67|das Verlangen nach Gesellschaft

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M I R A

Nach meinem Treffen mit Alex verkrieche ich mich für den Rest des Tages in die Wohnung und schaue mir mit einer Schüssel Popcorn auf dem Schoß einen Haufen Trash-TV an, um mich wieder wie ein besserer Mensch zu fühlen, wenn ich all diese Idioten dort draußen sehe.
Doch meine Gedanken kreisen weiter um Alex, egal, wie oft die Frau auch wieder zu ihrem betrügerischen Ehemann zurückgeht. Er lullt sie sofort in süße Versprechen und sie glaubt es ihm immer wieder. Beim vierten Mal kann ich nur noch die Augen über sie verdrehen.

Alex sah so traurig aus, als er gegangen ist. Es bricht mir das Herz zu wissen, dass ich schuld an den hängenden Schultern und dem trüben Blick bin.
Er sah wieder wie der ängstliche Junge aus, den ich um jeden Preis glücklich machen wollte.
Jetzt habe ich das Gegenteil getan.

Aber es wäre noch schlimmer gewesen, wenn ich ihm Hoffnung auf etwas machen würde, das sowieso nicht passieren wird.
Ich kann nicht mehr mit ihm zusammen sein.
Er war mein erster Freund und ich bereue es nicht mit ihm zusammen gewesen zu sein, aber er wird nicht mein letzter sein, das weiß ich ganz sicher.
Ich bin nicht mehr das liebesdurstige Mädchen, das sich in die Arme eines Jungen wirft, weil er ihr ein Zuhause auf Zeit gibt und sie sich wie verzweifelt danach umsieht eines zu finden.

Der Fernseher stockt.
Ich höre auf das Popcorn zu kauen und starre den Mann an, der mitten im Winseln aufgehört hat und dessen Worte sich nun überlappen.
Was zur Hölle? Ich brauche einen Idioten beim Flehen nicht zwei Mal hintereinander sehen!

Ich schaue aus dem Fenster rechts von meinem Platz auf dem Sofa und Regen prasselt gegen die Scheibe, aber das ist noch lange kein Grund dafür, dass mein Fernseher einfriert.
Nicht, wenn ich alleine zuhause bin.
Langsam drehe ich meinen Kopf wieder zum Fernseher und kuschle mich tiefer in die Decke, die ich über mir ausgebreitet habe.
Mein Blick zuckt zum Flur. Meine Wohnung ist nicht groß, aber der Flur ist U-förmig, was bedeutet, dass ich von hier nicht sehen kann, was auf der anderen Seite bei der Haustür passiert.
Und was, wenn jemand versucht einzubrechen?

War da ein Geräusch?

Toll!
Jetzt mache ich mir selbst Angst!

Dort ist nichts und selbst wenn, dann bin ich eine erwachsene Frau, die sich vor nichts fürchtet!
Zögerlich esse ich mein Popcorn weiter und schaue zurück zum Fernseher, doch mein Blick zuckt immer wieder zurück in den dunklen Flur. Vielleicht hätte ich besser das Licht anmachen sollen. Aber die Stromrechnungen sind sowieso schon teurer geworden...

Schritte ertönen.
Oh mein Gott! Jemand ist hier!

Ich setze mich aufrecht hin und greife nach einem Kissen, weil es die einzige greifbare Waffe ist, die ich habe.

Oder es sind die Nachbarn über mir, die durch ihre Wohnung trampeln.

Verdammt, jetzt habe ich Angst.
Wegen mir selbst.

Genervt von mir, greife ich nach meinem Handy auf dem Sofa und wähle Aras' Nummer.
Nach einer geschlagenen Minute voller Piepen geht seine Mailbox ran. Was soll das? Was kann er gerade tun, dass so wichtig ist, dass er nicht an sein Handy geht? Das Café hat er vor zwei Stunden geschlossen und ist nach Hause gegangen, also kann ich auch nicht nach unten gehen und dort meine Zeit vertreiben.
Wo bist du Aras, wenn ich dich einmal brauche?

Ich rufe ihn nochmal an und warte, bis ich auf seine Mailbox sprechen kann.
„Komm sofort zu mir, wenn du das hörst, bevor du meine schöne Leiche in den Nachrichten sehen musst und beschütz mich vor dem Bösen dieser Welt.", verlange ich,„Und wehe du erzählst Yaz etwas hiervon!" Ich lege wieder auf und nage an meiner Unterlippe, während ich darauf warte, dass er seine Mailbox abhört. Was, wenn er es nicht anhört?
Ich schreibe ihm noch eine SMS, doch sie hat nur einen Haken. Mistkerl.

SECRET DESIREWhere stories live. Discover now