93|Waldspaziergänge auf andere Art und Weise

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D E M I R

„Ich habe mich verlaufen, okay, mein Orientierungssinn ist nicht besonders gut und ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich gehe, aber wieso verlaufen Sie sich? Sie sind gekommen, um mich zu retten, oder habe ich es falsch verstanden? Wie können Sie vom Weg abkommen und sich selbst verlaufen, wenn Sie doch der Retter in Not sein sollen! Wer achtet in dieser Position nicht auf seinen Weg?"

Ich wünschte ich hätte keine Ohren.
Oder Frau Acar keine Zunge.
Was auch immer es ist, es soll dieses Gerede endlich beenden.

Die Sonne ist bereits untergangen und wir wandern Hand in Hand durch den dunklen Wald, ohne Anzeichen darauf, dass wir es fast herausgeschafft haben. Wir beide haben zwar unsere Handy bei uns, doch weil wir hier draußen kein Netz haben, nützen uns diese nur als Taschenlampen.
Immerhin ist Frau Acar aufgetaut, im wahrsten Sinne des Wortes.

Frau Acar zieht an meiner Hand in ihrer, dass ich sie kurz ansehe, doch wieder auf den Weg achte.
„Wieso antworten Sie mir jetzt nicht? Ihnen ist klar geworden wie dumm es ist, oder?", sagt sie doch so frech sie ist. Wo ist die Frau, die sich beinahe weinend in meine Arme geschmiegt hat?
„Sie haben sich zuerst verlaufen.", brumme ich.
„Und das bedeutet, dass auch Sie sich verlaufen sollen?"

„Weniger reden, mehr gehen. Konzentrieren Sie sich darauf es hier herauszuschaffen.", verlange ich. Die anderen in der Unterkunft haben hoffentlich einen Suchtrupp nach uns geschickt. Wieso bin ich denn auch alleine losgelaufen? Alles ist Kerems Schuld. Dieser Dreckskerl sitzt gerade wahrscheinlich mit einem heißen Kakao an einem gemütlichen Plätzchen und lacht über gute Witze und freut sich über tolle Gesellschaft.

Es fühlt sich an, als würden wir in einem verrückten Labyrinth stecken und seit Stunden umherwandern, was nicht bloß an den identischen Wegen liegt, sondern auch an dem unaufhörlichen Plappern von Frau Acar.
Wir schaffen es nur einige Schritte, bis sie wieder das Verlangen hat zu reden.

„Ihnen muss kalt sein, Herr Sezin. Sie lassen mich die ganze Zeit Ihre Jacke tragen.", behauptet sie. Mir ist tatsächlich verdammt kalt in dem Pullover und auch die Handschuhe und Mütze, die ich in meiner Jackentasche gefunden habe, helfen nicht länger. Ich spüre meine Brust nicht mehr und bin mir sicher, dass sich langsam aber sicher eine Eisschicht um mein Herz bildet.

Sie lässt meine Hand los, dass ich stehenbleibe und mich darauf vorbereite sie anzumeckern meine Hand in der Dunkelheit nicht loszulassen, doch als ich das Licht des Handys auf sie richte, zieht sie meine Jacke aus.
„Ziehen Sie es wieder an.", befehle ich, doch sie schlüpft kopfschüttelnd aus den Ärmeln.
„Nein, ich bin warm geworden und trage doch auch noch meine eigene Jacke. Ziehen Sie wieder Ihre an."

Es liegt nicht in meiner Kraft sie davon abzuhalten mir die Jacke anzuziehen, als wäre ich ein Kind, zumal ich meine starren Arme kaum heben kann. Sie zieht den Reißverschluss zu und stellt sich auf Zehenspitzen, um meine Kapuze aufzuschlagen und den Kragen zu richten.
„Wenigstens, bis Ihnen wieder warm wird."

Ich könnte ihr jetzt meine Gefühle gestehen. Es wäre ganz einfach. Wir sind alleine und sie lächelt mich so sanft an, als wären wir nicht verloren in einem verschneiten Wald, sondern Zuhause unter warmen Decken und in absoluter Sicherheit.
Mein Blick verfängt sich in ihren Augen, diese meerblauen Augen, die mich hineinsaugen und ertrinken lassen.
Doch ich ertrinke gerne, wenn sie mich nur weiterhin so anschaut.

„Frau Acar, ich muss Ihnen etwas sagen.", beginne ich und räuspere mich. Ihre Hände liegen nach wie vor an meinem Kragen und sie legt den Kopf etwas schräg.
„Ja?"
Jetzt oder nie.

„Ich mag-"
Wer seid ihr?", brüllt eine fremde Stimme und etwas klickt, als würde eine Waffe entsichert werden. Instinktiv schiebe ich Frau Acar hinter mich und drehe mich zu dem Fremden um, der ein verdammt echtes Gewehr auf uns gerichtet hat. Heilige Scheiße.

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