15|eine Erdbeere als Assistentin

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D E M I R

Sie isst schon wieder Erdbeeren.
Gestern hat sie auch ständig immer mehr Erdbeeren aus dieser türkisen Dose hergezaubert, als wäre es eine bodenlose Wundertüte und heute ist es nicht anders. Isst sie nichts anderes? Ist das ärztlich verschrieben?
Diese Frau besteht nur noch aus Erdbeeren.
Der Gedanke bringt mich zum schmunzeln, dass beim nächsten Mal, wenn ich durch das Fenster sehe, eine riesige Erdbeere am Schreibtisch sitzt, statt die Frau mit dem wilden Look, den sie heute präsentiert.
Ich muss gestehen, dass ich ihren Stil und das Selbstbewusstsein, mit dem sie alles trägt, mag. An ihr sieht nicht eine Sache schlecht aus und sie lässt alles aussehen wie maßgeschneidert. Wobei ich es niemals zugeben würde. Eher schneide ich mir die Zunge ab.

Heute hat Frau Acar ihre Haare zu einem zerzausten Pferdeschwanz mit losen Strähnen, die heraushängen, hochgebunden und ihre meerblauen Augen dunkel geschminkt. Als sie hereingekommen ist, trug sie noch eine Lederjacke zu dem rosa Langarmkleid, das bis auf die Taille eng geschnitten ist und ihre Figur von jedem Winkel betont und dann locker bis auf die Mitte ihrer Oberschenkel fällt. Es lässt kaum Platz für Fantasien. Mit bloßem Auge könnte ich sagen welche Größe sie trägt. Wenn sie nicht kleiner wäre, könnte sie sicher mit ihrer Freundin Yaz auf dem Laufsteg laufen.

Ihr draufgängerischer Look zeigt wie es in ihrem Inneren wirklich aussieht und ist jedem ein Warnschild, der noch nicht die Ehre gemacht hat, sich mit ihr angelegt zu haben.

Mit einem Blick auf meine Armbanduhr sehe ich, dass es bereits neun Uhr ist und schnappe mir meinen Kugelschreiber aus dem Stiftehalter, um es gegen das Fenster zu werfen.
Erschrocken springt sie auf ihrem Stuhl auf, als der Stift gegen die Scheibe knallt und gestikuliert wild mit ihrer Hand, was die freche Art ist zu fragen, was ich denn will.
Mal im Ernst, Melisa wird hierfür bezahlen müssen. Ich werde ihre Autoreifen zerschlitzen oder so. Ihre Haare abrasieren, was weiß ich.

Unbeeindruckt von ihrem Verhalten winke ich sie herüber und sie legt die halb aufgegessene Erdbeere zurück in die Dose, nimmt sich das iPad und verlässt ihr Büro.
Es dauert länger als nötig, bis sie an meiner Tür klopft.
„Herein!"
Mit strengem Blick, strikt auf ihr iPad gerichtet, stolziert sie herein. Ihr Outfit wird von Stiefeln abgerundet. Natürlich mit mörderischen Absätzen. Sie trägt nichts anderes hier, dabei habe ich gestern selbst mitbekommen wie sie das Gesicht verzieht, wenn sie die Treppen benutzt.
Meine Mutter hatte immer gesagt:„Wer schön sein will, muss leiden." Ich schätze Frau Acar geht nach dem selben Prinzip.

„Gehen wir Ihren Tagesplan sofort durch oder wollen Sie mir noch etwas sagen?", fragt sie und klickt auf dem iPad herum.
„Wieso kommen Sie nicht eher zu mir, wenn Sie doch wissen, dass wir noch meinen Tagesplan durchgehen müssen?", entgegne ich und ihre Hand ballt sich hinter dem Tablet zur Faust.
„Sie haben gearbeitet. Ich wollte Sie nicht stören."
„Überraschend freundlich von Ihnen."

„Ist es Ihr Hobby?", keift sie plötzlich und sieht vom Tablet zu mir auf. Unschuldig zucke ich mit den Schultern.
„Was genau?"
„So unausstehlich zu sein?" Grinsend lege ich den Kopf schräg.
„Wenn mein Gegenüber weder Talente noch Charakterzüge mitbringt, kann es schon passieren, ja.", kontere ich und ihr Blick wird immer düsterer, fast mörderisch.
Sie werden noch von hier verschwinden, Frau Acar.

Statt sich mit mir zu streiten, wie ich angenommen hätte, senkt sie wieder ihren Blick auf das iPad.
„In einer halben Stunde kommt Frau Nowak zu Ihnen um... irgendwas zu besprechen.", liest sie vor, dass ich verwirrt die Brauen hochziehe.
„Irgendwas?"
„Ich weiß es auch nicht, Herr Sezin. Hier steht bloß, dass sie eine Besprechung haben. Wenn Sie nicht wissen worum es geht, woher soll ich es tun?", macht sie mich an und ich beiße die Zähne zusammen.
„Was halten Sie davon, wenn ich jedes Mal, wenn Sie respektlos werden einen Euro von Ihrem Gehalt entziehe? Ich wette am Ende des Monats ist alles weg, was denken Sie?", überlege ich laut und sie atmet tief durch, um sich zu fassen.
Jeder soll sich seiner Rolle hier bewusst werden und sich dementsprechend verhalten.
Was denkt sie denn, wo wir sind? Das ist nicht ihre Welt, dass sie mit allem durchkommen kann. Ich bin weder ihr Boxsack noch ihr Kumpel, dennoch scheint sie das anzunehmen.

Stillschweigend wischt sie über das Display weiter.
„Vorerst haben Sie bis elf nichts zutun. Um Punkt elf Uhr ist die Telefonkonferenz mit den Vorgesetzten für die monatliche Kontrolle in allen Unternehmen. Und um fünfzehn Uhr kriegen Sie Besuch vom Architektenbüro. Es geht um eine Unterschrift für die Zulassung des Baus neuer Stadthäuser auf abgebrannten Maisfeldern.", fährt sie fort und ich nicke.
Es war in den Nachrichten, als vor drei Monaten zweitausend Quadratmeter Maisfelder abgebrannt sind und wir alles abgekauft haben, um ein neues Straßenviertel daraus zu erschaffen, da die Erde nicht mehr fruchtbar war und nicht genutzt werden konnte.
Ich habe damit aber nicht sonderlich viel zu tun, sondern muss nur das Ja oder Nein geben, bis meine Schwester ihr Studium beendet hat und das Oberhaupt unseres anderen Unternehmens wird.

„Ich habe das für circa eineinhalb Stunde eingeplant, denn danach fahren Sie noch ins Krankenhaus...?", sagt sie und lässt es wie eine Frage im Raum stehen. Flüchtig blickt sie auf, doch ich werde ihr sicher keine Rechenschaft darüber abgeben, weshalb ich einen Krankenbesuch abstatte. Das geht sie nichts an.

„Um halb sieben haben Sie nochmal eine Videokonferenz, aber dieses Mal nur mit dem Vorgesetzten des Sitzes in Kalifornien.", fährt sie schließlich fort, als ich nicht antworte.
„Warum? So etwas war zuvor nicht geplant.", unterbreche ich sie und sie klickt sich weiter durch, während sie mir antwortet.
„Er hat vorhin eine Mail geschrieben und nach einem Termin gebeten. Es geht um einen weiteren Einzelhandel, der eröffnen soll. Stand zumindest so in der Mail."
Das geht doch aber viel mehr Kerem etwas an, statt mich.
„Schieb es zu Deon rüber. Kerem soll sich darum kümmern.", verlange ich und sie klickt sich noch eine Weile weiter durch, bevor sie wieder spricht.

„Okay, dann sollen Sie noch abschließend über die Änderungen der Kollektion schauen, damit diese schon morgen Abend ins Lager geschickt werden und dann nach Italien.", beendet sie das Ganze und schaltet ihr Tablet aus,„Das war's für heute. Sie müssen mir nur noch sagen wann ich das Telefonat mit der Türkei vereinbaren soll. Die wollten übernächste Woche mit Ihnen sprechen, aber da sind Sie auf der Fashion Week."
„Versuchen Sie es in die kommende Woche zu quetschen. Wenn es nicht geht, dann irgendwann im Oktober.", beschließe ich und sie nickt. Wie eine Soldaten steht sie mit geradem Rücken da und hat die Hände mit dem Tablet in der Hand vor ihren Körper gelegt.

„Vergessen Sie auch nicht mir ein Hotelzimmer während der Fashion Week zu buchen. Das gleiche Hotel wie sonst auch, wenn ich nach Italien reise.", erinnere ich sie und ihre Brauen, die einen Ticken dunkler als ihre Haare sind, zieht sie zusammen.
„Und welches Hotel soll das bitte sein?"
„Noch ein Euro weg.", merke ich spitz an und drehe mich auf meinem Stuhl von einer Seite auf die andere,„Wo wurde gesehen, dass eine Angestellte so mit ihrem Vorgesetzten spricht?"
Sie reckt ihr Kinn vor.
„Nur noch zwei Wochen, dann bin ich weg."
„Und während diesen zwei Wochen werden Sie mir gefälligst Respekt zollen, wie es sich gehört.", befehle ich und umfasse mit meiner freien Hand die Stuhllehne,„Sie können auch immer fristlos gekündigt werden, bevor Sie Ihren ersten Monatslohn bekommen."

Fälschlich lächle ich, als sie nicht einmal blinzelt und mich nur anstarrt. Es erfreut mich zu wissen, dass sie all diese Wut zurückstecken muss. Wenn sie denkt hier tun und lassen zu können, was sie will, dann hat sie sich geschnitten.
„Sie können jetzt gehen und Ihre Erdbeeren weiter essen.", scheuche ich sie davon und sie öffnet prompt den Mund, doch schließt ihn langsam wieder und dreht um. Energisch geht sie zur Tür und schiebt sie ein Stück auf, doch dreht sich nochmal um, bevor sie geht.

„Muss ich hier bleiben, wenn Sie ins Krankenhaus fahren?", fragt sie und wirft mit einer lockeren Kopfbewegung ihren Zopf zurück.
„Sind Sie da schon mit Ihrer Arbeit fertig?"
„Nein, aber bis dahin-"
„Dann nicht."
„Ab-"
„Gehen Sie, Frau Acar."

Sie beißt sich auf die Lippe und presst das iPad so fest gegen sich, dass es ihre Brüste hochdrückt und aus dem engen Kleid deutlicher wird. Sie sind rund, wohlgeformt und sicher eine ganze Handvoll. Vielleicht sogar ein wenig mehr.
Sie tut ihrer Oberweite Gerechtigkeit, indem sie es immer wieder betont.

Stopp, was?

Sofort schaue ich weg und sehe auf mein Computerbildschirm. Was soll das? Ihre Brüste sind mir doch egal.
Wieso habe ich nur meinen Blick so schnell abgewendet? Jetzt hat sie sicher gemerkt, dass ich ihr in den Ausschnitt geguckt habe. Das war aber nur ein flüchtiger Blick, weder Absicht noch ist es ein Weltuntergang.




Demir stellt schon kleine Beobachtungen an und schaut an Orte, die Mira nicht sehr froh machen würden.
Was hat es mit dem Krankenhaus auf sich?
Langsam wird's Zeit für die ersten Intrigen.... 🌚

SECRET DESIREWhere stories live. Discover now