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Ben

Song: Poltergeists - Sam Fender

Tränen der puren Verzweiflung sammeln sich in meinen Augen.
"Warum bist du nur so ein Versager, Ben?"
Seine Stimme ist ruhig, beinahe resigniert. Noch nicht mal ein Anzeichen der Enttäuschung ist darin zuhören.

Noch nicht einmal dazu bin ich mehr in der Lage.
Am Anfang, am Anfang der Drogen und nachdem meine Mutter mich auf dem Badezimmerboden gefunden hat, war da noch Besorgnis unter der Wut und Abscheu zu finden.
Da stand Enttäuschung über den verlorenen Erben quer über sein Gesicht geschrieben und sie ließ ihn plötzlich alt und faltig aussehen, so wie Erics Dad.

Und die Enttäuschung an ihm hat mir gefallen. Sie hat ihn so verletzlich und schwach aussehen lassen. Mal wieder menschlich.
"Deine Schwester scheint die einzig Vernünftige in diesem Haus zu sein. Du und deine Mutter, ihr ... ihr habt euch gegenseitig zerstört und jetzt wollt ihr uns mit uns in den Abgrund reißen, aber das werde ich nicht zulassen! Du hattest eine gute Zukunft und alles, was du getan hast, ist sie mit Füßen zu treten."

Der Strecker fällt mit einem dumpfen Geräusch zu Boden.
"Du willst unsere Familie absichtlich in ein schlechtes Licht rücken, unseren guten Namen bloß stellen und du hast absolut kein Schamgefühl. Und wenn man dir mal etwas sagen will, dir ein Angebot machen will, dir eine Arbeit geben will, dann fühlt sich der Benedikt auf den Schlips getreten! Du machst mich krank, Junge. Und deine Schwester, sie ist wenigstens-"

"Jetzt hör auf, sie wie eine Heilige zu behandeln!", brülle ich ihm entgegen.
Meine Hände sind als Fäuste an meine Oberschenkel gepresst, ich fühle mein Blut heiß unter der Oberfläche pulsieren.
"Hör einfach auf. Sie ist kein braves Mädchen und sie macht schon lange nicht mehr das, was du willst", schnaube ich und werde Zeuge, wie mein Vater mir plötzlich seine volle Aufmerksamkeit zuwendend.

Ich habe ihn an der Angel, jetzt werde ich ihn nicht wieder loslassen, egal, was es kostet.
Ich denke nicht darüber nach, was meine folgenden Worte für Ophelia bedeuten werden - ich will es nicht. Jetzt muss sie mal den Kopf für mich hinhalten.
"Was weißt du denn schon", will er mich provozieren, aber die Masche kenne ich zu gut.

Ich habe sie von ihm höchstpersönlich gelernt, sie mir in meiner Kindheit abgeschaut, einstudiert und beherrsche sie heute besser als er. Aber ich spiele mit, sonst springt er mir womöglich wieder zurück ins Wasser und zieht die Zimmertür hinter sich zu, ohne dass ich bleibenden Schaden anrichten konnte.

"Sie hat einen Freund und es ist nicht der kleine, blonde Junge, den du für sie ausgesucht hast. Es ist ein abgerissener Typ, mit wahnsinnigen Augen. Und er war hier."
Ich lehne mich siegessicher vor.
Die rote Farbe weicht aus den Wangen meines Vaters.

"Sie hat was?"
"Du hast schon richtig gehört. Deine unschuldige, perfekt Ophelia hat einen Freund. Das ist nicht einfach nur ein Freund, der da bei Jennifer wohnt, das ist ihr Freund. Und glaub jetzt ja nicht, deine Tochter würde eine Kindergartenbeziehung mit ihm führen, die beiden vögeln miteinander. Wer weiß... vielleicht wird sie bald schwanger, und dann?"

Ich lege theatralisch eine Hand auf meine Brust.
"Ich glaube, dann bin ich nicht mehr das größte Problem, das diese Familie verstecken muss", schmolle ich.
"Schluss damit. Du verhältst dich wie ein dummes Kind", mahnt der Mann vor mir.

Ich streiche meine Haare hinter die Ohren, um ihn ganz sehen zu können.
Die Oberhand, die ich soeben über ihn und diese Auseinandersetzung gewonnen habe, lässt mich über seine Beleidigung hinwegsehen, ich spüre sie auch fast gar nicht, nur ein kleines Ziehen in der Brust, nichts, was ich nicht ignorieren kann.

Die Gedanken rasen sichtlich durch Dads Kopf, ich kann ihm buchstäblich dabei zusehen, wie er die Puzzlestücke hinter seinen Augäpfeln zusammensetzt.
"Ich habe mir schon so etwas gedacht", murmelt er, seine Stimme gefasst und kalkulierend. "Und du hast ihn ganz sicher gesehen?"

"Ja, hundertprozentig, da gebe ich dir mein Ehrenwort drauf", nickt ich und halte inne. "Aber nein! Das ist ja gar nichts wert."
Ich schüttle den Kopf und tue ehrlich betroffen, versuche, mein eiskaltes Grinsen so gut es geht zu verbergen.

"Ben, ich möchte, dass du hier und jetzt einmal ehrlich zu mir bist."
Seine blauen Augen bohren sich in meine, mit einer bebenden Hand fährt er sich durch die kurzen Strähnen über seinen Ohren. Seine Körpersprache mag für einen Außenstehenden Ruhe ausstrahlen, dieser Vater ist ganz sicher nicht auf hundertachtzig, weil seine Tochter in der Gegend herumvögelt.
Doch seine Finger geben für mich preis, dass er jeden Moment dazu bereit ist, ein Möbelstück durch die Wand zu befördern.

Manchmal mag ich diese Ähnlichkeit zwischen uns. Sie ist jedenfalls besser, als diese wässerliche Weinerlichkeit, die Ophelia und Mom teilen.
Mein Vater fährt sich über das Kinn, an dem sich ein leichter, grauer Schatten abzeichnet. Er verweilt dort, sieht mich eine Weile gedankenverloren an, blickt sich dann kurz in meinem Zimmer um. Er verzieht noch nicht mal den Mund, als er am Haufen Schmutzwäsche in der Mitte des Teppichs ankommt.

"Ich danke dir, mein Sohn", sagt er mit einem steifen Nicken und wendet sich zum Gehen.
"Gerne, Dad."
Und da ist die Tür auch schon wieder ins Schloss gefallen. Aber ich habe einen Dank erhalten, einen ernst gemeinten.

Das hat sich nicht mehr zugetragen seit ... seit ich denken kann. Wenn diese Tür hinter einem anderen Bewohner dieses Hauses zufällt, dann geschieht es im Streit, mit lauten Worten, die auch noch durch das geschlossene Holz zu mir dringen.
Ich sollte Ophelia für ihre Faulheit danken. Dank ihr habe ich jetzt bei Dad einen Stein im Brett. Vielleicht sollte ich auch Eric für seinen doch nicht so beschissenen Rat danken.

Ich lasse mich auf mein Bett sinken, immer noch benommen vom Glück, dass mich über die Worte meines alten Herren erfüllt.

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Leute, ich liefere ab. Auch wenn es  21.15 Uhr ist und ich echt nicht mehr kann xD
Ihr könnt es euch vielleicht schon denken; dafür wird es morgen kein Update geben.

Warum habe ich heute nicht früher geupdatet? Weil ich einen Lauf in Mathe hatte (und das will was heißen!) und bis 17.30 Uhr gerechnet habe xD

okay, gute Nacht. Ich knuddel euch. Danke für's Lesen.
Kommentiert mal bitte, um wie viel Uhr ihr das hier lest :)

before i forget: 'wässerliche Weinerlichkeit' ist eine Wortschöpfung von mir. Ich wollte sie erst rausnehmen, aber dann....nah i like it... Was sagt ihr?

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now