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Ben

Song: Follow The Sun - Xavier Rudd

"Und wie läuft es bei dir?", will sie dann wissen.

Ich drücke die Schultern durch und schaue mich einmal in dem kleinen Gastraum um.
Niemand hier interessiert sich für unsere kleine Wiedervereinigung und nachdem ich das sichergestellt habe, fange ich an, zu sprechen.
"Bergauf."

Ich seufze, kann es nicht ändern, dass sich meine Aussage wie eine Frage angehört hat.
"Ich habe letztes Jahr eine Therapie angefangen. Gut, dann habe ich sie wieder abgebrochen und noch mal von vorne angefangen, aber das tut nichts zur Sache."
Ich ernte ein leises Lachen.

"Ich habe eine kleine Wohnung außerhalb der Stadt, nichts Besonderes, aber es ist ja nicht so, als ob ich sonderlich hohe Ansprüche hätte."
"Dann gibt es also immer noch überwiegend Tiefkühlpizza?"
Ich nicke überzeugend.

Ophelia verdreht die Augen, verkneift sich aber den Kommentar, der sichtlich ihr Zunge kitzelt.
"Ich meine, ich bin hier", ich breite die Arme aus, so gut es geht, ohne meinem Nachbarn gegen den Hinterkopf zu hauen, "also muss es bergauf gehen."
Mein Gegenüber nickt, eine Emotion auf ihren Zügen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe, jedenfalls nicht an mich gerichtet.

"Das freut mich."
Sie lehnt sich zurück und sieht mich eine Weile an.
"Sieht so aus, als ob wir uns beide losgesagt haben", stellt sie fest.
"Gott sei Dank", stoße ich aus. "Dieses Haus ist toxisch, jeder, der länger als zehn Minuten darin verbringt, ist verdammt."

"Hast du noch Kontakt mit ihnen?"
Ich liebe es, dass sie unsere Eltern nicht adressiert, sondern es bei einem anonymen, universellen ihnen belässt.
"Nein. Du?"

Sie lässt sich Zeit mit ihrer Antwort, vielleicht aus Angst, ich würde sie eine Verräterin nennen.
"Ich telefoniere ab und an mit Mom und erhalte durch sie ganz liebe Grüße von Dad."
Sie dreht ihre Tasse auf dem kleinen Teller hin und her. Ihre Fingernägel glitzern grünlich- silbern.
Ich gebe ein abwertendes Geräusch von mir.

"Haben sie nicht versucht, Kontakt zu dir aufzunehmen?", fragt sie dann.
"Ja. Einige Mal. Erstaunlicherweise war es Dad, der am hartnäckigsten vorging. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut, wenn es um mich geht. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass ich im Rausch durch die Straßen ziehe und wild um mich uriniere, während ich herumschreie, dass ich von Paul Rosethorn abstamme."

Jetzt verlässt ein echtes, lautes Lachen die Kehle meiner Schwester.
Ich hoffe, dass sie das öfter macht, auch wenn sie jetzt allein ist.
"Ich glaube, es würde nicht schaden, wenn du mal mit Mom reden würdest", merkt sie an. "Du bist ihr Lieblingskind."

"Bin ich nicht!"
"Doch. Und das ist auch okay. Es hat mich eine Weile gekostet, um das zu verstehen und auch zu akzeptieren, aber es ist so. Du musst natürlich nicht, ich möchte dir nicht in dein Privatleben pfuschen, aber sie sorgt sich wirklich um dich. Du bist immerhin ihr Sohn, das muss was Besonderes sein, habe ich mir sagen lassen."

Ich schüttele den Kopf, auch wenn mir bewusst ist, dass sie recht hat.
Merkwürdigerweise weiß ich genau, aus welchem Streit sie das mit dem Privatleben zitiert hat. Und ich fühle mich schuldig.
"Es tut mir leid, Ophelia. Und das wollte ich dir einmal ins Gesicht sagen."

Ich finde den Anschluss an die nächsten Worte nicht gleich, aber sie versteht und lässt mir Zeit, weiterzureden. Ich weiß nicht, bei welchem Indianerstamm sie das gelernt hat, aber ich bin der Person, die ihr das gelehrt hat, unglaublich dankbar.
"Du musst mir nicht vergeben, ich will nur, dass du weißt, dass es mir ehrlich leid tut. Ich bin noch dabei, zu verstehen, was ich alles für Scheiße abgezogen habe, aber... Ach, Scheiße."

Ich fahre über meinen Hinterkopf.
"Tut mir einfach leid."
Ich suche ihren Blick und sie versteht, dass ich sowas wie fertig bin.
"Ich verzeihe dir."

Ihre Worte treffen mich aus heiterem Himmel. Fast hätte ich nachgefragt, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht verhört habe, aber da redet sie schon weiter.
"Weißt du, ich glaube, es war sogar ganz gut, dass du mich bei Dad verraten hast."
Das Wort 'verraten' tut weh, aber ich lasse mir nichts anmerken, nur meine Fingerknöchel leiden unter dem Druck, den ich auf sie ausübe.

"Es war ein Tritt in die richtige Richtung, auch wenn er schmerzhaft war. Aber sonst wäre ich vielleicht nie ausgezogen und hätte Jaces letzte Monate nicht mit ihm verleben können."
Ich greife nach dem Zuckerstreuer zwischen uns.
"Du wusstest also, dass ich dich verraten habe", stelle ich fest.

Sie lacht.
"Natürlich. Wie hätte Dad sonst so detailliert Bescheid wissen können? Ich meine, ich war nicht immer die Vorsicht in Person, aber es war mir von Anfang an klar, dass du ihm alles brühwarm gesteckt hast, nachdem du Jace zum ersten Mal vor unserer Tür gesehen hast."
Sie hat sich verändert. Sie ist erwachsen geworden.

"Ich bin froh, dass du die positiven Absichten hinter meinen Handlungen endlich verstehst", grinse ich und stelle das schmale Glasgefäß zurück an seinen Platz.
Ein weiteres Augenrollen.
"Im Ernst. Ich bin froh. Danke."

Das Lächeln verschwindet von ihrem Gesicht, ihre Augen werden beinahe glasig.
"Ich habe mir immer nur Sorgen um dich gemacht. Ich wollte dich nie bedrängen, aber irgendwann hat es mir gereicht. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, aber irgendwann war das alles einfach zu viel."

"Ich kann es verstehen. Für mich war auch alles zu viel", antworte ich.
Und ich glaube, in diesem Moment, in diesem kleinen Café mit den gelben Untertassen und dem Zimtgeruch in der Luft, stehen wir zum ersten Mal seit Jahren wieder auf derselben Seite. Wir verstehen uns.

Der Fakt, dass wir hier sitzen und uns zuhören, wie normale, kultivierte Menschen, lässt mich Hoffnung schöpfen, Hoffnung, dass beinahe alles möglich ist.
Irgendwie möchte ich nach ihrer Hand greifen und mich an ihr festhalten, aber ich schaffe es nicht, meine Arme zu bewegen.

Genauso sehr möchte ich ihr von Eric erzählen. Aber ich weiß nicht, was ich erzählen soll, wo ich anfangen kann, wo wir angefangen haben. Und ich weiß nicht, wie ich die Geschichte beenden soll, denn noch sind wir zu keinem Ende gekommen.
Ich versuche meine Nervosität herunterzuschlucken und schaue auf Ophelias Hände.

"Arbeitest du?", fragt sie nach einer Erholungspause.
"Ja, an mir. Aber wenn du wissen willst, ob ich mein eigenes Geld verdiene; noch nicht, noch räume ich die Sparkonten leer."
Das verschmitzte Grinsen kann ich mir nicht verkneifen.

Drogen konnte ich mir ohne Limit kaufen, der Geldhahn war immer geöffnet, nur wenn man mit Paul und Georgia Rosethorn bricht, bricht auch alle Unterstützung weg.
"Ich bin aber auch mittlerweile dabei zu lernen, dass es ganz gesund ist, nicht mehr von ihnen abhängig zu sein", schiebe ich hinterher und begegne wieder dem warmen Blick, der noch ungewohnt für mich ist.

Sonst war da immer so viel Wut und Abscheu in ihren Augen.
Sie seufzt.
"Ja, das ist es. Ich hoffe, dass du es packst, Ben, ehrlich."
Ich lächle die Tischplatte an, sprachlos, ohne Worte.

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Hi :)

Kennt ihr solche Tage, wo ihr einfach keinen Bock habt und euch am liebsten einfach hinsetzten/hinlegen und nichts tun wollt? Well, today is that day for me und ich habe bis eben "gearbeitet". Jetzt setze ich mich aber hin xD 

Morgen wird es kein Update geben, muss zum Arzt :/
Aber wir hören uns Donnerstag wieder <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Onde histórias criam vida. Descubra agora