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Eric

Song: Hold Back The River - James Bay

Bens Augen brennen auf meinem Rücken, als wir schweigend die Treppen zu meiner Wohnung hochgehen. Die peinliche Stille im Fahrstuhl hätte mir jetzt den Rest gegeben.
Wenn er mich mit seinen ausdruckslosen Augen auch nur eine Sekunde lang im verspiegelten Glaskasten angeblickt hätte, wären all meine Pläne für den heutigen Tag über Bord gegangen.

Und selbst jetzt muss ich gegen meine altbekannten und bewerten Muster ankämpfen, um nicht den Kopf in den Sand zu stecken und einen Rückzieher zu machen.
Ich schließe die Tür auf und lasse Ben den Vortritt. Der süßlich-herbe Geruch seines Parfums, den er hinter sich herzieht, verschlägt mir fast den Atem - auf eine gute Art und Weise.

"Ich hätte es mir größer vorgestellt", sagt er und dreht sich einmal um die eigene Achse.
Ich mustere den Raum vor uns und versuche ihn durch Bens Augen zu sehen. An der Wand neben dem Fenster, das zur Straße zeigt, steht eine Ledercouch. Gegenüber davon eine kleine Kommode mit Fernseher. Dazwischen ein Couchtisch.
Direkt neben uns befindet sich die offene Küche, die wirklich klein geraten ist, aber ich nutze sie sowieso kaum.

Neben dem Fernsehgerät steht das weiße Regal, das der Vermieter mit Büchern und Vasen dekoriert hat und das ich seit meinem Einzug nicht angerührt habe. Auch die Drucke in den Bilderrahmen in Küche und Wohnbereich habe ich nicht ausgetauscht.
Ich habe keinerlei Beziehung zu Afrika und empfinde nichts bei weiten Blicken über Wälder, dennoch hängen ein schwarz-weiß Foto von einer Elefantenherde und eine Luftaufnahme eines Regenwaldes an meinen Wänden.

Ben blickt auf die verschlossene Tür rechts im Raum, neben dem deckenhohen Regal. Manchmal frage ich mich, ob er all das zwischen uns verdrängt oder gar vergessen hat und mich tatsächlich abschütteln oder nur zum Sex will.
Aus diesem Grund habe ich meine Schlafzimmertür auch verschlossen.

"Mehr Platz brauche ich nicht", erwidere ich und streife meine Schuhe ab.
"Willst du was trinken?"
Ich kratze mich am Hinterkopf und warte auf eine Antwort. Ich bin schlecht in sowas. Ich kann ihn nicht einfach geradeheraus danach fragen, wie es ihm geht.

Ich habe mich all die Jahre unserer Freundschaft und dem undefinierten Ende davon, nie getraut ihn offen darauf anzusprechen, weil ich Angst vor seiner Antwort hatte.
Jeder, der sich die Mühe macht, auch nur ein bisschen genauer hinzuschauen, findet in Ben einen zurückgezogenen, traurigen Jungen, der sich selbst nichts und der Welt alles Schlechte zutraut.

Und in mir kann man nur den feigen, unfähigen Freund finden, der keine Hilfe, keine Stütze ist und seinen Freund vor die Wand laufen lässt, ohne ihn vorher abzufangen.
"Störe ich dich gerade irgendwie?"
Bens Stimme holt mich zurück ins Hier und Jetzt, indem ich mich nicht mehr wegducken darf, sonst würde ich ihn vielleicht für immer verlieren.

"Nein, überhaupt nicht", wehre ich ab und laufe einfach in die Küche, um nicht mitten im Raum zu stehen, wie der letzte Volltrottel.
Mein Vater hat mir nie Empathie beigebracht, Gefühle waren für ihn Schwäche und der Grund, warum ich meine Mutter nie kennengelernt habe.

"Na dann", seufzt Ben und ich höre, wie er sich auf die Couch fallen lässt und es sich unaufgefordert gemütlich macht.
"Also willst du jetzt was trinken?"
Ich strecke den Kopf über die kleine Kücheninsel, die Wohnzimmer von Essenszubereitung trennt.

"Was Hochprozentiges, wenn du hast."
Ich schüttele den Kopf, aber so, dass Ben es nicht sieht.
Als ich aus der Küche komme, stelle ich ein Glas Wasser vor ihn. Er blickt mich ungläubig und gleichzeitig abschätzig an, leert aber das halbe Glas in einem Zug.

Ich hülle mich in Schweigen und beobachte ihn. Warum kann ich meine Zunge plötzlich kaum noch bewegen?
"Du guckst mich so an, als ob du mir gleich sagen würdest, irgendjemand hat sich von einer Brücke geschmissen", lacht Ben leise auf, das Wasserglas immer noch in seiner Hand.

"Ich gucke dich so an, weil ich dich fragen will, wie es dir geht, wirklich geht."
Ich sehe, wie Bens Mauern hochgehen und er die Rollläden herunterlässt. Er schlägt den Blick nieder.
"Wenn du mir nicht mal das beantworten kannst, wie sollen wir dann je darüber reden, was das zwischen uns war und ist?"

Ich lege den Kopf schief und versuche hinter den schwarzen Vorhang langer Haare zu blicken.
"Kann ich eine rauchen gehen?"
"Nein!"
Ich zucke selbst bei der Lautstärke meiner Stimme zusammen.

"Wenn du dich jetzt gehst, wirst du heute nicht mehr zurückkommen, jedenfalls nicht hier oben."
Ich tippe an seine Schläfe und er schreckt bei der Berührung meiner kalten Fingerspitze zurück.
"Ich würde es bevorzugen, wenn wir etwas anderes machen oder ich bin weg, ernsthaft. Ich hab keinen Bock auf die Scheiße."

Da ist etwas unglaublich Hartes in seiner Stimme, das mich die Augen schließen lässt. An genau diesen Punkt sind wir schon des Öfteren gekommen und jedes Mal bin ich zurückgerudert, weil ich mich nicht in der Position gesehen habe, auf Ben einzureden oder ihn zu ehrlichen Antworten zu zwingen. Denn das habe ich verstanden; wenn man versucht diesen Jungen zu irgendetwas zu zwingen erreicht man das Gegenteil.

Ich rutsche ein Stück von ihm ab und mustere ihn. Worte kann ich in meinem Kopf nicht sammeln, da mir jegliche Konzentration dazu fehlt.
"Du musst aber. Dieses Mal musst du, Ben. Einfach um zu verstehen, dass es mir ernst ist."
Anscheinend scheint ja sonst niemand mit dir zu reden, denke ich, konzentriere mich darauf, ihm diese Botschaft mit den Augen zu vermitteln.

Die Sonne fällt blendend auf den niedrigen Tisch vor uns. Ich kann ausmachen, wie Ben seine Augen zusammenkneift, das Sonnenlicht wahrscheinlich als Feind betrachtet, dabei hält es ihn am Leben.
"Ich muss einfach mit dir reden, Ben. Und zwar mit Worten und nicht mit meinem Körper."
Er blickt auf und befreit die linke Hälfte seines Gesichts von Haaren.
Und dann sieht er mich einfach nur an, für eine Unendlichkeit.

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Naaa, habt ihr die Ironie gecheckt? Die Sonne, als Feind, obwohl sie Ben doch am Leben hält... Dabei sieht er sie doch vielleicht deshalb als Feind an, weil er gar nicht mehr Leben will... badabum.

Und damit Happy Monday to y'all!
Es ist wirklich ein Happy Monday, weil ich keine Schule habe & heute morgen mit Erstaunen festgestellte, dass es geschneit hat! Bei noch irgendwem?

Ich hoffe, ihr habt den Sturm soweit gut überstanden. Wir müssen nachher noch mal gucken, ob alle Ziegel noch fest an den Giebel sitzen xD

okay, bis Mittwoch <3

All my Love,
Lisa xoxo

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now