01. April 2011

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Tsukishima POV

Etwa neun Jahre nach meiner Diagnose geht es mir wieder gut. Wir sind einige Zeit später wieder zurück nach Sendai gezogen, weil meine Mutter der Meinung gewesen war, die Luft hier würde mir besser bekommen als der Smog in Tokyo.

Sie ist wirklich eine gute Mutter, jedoch kommt es mir so vor, als würde sie mich in Watte einpacken und auch wenn es mies klingt, es nervt mich. Regelmäßig zwingt diese mich dazu zu den Untersuchungen zu gehen, auch wenn ich sie verstehen kann, so bin ich mindestens genauso abgefuckt davon. In den letzten Jahren ist nichts mehr passiert, wieso sollte nun etwas kommen?

„Kei?", höre ich sie von unten nach mir rufen. Wahrscheinlich ist sie wieder einmal der Meinung ich bräuchte eine extra Portion ihrer Fürsorglichkeit, als wenn ich es mit 16 Jahren nicht von allein schaffen würde pünktlich aufzustehen, um zur Schule zu kommen.

„Ich bin gleich so weit, Mutter", rufe ich die Treppe herunter und schnappe mir noch schnell meine Kopfhörer. Missgelaunt gehe ich unsere Wendeltreppe herunter und sehe sie bereits am Treppenende mit meiner Schultasche und meinem Gakuran, welchen sie über ihre Hänge gelegt hat, stehen.

„Du denkst daran, dass du heute nochmal zum Arzt musst nach der Schule, oder?"

„Ja, Mutter", grummele ich, entreiße ihr die schwarze Jacke, streife diesen über meine Schulter und schultere im selben Atemzug meine Schultasche. Ohne ein weiteres Wort verlasse ich mein Elternhaus.

Konnte sie ihre Liebe nicht ein wenig verteilen auf mich und meinen Bruder? Nur weil dieser sein Leben lang schon gesund gewesen war, entkommt er ihrer Aufmerksamkeit. Ich hoffe es einfach, dass es besser wird, wenn ich an die Karasuno Oberschule gehe und sie sieht, dass ich nicht mehr das kleine, sterbenskranke Kind von 6 Jahren bin, sondern mittlerweile in einem Alter bin, in dem ich selbst Entscheidungen treffen kann.

Wir hatten uns gestern noch lange und ausführlich darüber unterhalten, beim Abendessen, ob ich nicht vorhabe mich einem Club anzuschließen, denn Sport sei ja super für mich.

Hauptsache gesund. Alles musste gesund sein, sie würde mir wahrscheinlich den Hals umdrehen, wenn sie wüsste, dass ich mir gerne mal einen schwabbeligen Burger bei einem Fastfood-Restaurant kaufe, angeblich würde es mich umbringen. Sie kocht immer jeden Tag frisch, achtet immer darauf, dass ich nur bestimmte Lebensmittel zu mir nehme. Sicherlich es was Schönes, wenn man nach Hause kommt und eine warme Mahlzeit bekommt, aber es nervt, wenn man als Jugendlicher, nicht wie andere auch, mal eine Pizza vor dem Fernseher essen durfte.

Komm nicht zu spät heim, denk an den Regenschirm, zieh dich warm an, nicht das du dich erkältest, denk dran nicht mit nassen Haaren nach draußen zu gehen...

Wie sollte ich unter diesen Voraussetzungen bitte selbstständig und erwachsen werden? Oft werde ich wie ein rohes Ei von ihr behandelt und das kotzt mich ebenso an ihr an.

Wenn es nach ihr ginge, dann würde ich jeden Tag zu Hause hocken, lernen und am besten noch einen Privatlehrer bekommen, damit ich bloß nicht nach draußen gehe und mich womöglich noch erkälte. Ein Glück konnte ich das aber abwenden, auch wenn mich das einige Nerven gekostet hatte. Selbstverständlich will ich ihr auch nicht weh tun, weswegen ich versuche meinen Frust, so gut es eben ging, herunterzuschlucken und einigermaßen das zu machen, was sie wollte.

Mein Vater ist da ein wenig anders, weswegen sie sich damals oft gestritten haben. Er wollte mir mehr Freiheiten ermöglichen, aber meine Mutter war dagegen, eben weil ich krank werden könnte. Ich sollte nicht auf Kindergeburtstage gehen, wenn dann sollte ich eine Maske tragen, doch ich muss wohl nicht sagen, dass man das als kleines Kind nicht macht, oder?

Der Mond, die Offenbarung & das SterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt