11. September 2011

42 9 0
                                    

Tsukishima POV

Heute vor genau 10 Jahren, starben 2753 Menschen bei einem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York. Sicherlich ist dies alles andere als ein angenehmer Tag, um zu einem Arzt zu gehen.

Um 8:45 Uhr schlug dabei der American Airlines Flug 11 in den Nordturm ein, um 9:02 Uhr schlug der United Airlines Flug 175 in den Südturm ein. Dabei kam es zu großen Bränden in beiden Türmen, um 9:59 Uhr kollabierte der Südturm und um 10:28 Uhr der Nordturm.

„Tsukishima, Kei Sie können nun zu dem Arzt", sagt die blonde Arzthelferin zu mir, welcher ich freundlich zunicke. Meine Mutter weiß nichts davon, dass ich heute hier bin. Ich wollte es nicht. Natürlich bin ich minderjährig, aber ich habe es irgendwie geschafft, sie davon abzuhalten. Bevor ich das Wartezimmer verlasse, schaue ich noch einmal auf meine Armband Uhr: 9:58 Uhr, ob das ein gutes Zeichen ist?

Der Arzt sitzt hinter seinem Monitor und schaut zu mir rauf, nachdem ich die Tür hinter mir zuziehe. Eine Weile ist es still im Raum, ich höre ihn lautstark seufzen.

„Kei", kommt es dann von ihm und ich habe das Gefühl, dass dieses Gespräch mir nicht gefallen wird „die Sache ist die", beginnt er „wir haben auffällige Blutkörperchen bei dir gefunden und deine Werte gefallen mir keineswegs. So wie es ausschaut", die Uhr zeigt 9.59 Uhr „ist der Krebs zurückgekommen."

Die Zeit bleibt stehen in diesem Moment und ich merke sofort, wie es mir die Luft zum Atmen nimmt. Meine Kehle schnürt sich zusammen und ein Kloß bildet sich, nur schwer kann ich das Bedürfnis unterdrücken mich zu übergeben. Dieses Gefühl wünsche ich niemanden, denn ich komme mir verarscht und verraten vor, wieso?

„Also muss ich wieder eine Chemotherapie machen?", frage ich den Arzt, doch sehe ich wie blass dieser geworden ist „Oder wie schlimm steht es dieses Mal um mich? Ich bin doch geheilt gewesen?"

„Kei", wieder sagt er meinen Namen „ich denke, ich sollte mit deinen Eltern reden. Wo sind sie denn?"

„Meine Mutter weiß nicht, dass ich hier bin. Auch dass mir eine Probe entnommen wurde, habe ich ihr nicht gesagt", gebe ich zu und schaue auf meine Hände, welche angefangen zu zittern.

„Du bist allein hier?", schaut er mich mitfühlend an. Ohne ihn zusehen, nicke ich nur.

„Wie lange?", frage ich dieses Mal und wage es kaum ihm in die Augen zu sehen.

„Vielleicht ein halbes Jahr, oder ein Jahr. Ich befürchte, dass eine Chemotherapie nicht infrage kommt. Eventuell könnten wir es versuchen mit einer Stammzellenspendung, jedoch...", er scheint in seinen Computer vertieft zu sein „ich habe im Moment keine passende für dich."

Das Gefühl etwas verpasst zu haben, macht sich in mir breit. Ich bin 16 Jahre alt, hatte noch nicht mal eine Freundin und werde auch niemals eine haben. Mit 16 Jahre bin ich dem Tode geweiht.

Wieso?

Auf meinem Konto ist kein Geld, sondern meine Lebenszeit und diese wird mit jeder Sekunde weniger. Ich gebe mehr aus, als ich besitze. Doch auch, wenn ich sie aufsparen würde, wäre es das gleiche Prinzip. Es würde nichts dazu kommen. Meine Lebenszeit verliert an Wert, deshalb sollte ich nun das Beste daraus machen.

„Noch scheint es dir gutzugehen, aber du solltest ein wenig mehr auf dich Acht geben. Ich schreibe dir ein Rezept auf für Tablette. Bitte nimm diese 3x täglich ein und immer zu geregelten Uhrzeiten. Ich werde deine Eltern darüber informieren müssen."

„Können Sie damit noch ein wenig warten?", bitte ich den Arzt. Auch wenn ich nicht genau weiß, worauf er warten soll, denn jede Sekunde, die ich hier länger sitze, bringt mich dem Tod ein Stückchen näher.

Ich will nicht sterben, nicht heute, nicht morgen und am liebsten will ich 130 Jahre alt werden, aber ich habe keine Wahl. Okay, 130 Jahre ist übertrieben, aber ich habe von Akaashi gehört, dass Bokuto so was gesagt hat.

Das Leben ist nicht fair.

Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Ich sehe mein Leben, wie den Sand in einer Sanduhr herunterrieseln und hoffe, dass er dabei niemals den Boden von dieser gereichen wird, aber... ich werde es nicht verhindern können. Vielleicht erlebe ich noch meinen 17 Geburtstags.

Was ein schwacher Trost, denn es wird so vieles geben, was ich nicht mehr erleben kann. Ich werde niemals meinen Abschluss machen können, werde nie an eine Universität gehen können und auch werde ich es wohl nicht mehr erleben, dass ich mit einem Mädchen auf ein Date gehen kann.

Wozu mache ich das Ganze hier dann noch? Um letztens Endes doch zu sterben, ich bemühe mich darum gute Noten zu schreiben. Ich bin mir unsicher, wie lange mein Körper, das aushalten wird und ob ich nicht daran noch verrückt werde. Solle ich diese Krankheit akzeptieren, sollte ich lernen damit zu leben? Habe ich die Kraft dazu normal weiterzuleben, so zu tun als gäbe es sie nicht?

Ich habe eine Heidenangst vor dem Tod, denn mir kann niemand sagen, was mich danach erwarten wird. Das Nirwana? Das Nichts? Ein Leben nach dem Tod? Oder wird dort einfach nur Dunkelheit sein?

„Du solltest nicht versuchen, damit allein klarzukommen, Kei. Das wird dich zerstören", meint er dann, doch er nickt „ich werde dir 14 Tage geben, danach muss ich mit deinen Eltern reden. Und das mache ich auch nur, weil ich das Gefühl habe, dass es dort etwas gibt, was du unbedingt erledigen möchtest."

„Ja", entgegne ich dem Arzt „ich will ein letztes Mal mit meinen Freunden Spaß haben."

Bokuto, sein Geburtstag wird wahrscheinlich die zweite und letzte Party in meinem Leben werden.

Sterben ist Erwachen!

Tolstoi

Der Mond, die Offenbarung & das SterbenWhere stories live. Discover now