32.

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Ben

Song: 1 step forward, 3 steps back - olivia rodrigo (auch wenns 1:1 von Taylor (new year's day) geklaut ist....)

"Willst du noch Bacon?"
Ich blicke durch meinen schwarzen Vorhang auf. Erst gestern habe ich mir die Haare gefärbt und die hellen Ansätze mit dunkler Farbe erstickt. Meine Kopfhaut brennt noch immer.
Ich schüttele den Kopf.

Mirella räumt mit einer schwungvollen Bewegung die Teller vor mir ab und stapelt sie in der Spüle, bevor sie den Wasserhahn aufdreht. Das Wasser rauscht auf meine Essensreste nieder und füllt die Stille zwischen uns.
Die rundliche, kleine Frau war schon immer die eine Person, die mich zwischen diesen weißen Wänden halbwegs verstanden hat.

Aber über die Jahre hat selbst sie die Nerven mit mir verloren. Und einen Großteil ihres Verständnisses mir gegenüber.
Meine Stimmungsschwankungen, die Abwesenheit in meinen Augen, wenn sie mit mir reden und scherzen wollte wie früher, hat sie ernüchtert.

Und irgendwann hat sie mich einfach nur noch nach meinem Frühstückswunsch gefragt und mir mein Essen mit einem kleinen Zettel mit Anweisungen für die Zubereitung in den Kühlschrank gestellt, wenn ich mal wieder nicht vor drei Uhr nachmittags aus dem Bett kam. Und wenn sie nur darauf schreibt: Einfach in die Mikrowelle stellen. 3 Minuten. Es ist die einzige friedliche Kommunikation, die ich noch habe. Manchmal malt sie einen Smiley unter ihre gekrickelte Schrift.

Das Rauschen des Wassers hört abrupt auf und Mirella greift nach den gelben Handschuhen, die neben der Spüle liegen, bevor sie mit leisem Summen beginnt, die Teller abzuschrubben.
Manchmal möchte ich sie gerne fragen, wie ihr Tag so war. Was sie von meinem Vater hält oder zu wem sie nach Hause geht, ob da jemand auf sie wartet.

Ich kenne diese Frau mein ganzes Leben lang, ohne etwas über sie zu wissen. Und sie kennt mich besser, als jeder meiner sogenannten Freunde.
"Ben, reichst du mir mal das Handtuch?"
Ihre warmen, dunklen Augen sind unverwandt auf mich gerichtet. Die Arme hält sie angewinkelt in die Höhe, damit das Abwaschwasser nicht auf den Boden tropft.

Ich erhebe mich mit einem tiefen Seufzen. Eine Angewohnheit, mit der ich sie nicht verletzen will oder ihr vermitteln möchte, dass ich genervt von ihrer Anweisung bin oder mich gestört fühle.
Ich hasse mich mit verstärkter Intensität, sobald das Geräusch meine Kehle verlassen hat.
Ich ziehe das blaue Küchentuch von der Steinplatte und reiche es ihr.

Ihr Lächeln erreicht ihre Augen nicht.
"Ich gehe wieder in mein Zimmer", lasse ich sie wissen.
Ich habe das Gefühl, dass jede weitere Minute meiner Anwesenheit ihre Laune weiter verschlechtern wird.

Was soll man auch empfinden, wenn man sich mit dem reichen, verzogenen Sohn eines Tyrannen im selben Raum befinden muss und dieser sich nicht mal die Mühe gibt, seine gute Erziehung an den Tag zu legen.
Jeder, der mich in Augenschein nimmt, sieht einen verkorksten, seltsamen Jungen, der viel zu weich für sein Alter aussieht.

Mit hängenden Schultern und einem dumpfen Gefühl in der Brust, das mich beinahe zum Würgen bringt, durchquere ich die Eingangshalle. Am liebsten würde ich mich hier auf der Stelle zu einem Knäuel aus Armen und Beinen zusammenrollen und liegen bleiben, bis es vorbei ist. Alles.
In der letzten Zeit kann ich kaum noch die Kraft aufbringen, gegen diese weinerlichen, erbärmlich schwachen Gefühle anzusteuern.

Ich kann die Wut, an der ich mich sonst festklammern konnte, die mich durch die dunkelsten Tage leitete, nicht mehr aufbringen.
Da ist dieser dumpfe Schmerz und er lässt es nicht zu, dass Rage in meinem Blut zum Kochen kommt.
In Zeitlupe schleiche ich die Marmortreppe nach oben, spüre den kalten Stein durch die Löcher in meinen Socken.

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now