Kapitel 20

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"So...", mein Vater blickte mich über den Rückspiegel prüfend an, "...versuch nichts anzurichten während ich weg bin", lachte er, doch ich sah in seinen Augen echte Nervosität aufflackern. Ich blickte aus dem Autofenster, wir standen in der Einfahrt eines recht ansehnlichen Hauses. Die Fassade war teils mit Holz verkleidet, teils mit Naturstein und hatte außergewöhnlich hohe Fenster. Hier lebte sie also.

Mein Vater räusperte sich, "Soll ich dir mit deiner Tasche helfen?"

"Nein danke", murmelte ich, schnallte mich ab und stieg mit geschulterter Sporttasche aus dem Wagen. Die Verabschiedung meines Vaters schnitt ich aus Versehen ab als ich die Tür zuschlug und ich formte mit meinen Lippen ein lautloses "ups". Ich winkte ihm halbherzig zu und blickte dem Wagen nach bis er am Ende der Straße abbog und verschwand.

Ich wandte mich dem Haus zu und zweifelte einen Moment lang, ob ich bei der richtigen Adresse war. Sie musste ziemlich wohlhabend sein. Ein schmaler Weg führte am Haus entlang zum hinten liegenden Eingang. Als ich schließlich vor der Tür stand, fühlte ich mich seltsam fehl am Platz, als wäre ich unerlaubt in ein Privateigentum eingedrungen. Ich erblickte das Klingelschild, "Lorenz". Eine Nervosität durchzog meine Eingeweide, das hier war doch verrückt. Aber es gab kein Zurück mehr.

Eine ganze Ewigkeit verging bis ich mich endlich dazu bringen konnte den Finger auf die Klingel zu setzen, ich zog ihn zurück. Ich prüfte rasch mein Spiegelbild in dem schmalen Milchglas das die Tür in der Mitte durch teilte. Ich fuhr durch meine Haare, strich mir die fuchsfarbenen Strähnen aus dem Gesicht und schüttelte dann leicht den Kopf, was machte ich hier. Ohne eine weitere Sekunde zu vergeuden, betätigte ich schnell die Klingel. Einige Sekunden verstrichen. Ein summendes Geräusch erklang, die Tür wurde freigegeben und ich öffnete sie mit pochendem Herzen.

Hell, offen, grün. Einige Steinplatten kennzeichneten den Eingangsbereich, danach war der gesamte Boden mit Holz getäfelt. Es war so offen gehalten, dass ich geradewegs die Küche sehen konnte. Die Wände im Wohnzimmer ragten hoch bis vermutlich ganz zum Dach und hatten diese hohen Fenster, die mir sofort aufgefallen waren. Der zweite Stock war sozusagen halbiert, eine Treppe führte vom Wohnzimmer aus dort hin, die Ebene war mit einem Geländer gesichert. Von dort konnte man vermutlich die Blätter der gewaltigen tropischen Pflanze berühren die im Wohnzimmer eingepflanzt war. Sie war buchstäblich im Boden eingepflanzt und reichte vielleicht acht Meter hoch. Es war modern eingerichtet und strahlte doch so eine heimische Wärme aus, es war schlichtweg atemberaubend.

"Esme", beim Klang der klaren Stimme fuhr ich herum und erblickte sie. Sie kam auf mich zu, ihre Haare waren feucht, ihr Gesicht frei von jeglichem Make-up und sie leuchtete beinahe in ihrer natürlichen Schönheit. Als sie endlich vor mir stand, schlug mir der fruchtige Duft von Shampoo entgegen, sie hatte wohl eben erst geduscht.

"Hallo", begrüßte ich sie perplex.

"Ich würde dir ja gerne eine Haustour geben, aber leider muss ich in 10 Minuten schon los", sie lächelte mich schief an und schnappte sich ohne zu fragen meine Tasche. Mit leicht geöffnetem Mund blickte ich sie an, sie zog eine Augenbraue hoch, "Na komm, ich zeig dir dein Zimmer".

Ich riss mich zusammen, zog meine Schuhe schnell aus und folgte meiner Lehrerin die bereits die Treppen hinaufstieg. Der zweite Stock bestand aus einem lichten Flur mit angrenzenden Räumen. Julia trat in das hinterste Zimmer. Es war offensichtlich für Gäste gedacht, im Zentrum ein Doppelbett, schlichte Einrichtung ein angrenzendes Bad und sogar ein Zugang zu einem Balkon. Meine Lehrerin legte meine Tasche auf dem Bett ab und sah mich grinsend an.

"Ich hoffe du bist nicht allzu enttäuscht, da du dich ja so darauf gefreut hattest ein Bett mit mir teilen zu dürfen", ihre Augen funkelten verspielt als sie auf mich zutrat.

Ich schnaubte, "Das Einzige worauf ich mich gerade freue, ist mein Bett zu Hause". Sie lächelte geduldig, fast überlegen, als hätte sie es mit einem trotzigen Kind zu tun. Meine Dreistigkeit erreichte sie nicht einmal im Mindesten und es nervte mich gewaltig. Als ich eben dachte, sie würde das Zimmer verlassen, blieb sie doch noch neben mir stehen und beugte sich gefährlich weit vor.

"Das sagst du, weil du nie in meinem warst", ihre verführerische Stimme an meinem Ohr setzte meine Nackenhaare unter Strom. Ich blickte stur nach vorne während ich ihr Blick auf meinem Profil brannte, plötzlich hob sie ihren Arm und strich wie selbstverständlich einige Strähnen hinter mein Ohr, mein Herz flatterte aufgeregt.

"Ich muss los, aber mein Mann zeigt dir später den Rest des Hauses."

Reflexartig schaute ich sie an, wandte dabei meinen Kopf zur Seite und zuckte zurück als ich merkte wie nah ihr Gesicht an meinem war. Sie war verheiratet!? Sie hatte einen Mann?! Natürlich hatte sie einen Mann! Oh mein Gott, ich war so dämlich! Natürlich hatte sie einen Mann, natürlich! Das Ausmaß der Enttäuschung, die in mir aufwallte, war überwältigend, ich schluckte hart. Natürlich war eine Frau wie Frau Lorenz nicht Single, wieso war ich so überrascht?

Ein Prusten riss mich aus meinen sich überschlagenden Gedanken, ich blickte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen verärgert an, was war so witzig?

"Das war ein Witz, Esme", sie trat schmunzelnd an mir vorbei und verließ das Zimmer bevor ich die Möglichkeit hatte sie anzufauchen und etwas zu sagen, was ich später definitiv bereuen würde.

"Fühl dich wie zu Hause!", rief sie noch gut gelaunt vom Flur aus hinterher. Einige Sekunden stand ich sprachlos da, dann schloss ich meinen Mund, stieß die Türe geräuschvoll zu und vergrub mein Gesicht in beiden Händen. Sie bringt mich noch um!

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𝔼𝕟𝕚𝕘𝕞𝕒Where stories live. Discover now