41.

588 52 42
                                    

Eric

Song: ode to a conversation stuck in your throat - Chris Lanzon (Cover)

Irgendwann verschwimmt das Braun von Bens Augen vor mir. Nicht etwa, weil Tränen in mir aufsteigen. Nein, einfach, weil kein Mensch für eine unendlich lange Zeit auf ein und denselben Punkt starren kann.
"Ich will aber nicht reden", sagt Ben leise und ich bin mir sicher, dass er gerade seine Stimme verflucht.

"Du erwartest also von mir, dass ich dich gegen einen Baum fahren lasse und dich dann nie darauf anspreche? Ich bin nicht dein Vater!"
Ben lacht freudlos auf.
Und genau deswegen habe ich mich vor Gesprächen wie diesem immer gedrückt.

Ben soll nicht freundlos lachen. Er soll kichern, weil ich etwas Dummes gesagt habe oder weil ich ihn durchkitzle. Er soll sich nicht an sich selbst festhalten und stur vor sich hinstarren, sondern seine Hände auf mir ablegen und in mein Gesicht blicken.
Aber ich darf kein Feigling sein.

"Wenn du nicht reden willst, rede ich eben", kündige ich an und springe kopfüber ins kalte Wasser.
Eigentlich habe ich, streng genommen, nichts mehr zu verlieren.
"Als ich erfahren habe, dass du im Krankenhaus lagst, habe ich mir Sorgen gemacht - was völlig normal ist -, auch wenn wir uns zu diesem Zeitpunkt seit fast fünf Jahren nicht mehr gesehen haben. Aber als ich dann in diesem verdammten Krankenhauszimmer saß und mir klar wurde, was du getan hast ... es hat mich fast nicht überrascht."

Ich reibe meine Handflächen zusammen und schaue auf den schwarzen Fernseher vor uns.
"Und das ist das Schlimme, das, was mich nachts wach hält. Ich habe schon immer gewusst, dass etwas ... nicht stimmt. Aber ich konnte dir nie wirklich helfen und um ehrlich zu sein, kann ich das auch jetzt noch immer nicht, aber ich habe das Gefühl, wenn ich nicht jetzt den ersten Schritt auf dich zu mache, dann werde ich es nie tun. Ich sehe doch, wie beschissen es dir geht, Benny."

"Nenn mich nicht so!", zischt der Schwarzhaarige neben mir.
"Sehr schön, toll, mach ruhig so weiter. Stoß mich weg, sobald ich dir helfen will, denn bis vor ein paar Tagen durfte ich dich so nennen. Wovor hast du Angst? Dass ich dich in die Klapse bringe?"
Kurz treffen sich unsere Blicke, dann scheinen die Elefanten an der Wand interessanter für Ben zu sein.

Er spricht an sie gewandt: "Was soll es mir oder dir oder irgendjemandem bringen, wenn wir über meine Probleme reden, über die Probleme, für die es keine Lösungen gibt?"
"Wir sollten darüber reden, weil es immer eine Lösung gibt. Und gerade wenn wir darüber reden würden, würde dir das vielleicht auch bewusst werden."

Ich seufze frustriert auf. Dieses Gespräch läuft jetzt schon völlig aus dem Ruder und nicht so, wie ich es wollte.
"Schwachsinn. Alles, was für mich in Aussicht steht, sind noch mehr Schwierigkeiten und Probleme. Menschen, wie du, können das nicht nachvollziehen, das weiß ich, aber mein Schweigen ist auch Selbstschutz."

Die Ruhe in seinem Ton und die Eiseskälte seiner Art machen mir Angst.
"Mit deinem Selbstschutz fügst du dir aber nur noch mehr Schmerzen zu, begreifst du das nicht?"
Ich bin drauf und dran aufzustehen. Wenn sich die Wut in meinen Adern staut, führt das meistens zu nichts Gutem.

"Schön!", ruft Ben aus und reißt die Arme in die Höhe, "Vielleicht stehe ich ja auf Selbstverletzung, vielleicht mag ich den Schmerz, hm? Vielleicht bin ich ja so ein kaputter Soziopath!"
"Hör auf", knurre ich.
Schallendes Gelächter hallt von den weißen Wänden wider.

"Du wolltest du reden! Jetzt willst du so urplötzlich wieder aufhören? Dabei haben wir doch gerade angefangen, Spaß zu haben, oder etwa nicht Eric? Definierst du so etwa kein gutes, spaßiges Gespräch?"
"Das hier sollte nie Spaß machen. Was stimmt nicht mit dir?!"

Ich springe auf, die Hände zu so festen Fäusten geballt, dass ich die Anspannung bis in die Schultergelenke spüre.
"Oh, seht ihn euch an, er ist aufgestanden", raunt Ben und kichert künstlich.
Vielleicht sind wir wirklich nicht dazu gemacht, uns mit Worten auseinanderzusetzen. Vielleicht sind wir lediglich dafür konzipiert, unsere Körper Dinge auszuhandeln zu lassen. Mit ihnen zu diskutieren, nach Pro und Kontra zu suchen und Wut abzubauen, dem anderen zu zeigen, dass er etwas bedeutet.

"Wir haben auch noch nie über unsere Geschichte gesprochen. Vielleicht würde ich das in diesem Leben gerne noch mal machen", werfe ich ihm entgegen, meine Stimme eine Mischung aus hohem Vorwurf und tiefem Drohen.
"Unsere Geschichte! Hör auf so schlau zu reden, denn das bist du nicht! Du hast nämlich von nichts eine Ahnung. Das bildest du dir nur ein, weil du alle Möglichkeiten dieser Welt hast und sie auch nutzt, das macht dich aber noch lange nicht intelligent!"

Und genau deswegen ist es so unglaublich verletzend sich mit einem Menschen zu streiten, der einem viel bedeutet, der einen kennt, zu gut kennt, besser als man sich selbst.
Die Worte aus dem Mund eines solchen Menschen können mehr Schaden anrichten, als ein Tsunami und tiefere Schluchten in dein Inneres reißen, als ein Erdbeben der Stärke zehn.

Er hat recht. Ich bin nicht intelligent. Ich bin nicht gebildet und ich habe auch keinerlei Erfahrungen vorzuweisen.
Ich habe nur Zeugnisse und Zertifikate in polierten Rahmen, die nichts über mich und alles über meine Herkunft aussagen.

Ich kann nicht philosophieren oder weiter als bis nächste Woche denken, weil mein Kopf nicht der eines großen Denkers ist.
Und ich habe auch keine Erfahrungen, weil mir mein Name und mein Vater alle Türen geöffnet haben, von denen ich wollte, dass sie sich für mich öffnen.
Ich bin ein Nichts.

"Können wir aufhören zu streiten?", frage ich geknickt.
Ben erkennt meinen kläglichen Versuch, mein Ego vor weiteren Angriffen zu schützen, aber er nimmt es hin und lehnt sich zurück.
"Warum willst du nie über das reden, was das hier zwischen uns ist?", setze ich erneut an, dieses Mal sanfter.

"Du scheinst es auch nicht betiteln zu wollen, sonst würdest du nicht um gewisse Begriffe herum schippern", stellt er fest und rauft sich die Haare.
Das Sonnenlicht fängt sich in einem seiner silbernen Ringe und blinkt mir für einen Augenblick entgegen, bevor er die Hand kraftlos in seinen Schoß fallen lässt.

"Eine Gegenfrage: Was hätte es gebracht, damals wie heute über das hier zu reden? Immerhin hast du mich allein gelassen."
Seine Augen reiben mir unter die Nase, dass er erfolgreich auf seinen Ausgangspunkt des Selbstschutzes zurückgekommen ist. Ich muss mich ergeben.

Ein Fehler. Ein Fehler, den ich immer wieder bei ihm mache. Denn Ben Rosethorn darf nicht mehr gewinnen oder vielmehr nicht ausschließlich. Er darf sich nicht immer aus allem herauswinden und ohne Konsequenzen davon kommen.
Aber so ist er aufgewachsen, so wurde er erzogen und als er erstmal auf dieses System angesprungen ist, konnte er damit nicht mehr aufhören.

Sind wir so kaputt, weil wir herkommen, wo wir herkommen?
Diese Frage kann er mir nicht beantworten und er bricht unseren Augenkontakt ab.

______________________________

Good afternoon!

AND WE ARE BACK WITH THE DAILY UPDATES!!!!
I hope y'all are fucking excited about that! :) 

Die Sonne ist heute zum ersten Mal (gefühlt) seit WOCHEN wieder rausgekommen :)
Genau wie in diesem Kapitel, auch wenn sich Eric hier mal wieder um Kopf und Kragen bemüht xD
Welchen Tipps würdet ihr Eric für seine Gespräche mit Ben geben?

Gestern ist übrigens ein Amazon-Paket mit falschem Inhalt geliefert worden. Hat einer eine Ahnung, was man da machen kann/sollte?
Wir haben schon etwas bestellt, deswegen wollten wir (noch nicht) unsere richtige Bestellung aufgeben, denn für die haben wir noch keine Lieferungsbestätigung... weird

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now