2002

138 12 0
                                    

2002

Wie es sich wohl anfühlte, wenn du keine Zeit mehr haben würdest, um dich zu mit deinen Freunden zu treffen? Was würde wohl passieren, wenn du deine Augen ein letztes Mal öffnen würdest, nur um diese danach für immer zu schließen?

Unter den Begriff Leukämie versteht man eine Krebserkrankung, welche dafür sorgt, dass man eine erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen im Blut aufweist. Es bedeutet übersetzt weißes Blut.

Bei der Diagnose kann die Anzahl dieser noch normal oder niedrig sein, doch kann dies auch das komplette Gegenteil sein. Diese Zellen haben die Eigenschaft sich rasend schnell vermehren zu können, womit sie die gesunden Blutkörperchen verbannen, man spricht hierbei auch von einer bösartigen Systemerkrankung.

Das alles wusste Tsukishima Kei noch nicht, was aber völlig normal war, denn welcher 6 Jahre alte Junge hat schon eine Ahnung davon, dass er sterbenskrank war, dass es für ihn eventuell kein morgen mehr geben würde. Doch selbst wenn man älter war, wusste man dann genau was es bedeutet? Und bist du dann auf diesen Tag vorbereitet? Hast du dann das Gefühl, du hättest dein Leben gelebt? Hättest du alles gesehen und erlebt, was du wolltest?

Ein Urlaub am Strand. Immerhin wolltest du da doch mal hin und hast du auch der Person deines Lebens deine Liebe gestanden? Bist du in diesem Moment glücklich?

Wir sind alle nicht vorbereitet darauf, wenn wir sterben, denn wenn wir sterben müssen, dann werden wir uns in den seltensten Fällen darauf vorbereiten können.

Und eventuell ist das auch gut so.

Der kleine blonde Junge kam heute wieder einmal eher aus der Schule, die Lehrer schimpfen schon, weil sie dachten, dass er einfach nur keine Lust auf Schule hatte, dabei ging Kei immer sehr gerne zur Schule. Auch sein Kinderarzt fand nur eine Erklärung für das Verhalten des Kindes: Seine Müdigkeit sei psychosomatisch.

Aber seine Mutter wusste es besser, weil sie eben ihren Sohn am besten kannte. Und sie geht mit ihrem Sohn zu dem Hausarzt der Familie Tsukishima. Der Mann erkannte damals sofort, dass etwas mit dem Jungen nicht stimmte. Dann ging alles zügig: Krankenhaus, Blutabnahme, Entnahme von Knochenmark aus dessen Beckenknochen. Die Ergebnisse damals waren eindeutig gewesen: Leukämie, Blutkrebs.

Er kam damals in eine Spezialklinik in Tokyo. Die Familie zog damals nach Tokyo, damit Kei regelmäßig ins Krankenhaus gehen konnte und gleichzeitig auch so etwas wie Normalität bekäme.

An die Zeit früher erinnert sich der mittlerweile 16-jährige Schüler, der Karasuno High-School aus Sendai kaum noch. Was er noch Jahre später weiß ist, dass die Chemotherapie damals vieles bei ihm verändert hatte. So schmeckte das Essen nicht mehr, sein Liebling Erdbeere Kuchen schmeckte nur noch nach Pappe, auch seine blonden Haare fielen ihm damals alle aus.

Sein Körper benötigte viele Ruhepausen, er war schwach und fühlte sich einsam, denn es durften ihn damals nur wenige besuchen kommen, das Risiko, das er sich ansteckte, war zu groß gewesen. Das Immunsystem ist bei dieser Krankheit sehr geschwächt und somit hätte eine harmlose Erkältung ihn das Leben kosten können.

Freunde hatte er keine, denn wer wollte schon einen kranken Jungen besuchen und immer bei den Besuchen einen Mundschutz tagen? Immerhin konnte man dann doch gar nicht richtig spielen, selbst das war ihm verwehrt geblieben, denn zum Spielen fehlte ihm die Kraft. Selbst sein Essen musste genausten überprüft werden, weil es unter keinen Umständen mit irgendwelchen Bakterien infiziert sein durfte. Somit durfte er in dieser Zeit nicht einmal mehr Erdbeeren essen, denn jede Mahlzeit von ihm musste vorgekocht werden.

Die Prozedur zog sich damals etwa ein Jahr hin, man sah den Tropfen dabei zu, wie sie vom Tropf in die Vene gelangen und man hofft, dass es die letzte sein würde. Als er die letzte Infusion bekam, hingen viele Luftballons an dem Tropf, denn es ist eine Tradition das man diese im Anschluss zerplatzen lässt, denn man sagt dann käme der Krebs niemals wieder.

Die Tests zeigten endlich an: Kei war krebsfrei.

Es war eine schlimme Zeit gewesen, für ihn, aber auch für die Familie.

Heute du.

Morgen ich.Heute ich.Morgen du.Wir eilen und eilen.Dann schauen wir zuwie andere eilenund an ihren besten Tagenkeine Zeit zum Schauen haben.

Verena Schinzel-Landolt

Der Mond, die Offenbarung & das SterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt