unterricht...

Die Schule zog sich wie Kaugummi, die Lehrer waren nervig und ich hörte keinen von ihnen zu. In den ersten Pausen saß ich noch mit meinen Freunden, in den anderen ging ich dann ein wenig Jovie und Jace auf die Nerven.
„Einen wunderschönen!" trällerte ich, während ich mich mit meinem Tablett essen zu den beiden gesellte.
Jace seufzte nur genervt und wollte aufstehen. Doch Jovie hielt ihn zurück.
„Schon gut." murmelte sie und ich hörte sofort, dass das ihr nicht gefiel.
„Was zum? Jovie! Was meinst du mit schon gut?!" man sah dem rothaarigen an, dass dieser absolut nicht erfreut war, doch das war Jovie auch nicht.

„Cedric ist der Freund von Raff. Also werden wir ihn wohl tolerieren müssen." sagte Jovie knapp als Erklärung und das Gesicht, welches Jace mir bot war beinahe schon göttlich.
„Ist Raff auf dem Kopf gefallen? Wie zur Hölle? Hat das was mit gestern zu tun?" fragte er direkt und Jovie nickte.
„Sie haben einen Deal vereinbart."
Okey stop jetzt muss ich wohl doch ein Tönchen sagen.
„Und dieser Deal besagt auch, dass du darüber die Klappe hältst." kommentierte ich, doch Jovie verdrehte nur die Augen.
„Ganz ruhig, Jace gehört quasi mit zur Familie. Den einzigen den wir von diesem Deal nichts sagen werden, sind Blue und Fae." kurz sah sie mich warnend an, während Jace mit offener Kinnlade daneben stand.
Jovie erklärte ihren besten Freund kurz, worum es bei dem Deal geht. Und damit war für Jovie, so wie für mich das Thema beendet.
„Ich kann's nicht fassen..." murmelte Jace und schien der Rest der Pause irgendwie abwesend.

„Und hey, das wir dich tolerieren, heißt nicht, dass wir dich auch akzeptieren." mit einem warnenden Blick von Jovie, stand sie nach der Pause schließlich auf und verschwand mit Jace im Schlepptau.
Akzeptieren? Das müssen sie nicht. Das muss mich keiner. Ich brauche lediglich Raphael für meinen Plan.

Nach der Schule folgte ich einfach Jovie nach draußen, wo mein Auto schon auf dem Parkplatz stand. Raphael lehnte sich leicht dagegen und hatte eine Zigarette im Mund. Als wir am Wagen ankamen, nahm Jovie ihm die Kippe weg und trat sie aus.
„Hör auf zu rauchen Raff." sagte sie in einem mütterlich strengen Ton und setzte sich auf die Rückbank. Raphael verdrehte nur die Augen, warf mir einen kurzen Blick zu und stieg dann ebenfalls wieder ein.

„Jovie ich setz dich zuhause ab mit den Kids. Muss direkt wieder los." sagte er nach einiger Zeit, nachdem auch Blue und Fae im Wagen waren.
Jovie gab nur ein Nicken von sich und schien ein wenig genervt. Ganz im Gegenteil zu Blue. Der kleine strahlte bis über beide Ohren, als er wieder im Auto saß.
„Bist du eigentlich reich?" fragte er mich und ich musste leicht schmunzeln.
„Kann man so sagen, ja." gab ich als Antwort.
„Wie cool! Hast du auch ein großes Haus?" fragte er direkt weiter.
„Mein Vater hat ein paar. Ich hab nur ein relativ großes Appartement." antwortete ich ebenfalls Wahrheitsgemäß.

„Du wohnst nicht bei mami und papi?" fragte Jovie sarkastisch und ich schüttelte den Kopf.
„Ob du's glaubst oder nicht. Auch ich habe ein paar Probleme mit denen ich zurecht kommen muss. Eins davon ist mein Vater. Deswegen bin ich so früh wie möglich ausgezogen."
Das blieb un-kommentiert.

„Hast du Geschwister? Hast du mehr als ich?" fragte wieder Blue und ich muss sagen, dass er echt ein nettes aber anstrengendes Kerlchen war.
„Ich hab eine große Schwester. Und sonst nur ein paar Cousins und Cousinen."
„Und hast du-..."
„Blue, ich denke das reicht mit den Fragen. Du kannst sie ihn ein anderes Mal stellen." mischte sich nun Fae ein und hielt ihrem kleinen Bruder ihre Hand vor dem Mund. Ein kleines, echtes, Lächeln schlich sich auf meine Lippen, doch war es wieder verschwunden, sobald Raphael mir einen Blick zuwarf.

Schließlich hielt der Wagen wieder vor der Einfahrt und alle stiegen aus.
„Wo musst du hin?" fragte ich, als ich der einzige war der noch im Auto saß.
„Arbeiten. Kennst du glaub ich nicht." antwortete er und rollte mit den Augen.
„Nur weil ich reich bin, heißt das nicht, dass ich nicht weiß was arbeiten ist." kommentierte ich und er seufzte.
„Steig einfach aus. Ich hab es eilig."
Ich nickte, wollte die Tür auf machen, aber hielt in der Hälfte der Bewegung inne.
„Warte kurz." sagte ich und kramte in den Innentaschen meines Jacketts. Ich holte einen kleinen Bündel Scheine raus und übergab sie Raphael.
„Für den Auftritt heute. Achso übrigens: in ein paar Tagen veranstaltet mein Vater ein Familienessen. Da bist du selbstverständlich mit dabei. Ich muss dich ja meiner Familie vorstellen." stellte ich schon mal klar. Nur damit er Bescheid wusste.

Raphael sah auf das Geld runter, welches sich nun in seinen Händen befand. Ich wusste, dass 200 Dollar für ihn sehr viel Geld war. Für mich jedoch, haben 200 Dollar irgendwann an Wert verloren. Außerdem war das doch Teil des Deals. Jeder öffentliche Auftritt.

Ohne noch ein Wort zu sagen stieg ich ebenfalls aus und sah noch einmal zurück in den Wagen. Kurz fanden sich unsere Blicke, dann lächelte ich und zeigte ihn nun auch meinen Mittelfinger. Und ich könnte schwören, dass ich gesehen habe, wie auch er ein kleines Lächeln von sich gab.

Cedric's Mittelfinger Strichliste Nummero 1.

All that's bright and goneWhere stories live. Discover now