15.

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Ben

"Hey, läuft heute Abend was?", frage ich in den Hörer meines Telefons.
"Wenn Benedikt Rosethorn was starten will, natürlich! Immer!"
Ich presse das warme Metall an meinen Wangenknochen.
"Nenn mich nicht so."
Und als ich nichts, als ein Schnauben höre, frage ich: "Okay, holst du mich ab?"

"Wie immer?"
"Wie immer."
"Ich werde da sein, mein Bester."
Wir legen gleichzeitig auf und ich strecke mich auf meiner Decke aus. Einzelne Muskeln in meinem Rücken scheinen in Flammen zu stehen.

Dad und Ophelia sind zu der Betrunkenen gefahren. Mich hat natürlich niemand angesprochen.
Gut so. Ich wäre sowieso nicht mitgekommen.
Ich habe die freien Stunden genutzt, um meine Anlage noch ein bisschen lauter als gewöhnlich auszudrehen und meinen Frust herauszulassen.

So gut das eben geht - mit dem verdammten gebrochenen Arm kann ich nicht mal Gitarre spielen.
Ich muss Druck ablassen, mich ablenken und den heutigen Tag hinter mir lassen, einfach vergessen, dass es eine weitere Episode zu diesem Elend gibt, das sich mein Leben nennt.
Ich will mich betäuben und dafür habe ich die Person angerufen, mit der man genau das am besten machen kann.

Doch bevor ich das Innere irgendeines Clubs betrete, muss ich mich waschen.
Wie immer, wenn ich ein Ziel vor Augen habe, für das es sich lohnt aufzustehen, komme ich viel schneller aus dem Bett und laufe mit frischen Klamotten unter dem Arm über den Flur.
Den aufgeschnittenen Fuß habe ich mir, so gut es ging, verbunden. Die Blutung ist gestoppt und gegen die Schmerzen bin ich mittlerweile immun.

Als die ersten Tropfen kaltes Wassers meine Haut treffen, atme ich auf.
Heute Nacht werde ich mich einfach gehen lassen, ich werde alles vergessen. Das Bild meiner Mutter in der Weinlache, die bösen Augen meines Vaters und Ophelias Widerstand gegenüber allem, was ich sagte.
Ich halte meinen Kopf unter den nun lauwarmen Wasserstrahl.

Mein gebrochener Arm steckt in einer albernen Plastiktüte. Ihr Rascheln stört das beruhigende Rauschen des Wassers.
Ich öffne meinen Mund und nehme etwas von der klaren Flüssigkeit auf, ohne sie zu schlucken.
Für ein paar Sekunden erlaube ich mir zu fühlen und in der Zeit zurückzuspulen.

Mein Mund schmeckt nach Sommer, Kindheit und Wasserspielen im Garten.
Da ist ein warmes Gefühl in meiner Brust. Eine Erinnerung an helles Licht, das durch die Baumkronen scheint, auf mich und meinen besten Freund, auf den Jungen, in den ich verliebt war. Wir spritzten uns mit Wasserpistolen nass und ich versuchte seine Angriffe mit meinem Mund abzufangen. Ich schluckte das Wasser nie herunter.

Ich öffne die Lippen, den Kopf immer noch vorgebeugt, und lasse das Wasser herauslaufen.
Ich will mich nicht an Sommer und Wasserpistolen erinnern. Ich bin unter die Dusche gekommen, um mir meine Haare zu waschen und das gestaltet sich schwieriger als gedacht, wenn man nur eine Hand frei hat.
Aber ich schaffe es und steige nach einigen Minuten zitternd aus der beschlagenen Dusche.

Die frische Luft im Badezimmer bringt die Haare an meinem Körper dazu, sich aufzurichten.
Ich greife nach einem Handtuch und versuche mich gegen die Kälte zu schützen.
Ich werfe mein Haar zurück und betrachte mich im Spiegel. Ich habe mein Gesicht mit nassen Haaren schon immer gemocht. Es verleiht mir etwas Wildes, Böses.

Ich fahre mit den Fingern durch die tropfenden Strähnen und spanne meine Oberarme an.
Muskeln treten unter der blassen Haut hervor, aber sie sind nicht so groß, wie ich sie haben will.
Unten schlägt die Haustür zu. War es mein Vater oder Ophelia?
Es ist mir egal. Wenn mich einer vermissen sollte, würde es keine Konsequenzen haben. Wahrscheinlich wären sie sogar erleichtert, mein Zimmer endlich leer vorzufinden.

almost Love [boyxboy]✔Where stories live. Discover now