12|Ein rund um die Uhr-Job

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M I R A

Mittwoch ist in meinen Augen mein offiziell erster Arbeitstag. Die Tage davor zählen nicht, denn am Montag bin ich so schnell gegangen, wie gekommen und am Dienstag war ich nur den halben Tag da -ohne die Intention auch tatsächlich zu arbeiten.
Doch heute bin ich hier, bereit zu arbeiten und Kontakte zu knüpfen.
Ich habe sogar meine Glücks-Pumps in knalligem pink zu meinem sonst vollständig weißen Outfit, nämlich eine eng geschnittene Anzugshose und ein schulterfreies Crop Top, angezogen.
Meine Haare habe ich zurückgebunden und das Ganze mit einer schicken Handtasche und vielen Ringen an den Fingern abgerundet.

Ich bin schön und fühle mich auch so, also wird das ein guter Tag werden.
Alles andere akzeptiere ich nicht.

„Guten Morgen, Livia!", sage ich fröhlich, als ich an der Anmeldung vorbeigehe und sie schaut lächelnd auf.
„Guten Morgen, Mira. Hübsch siehst du aus!", komplimentiert sie mich und streichelt mein Ego ungemein damit. Ich liebe diesen Tag.
„Danke!"
Kurz werfe ich einen Blick zum gläsernen Aufzug, doch die Lichter sind immer noch aus und das Schild hängt nach wie vor dran. Sollte ich jemanden, der das reparieren könnte, anrufen? Jetzt als Assistentin? Ich verwerfe den Gedanken so schnell, wie er gekommen ist. Quatsch, das fällt nicht in meinen Aufgabenbereich.
Mein einziger Aufgabenbereich ist Demir Sezin.
Wobei ich gerne einen Aufzug hätte, wie ich im dritten Stockwerk feststelle.

Es ist ein schönes Gefühl die Tür zu meinem Büro aufzudrücken und meine Tasche und meinen Mantel abzulegen, in dem Wissen, dass das hier alles mir gehört. Ich könnte das alles auf dem Tisch liegen lassen und niemand würde mir sagen, dass ich es wegräumen soll.

Ich wusste nicht, dass mir ein eigenes Büro in meinem Leben gefehlt hat, um mich vollends glücklich zu machen.

Es ist zwar noch etwas leer, aber es würde sich nicht lohnen hier viel zu dekorieren. Ich habe bloß ein eingerahmtes Foto von Yaz und mir mitgenommen und stelle es an meinem Schreibtisch auf.
Zudem habe ich einen Haufen Stifte und bunter Post-it's, die ich ordentlich an meinen Tisch aufreihe.
Das reicht dann doch auch aus, weil ich sowieso nicht hier bleibe. Auch nicht als Modedesignerin. Dieser Zug ist abgefahren. Ich werde mich nach anderen Unternehmen erkundigen und vorab herausfinden, ob die Gründer mich in einem vorherigen Aufeinandertreffen aufgeregt haben.

Ich setze mich an meinen Tisch und da mein Blick geradeaus durch das Fenster geht, sehe ich Herr Sezin, der auf seinem Stuhl am Schreibtisch, zweimal so lang wie meiner, zu mir gedreht sitzt. Er winkt mich in einer kurzen Handbewegung zu sich und wendet sich seinem Computer zu, während er sich wieder nach vorne dreht. Als wäre es völlig irrsinnig nicht angelaufen zu kommen, wenn er es verlangt.
Wer zur Hölle hat diese Jalousien hochgemacht?
Jetzt kann er mich noch nicht hören, also seufze ich übermäßig laut, bevor ich aufstehe und die wenigen Schritte in das Büro nebenan mache.

Ich ziehe die Tür auf und bevor ich überhaupt stehenbleibe wirft er mir bereits giftige Blicke zu. Gibt es eine Tageszeit, zu der er nicht so griesgrämig ist?

„Wieso klopfen Sie nicht an?"
Verwundert schießen meine Brauen hoch.
„Wieso sollte ich? Sie haben doch damit gerechnet, dass ich kommen werde.", meine ich in einem nicht sonderlich idealen Ton, wenn man bedenkt, dass er mir mein Gehalt gibt.
„Klopfen Sie dennoch immer an, verstanden?", befiehlt er mir und ich schließe die Augen einen Moment länger, um meine Augen verdrehen zu können. Als ich sie öffne zieht er eine Braue hoch.
„Haben Sie gerade die Augen geschlossen, um Ihre Augen zu verdrehen?", fragt er und tippt mit dem Kugelschreiber in seiner Hand auf den Tisch, dass die Miene herauslugt.

„Gibt es einen speziellen Grund, weshalb Sie mich hierhergebeten haben?", wechsle ich das Thema und ignoriere dabei, dass er mich wieder mal für meine Respektlosigkeit tadeln will. Gott sei Dank lässt er es zu.

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