51.

520 49 72
                                    

Ben

Song: Good Company - Sam Fender

Für den nächsten Morgen habe ich mir extra früh meinen Wecker gestellt. Bereits um zwölf Uhr schäle ich mich aus meinen verschwitzen Laken und gehe mir die Zähne putzen.
Ich glaube, Mirella hat mich für einen Geist gehalten, als ich ihr im Flur begegnete. Sie war gerade dabei, mit größter Leidenschaft das Parkett zu wischen.

Ihr mütterlich rundes Gesicht schaute erstaunt zu mir auf, ihr wäre sogar beinahe das 'Guten Morgen' im Hals stecken geblieben.
Und wofür habe ich all das getan? Um mich in einen der Ledersessel im Wohnzimmer zu setzen und von dort unsere Einfahrt zu beobachten und auf Ophelia zu warten.

Und vielleicht auch, um vor meinem Handy zu flüchten, das angeschaltet eine direkte Verbindung zu Eric herstellen könnte. Etwas, das ich um jeden Preis verhindern will.
Also schlage ich mir den Nachmittag in dem großen, kühlen Raum um die Ohren, während draußen die Sonne den Rasen verbrennt und beobachte, wie die Schatten der Hecken über den Kies wandern.

Ophelia kommt später als sonst. Ich weiß, dass sie gestern Nacht nicht mehr nach Hause gekommen ist. Ich könnte sie erpressen. Sie könnte mir Alkohol und Zigaretten besorgen, auch wenn das nicht nötig wäre, aber der Gedanke, sie zu meinem Laufäffchen zu machen, gefällt mir irgendwie.
Ich könnte sie dazu zwingen mir zu sagen, wer der Typ ist, bei dem sie sich einnistet, aber ein Schritt nach dem anderen.

Erst einmal möchte ich sie über den Verbleib unserer Mutter unterrichten. Sie soll sich auf ihren Geburtstag nächste Woche so sehr freuen, wie ich mich immer auf meine Geburtstage freue - nämlich gar nicht.
Das Klappern von Metall, das auf Glas trifft, lässt mich aus meinen Fantasien aufschrecken.

Sie ist Zuhause. Ich springe auf und humple mit einem eingeschlafenen Für zur Tür, aber nicht ohne mein Mittagessen, das ich auf einem kleinen Teller balanciere. Ich spähe um die Ecke.
Ophelia hat gerade ihre Schlüssel in die dafür vorgesehene Schale auf der Kommode im Eingangsbereich geworfen.

Sie ist so vorhersehbar. Selbst bei solchen Kleinigkeiten hält sie sich immer an die Regeln. Sie würde nie ihre Schlüssel verlegen und das macht mich wütend.
Ich trete aus dem Wohnzimmer und strecke die Brust heraus. Sie bemerkt mich nicht, bis ich die Stimme erhebe.

"Sieh mal einer an, wer wieder Zuhause ist und uns mit ihrer Anwesenheit beehrt."
Ihre Schultern sacken zusammen, als sie mich hört. Dann dreht sie sich um und mustert abfällig mein Erscheinungsbild. Vielleicht habe ich, gerade weil sie und ihre Reaktionen auf gewisse Dinge so vorhersehbar sind, meine Boxershorts vom Schlafen angelassen.

Ihre braunen Augen, die heute mit erstaunlich wenig Make-up versehen sind, bleiben am Teller in meiner Hand hängen.
"Dein Mittagessen? Oder doch eher dein Frühstück?"
Ich blicke auf mein Käse-Ketchup-Sandwich herunter und lache auf.

"Netter Versuch. Ausnahmsweise geht es mal nur um dich, Ophelia."
Ich klimpere mit den Augen und versuche ihr, ihr lächerliches Verhalten nahezubringen.
Dennoch entgeht mir nicht, dass sie erstaunlich müde aussieht. Und ihre Bluse ist voller Falten. Sie muss praktisch in der Weltgeschichte herumvögeln.

Sie überrascht mich, in dem sie sich wortlos umdreht und mich stehen lässt.
Kein abfälliger Kommentar, kein Angriff, keine Verteidigung, keine Belehrung. Sie geht einfach!
Am liebsten würde ich ihr mein Sandwich mit der Ketchup-Seite an den Kopf werfen.
"Interessiert es dich denn gar nicht, was gestern nach deinem glamourösen Abgang alles noch so passiert ist? Was Mom von sich gegeben hat?", platze ich heraus.

Ursprünglich wollte ich mich erst noch ein bisschen mit ihr streiten, sie vielleicht zum Weinen oder wenigstens zu einem kleinen Wutanfall bringen, bevor ich die Bombe platzen lasse.
Wenigstens bleibt sie jetzt stehen und dreht sich wieder zu mir um. Es ist verrückt, wenn ich mir versuche darüber klar zu werden, dass wir uns früher einmal gut verstanden haben.

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now