61|Helfen ohne Hilfe zu leisten

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M I R A

Zwei Stunden später nehmen die Bewerbungen noch immer kein Ende.
Es geht immer ein Bewerber rein, bleibt für knapp zehn Minuten, doch nie länger als das, und geht hinaus, dass der nächste hineingeht, doch die Schlange wird trotzdem nicht kürzer, weil ununterbrochen mehr Menschen kommen.
Wie kann es sein, dass es so viele Bewerber für diese Stelle gibt und am Ende ausgerechnet ich von dem netten Herr Sezin eingestellt worden bin, obwohl ich mich ursprünglich nicht einmal dafür beworben hatte? Es sind sicher hundert, die hier sind.
Herr Sezin ist wohl ein beliebter Mann.

Mit Deon neben mir, stehen wir an der Seite und beobachten mit unseren Kaffeetassen in den Händen das Spektakel. Wir nehmen gleichzeitig einen Schluck aus den Tassen.
Eine Bewerberin geht mit heiterem Lächeln durch die Tür und nickt den anderen im Vorbeigehen zu.
Worüber sie wohl mit ihm gesprochen hat? Wahrscheinlich über sich, aber wie hat sie gesprochen? Hat sie ihre Stimme verstellt, kokett gelacht und versucht authentisch zu sein oder sich nach vorne gelehnt, um ihren beeindruckenden Ausschnitt zu betonen?
Die nächste geht hinein und ich schaue auf meine Armbanduhr.

„Wie lange soll das noch so weitergehen?", fragt Deon und spricht mir aus der Seele. Es wird noch die ganze Woche dauern, bis er all diese Bewerber hinter sich gebracht hat, wenn niemand ihm hilft.
„Ich habe eine Idee.", sprudelt es aus mir, während meine Idee noch an Form annimmt.
Deon sieht zu mir und ich lächle immer breiter, als mein Plan entsteht.
„Was denn?" Ich drehe mich zu ihm.

„Als seine Ex-Assistentin sollte ich die Leute genauer unter die Lupe nehmen und schauen, ob sie das Zeug dazu haben, oder etwa nicht? Das würde ihm sicher helfen, wenn ich sie vorsortiere, bevor er sie spricht.", schlage ich vor und er runzelt die Stirn, doch nickt langsam.
„Das würde ihm sicher helfen." Ganz selbstlos und hilfsbereit, so wie ich immer bin.
„Ja. Ich gehe ihm das mal vorschlagen."

Entschlossen von meiner Idee gehe ich auf die Schiebetür zu und klopfe kurz, warte jedoch nicht auf eine Antwort und gehe hinein.
Eine Frau mit schwarzen Locken und stark gebräuntem Teint sitzt auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch und sie und Herr Sezin schauen beide zu mir, als ich mit großen Schritten den Raum durchquere.

„Frau Acar-", beginnt Herr Sezin schon zu schimpfen, doch ich halte eine Hand hoch, dass er zu meiner eigenen Überraschung doch tatsächlich verstummt.

Ich schaue die Frau von oben bis unten an und ich mag nicht, was ich da sehe. Sie trägt hellblaue Hosen, einen dunkelblauen Pullover und schwarze Schuhe mit knallpinken Akzenten, die in meinen Augen schon wehtun, weil sie so fürchterlich sind. Hat sie sich mit geschlossenen Augen angezogen? Keine Macht dieser Welt könnte mich je dazu bringen diese scheußliche Hose auch nur anzufassen. Was dachte sie sich außerdem dabei diese Schuhe zu dem Pullover zu kombinieren?

Sie hat so einen schönen Teint, den sie mit dunkelgrün oder einem starken gelborange betonen könnte!
Goldschmuck wäre fantastisch an ihr und diese langen Beine mit den dicken Oberschenkeln würden perfekt in weiten Hosen kombiniert mit einem kurzen Bra Top aussehen. 
Stattdessen trägt sie... das.

„Was ist derzeit in Mode?", frage ich, dass ihre Brauen überrascht in die Höhe gehen.
„Wie bitte?"
„Ich bin die Ex-Assistentin von Herr Sezin und ich dachte mir, dass ich mal dazu stoße und schaue, ob Sie das Zeug zur Assistentin eines weltbekannten Chefdesigner haben.", erkläre ich mich und lächle sie so gut es geht an. Hilfesuchend sieht sie zu Herr Sezin.
„Frau Acar-", beginnt er wieder, dass ich meine Hand wieder hochhalte und er erneut verstummt. Wahnsinn! Das hätte ich viel früher probieren sollen.

„Also? Ich kann nicht ewig warten. Draußen sind noch zig Leute, mit denen Herr Sezin sprechen muss.", hetze ich sie mit den selben Worten, die ich vor ein paar Stunden noch anhören musste.
„Äh... Gürteltaschen?" Es kommt ihr wie eine Frage über die Lippen und ich verziehe den Mund ein wenig.
„Ja, wenn wir noch im Jahr 2018 leben würden." Enttäuscht schüttle ich den Kopf und werfe Herr Sezin einen bedeutungsschweren Blick zu, den er mit einem Augenrollen kommentiert.

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