Kapitel 34

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"Das musst du mir schon näher erläutern als 'war okay', Esme", mit einem nervösen Lachen blickte mein Vater kurz von mir zu Julia, die mir gegenüber am Esstisch saß. Ich versuchte mir mein Unbehagen nicht allzu sehr anmerken zu lassen, als ich den Blick auf meinen beladenen Teller senkte. "Also...", fing ich an, die Hitze schoss in mein Gesicht und mein Herz begann zu rasen. Sag etwas, irgendetwas! Die Sekunden verstrichen quälend langsam, meine Wangen waren inzwischen so warm, dass ich mich nicht wundern würde, wenn die Luft um mich herum flimmerte.

"Ich denke, was sie sagen möchte ist, dass sie am liebsten einziehen würde, weil es ihr so sehr gefallen hat...stimmt's, Esme?", ich riss meinen Blick hoch geradewegs in die vor Schalk funkelnden Augen meiner Lehrerin. Ich war unfähig etwas zu antworten, wie konnte sie so gefasst bleiben? Julia legte den Kopf etwas schief und blickte mit einem wissenden Grinsen zu meinem Vater, "Sie möchte deine Gefühle nicht verletzen", scherzte sie ausgelassen und er brach in lautes Gelächter aus. Ich sah sie erneut an und sie erwiderte meinen Blick, in ihren Augen lag eine Frage und ich nickte kaum merklich um zu vermitteln, dass ich mich wieder im Griff hatte.

Es war vorhersehbar gewesen, dass mein Vater sie einladen würde. Während der Rückfahrt hatten wir in Etwa abgesprochen, was wir sagen würden doch als es dann auf mich ankam, hatte ich trotzdem versagt. Was wenn mein Vater witterte, dass etwas nicht stimmte? Julias Präsenz half jedoch unheimlich, sie wirkte so souverän und gelassen....so glaubwürdig.

Den Rest des Abendessens, schwatzte mein Vater über seine Erlebnisse in Hamburg. Ich gab mir Mühe nicht allzu vertraut mit meiner Lehrerin zu wirken, auch wenn es kurz einen Moment gab, bei dem sich unsere Blicke trafen und ich mir sicher war, dass selbst ein Blinder die Anziehung zwischen uns gesehen hätte. Als wir uns verabschiedeten, schlug ich vor "Frau Lorenz" zu ihrem Wagen zu begleiten, da es ja bereits dunkel war. Mein Vater lachte, "Du musst mir mal zeigen, was du mit ihr gemacht hast", spaßte er, doch Julia lächelte nur amüsiert und warf mir einen süffisanten Blick zu, wissend, dass ich nur etwas Zeit mit ihr alleine verbringen wollte.

Schweigend liefen wir also zu ihrem Auto, sie hatte etwas entfernter geparkt, somit waren wir nicht sichtbar, selbst wenn mein Vater noch aus dem Fenster blicken sollte.

"Tut mir leid wegen vorhin, ich wusste nicht...ich...", ich hielt inne, um nach den richtigen Worten zu suchen. Eine kleine Dampfwolke bildete sich vor meinem Gesicht, als ich frustriert die Luft ausatmete.

"Du warst nervös", schloss Julia ruhig und ich nickte etwas beschämt. Sie trat an mich heran,"Es ist okay", beruhigte sie mich. Erleichtert blickte hoch in ihre dunklen Augen. Wie gerne würde ich sie jetzt küssen. Sie nahm meine Hand und hob sie an, um mit ihren Lippen einen sanften Kuss auf meine Haut zu platzieren. Mein Herz stolperte aufgeregt, ich war solche romantischen Gesten von ihr nicht gewöhnt.

"Wir sehen uns morgen,", sie zwinkerte mir zu und stieg dann elegant in den Wagen. Mit einem Lächeln blickte ich dem fortfahrenden Mercedes nach, bis seine Lichter hinter der nächsten Ecke verschwanden.

~~~

Die Woche verstrich schleppend. Wegen des Vorfalls mit Louisa, brummte man mir einige Stunden Nachsitzen auf und ich wurde ebenfalls dazu aufgefordert, mich bei dem Mädchen zu entschuldigen. Ich hatte erwartet, dass Louisa mir als Reaktion nur ein Augenverdrehen zeigen würde, begleitet von einem abwertenden Kommentar aber zu meiner Überraschung erwiderte sie meine Entschuldigung und schrieb sogar einen Brief an Kenia. Einen Brief. Sie wirkte jedoch recht widerwillig und ich reimte mir zusammen, dass Frau Lorenz wohl ein ernstes Wort mit ihr gewechselt haben musste. Nur sie war hier imstande, einen sich sträubenden Teenager zu einem eingeschüchterten, reumütigen Mädchen zu verwandeln.
Wie ich jedoch befürchtet hatte, sah ich sie jetzt deutlich seltener. Mein Vater wachte wieder mit Argusaugen über mich und jedes Gespräch, jede Berührung war ein Risiko. Außerdem schien sie in letzter Zeit recht beschäftigt zu sein, deshalb war das Nachsitzen weiterhin keine Strafe für mich und ich genoss klammheimlich unsere Zweisamkeit. Eingehüllt in friedlicher Stille, nur das Geräusch von einer Feder die über das Papier glitt und ab und zu das Rascheln von Blättern. Bis dann irgendwann die Schulglocke läutete...

"Auf Wiedersehen, Frau Lorenz", ich ging die wenigen Treppen zu ihrem Pult hinunter und blieb kurz stehen als sie aufblickte. Braune Augen betrachteten mich, bevor sie aufstand und an dem Tisch vorbei an mich herantrat. Überrascht nahm ich wahr, wie sie ihre Hände um meine Taille legte und sich leicht gegen mich lehnte, sodass ich gegen das Pult gedrückt wurde.

"Es gefällt mir viel mehr, wenn du mich Julia nennst", stellte sie fest, sie kam mir nah und ihr vertrauter, sanfter Eigenduft stieg mir in die Nase. Ich versuchte mich zu konzentrieren während ich drohte in ihrer Stimme, ihren Augen zu versinken.

"Sie wollten ja, dass ich Sie in der Schule sieze", entgegnete ich leise. Ihr Griff um meine Taille festigte sich und sie zog mich näher an sich. Ihr warmer Atem streichelte meine Haut als sie mit samtiger Stimme sprach.

"Natürlich....aber hier sind wir alleine", und damit schloss sie den restlichen Abstand zwischen uns und legte ihre Lippen auf meine. Sofort schloss ich meine Augen und ließ mich vollkommen fallen in das Gefühl, welches der Kuss in mir auslöste. So gut. Ich hatte ihre Berührung vermisst und ich ließ es sie spüren. Sie biss grinsend in meine Unterlippe und entfachte augenblicklich die bisher schlummernde Erregung zu einem hungrigen Feuer. Meine Knie wurden weich und nach Halt suchend, schlang ich meine Arme um die schlanke Figur meiner Lehrerin...sie gewährte es mir, während sich ihre Hand wieder in meinen Haaren vergrub und mir ein wohliges Seufzen entlockte. Als sie sich kurz von meinen Lippen löste, blitze mir das Braun ihrer Augen herausfordernd entgegen.

"Julia...", begann ich schwach, doch mein eigenes überraschtes Keuchen unterbrach mich, als sie meinen Kopf an den Haaren zurückzog. "Shh", machte sie, sofort folgten ihre weichen Lippen, die erst an meinem Kiefer entlang strichen, um dann einen Kuss auf die Haut meines Halses zu platzieren, dessen Sehnen bis zum Reißen gespannt waren. Ihre Hand wanderte unter mein Shirt und ihre kühlen Fingerkuppen tanzten über meinen flachen Bauch bis zu meiner Taille, ein wohliges Seufzen verließ meinen leicht geöffneten Mund. Verspielt strich sie mit dem Finger den Bund meiner Hose nach, bis sie quälend langsam anfing den Knopf zur Seite zu schieben.

Schritte

Augenblicklich riss ich meine Augen auf, Julia ließ meine Haare los und wir sahen uns erstarrt an. Erregung schlug in Panik um. Die Schritte verklangen wieder stetig, die Person war am Klassenraum vorbeigelaufen. Ich entließ die Luft, welche ich unbewusst angehalten hatte und sah Julia aus großen Augen an. Verdammt! Ich raufte mir die Haare, mein Herz klopfte wild gegen meine Brust. Was wenn uns jemand gesehen hätte? Ich hatte die Umgebung völlig aus meinen Gedanken verbannt, verrückt. Dabei hatte ich mir immer so Sorgen gemacht, dass uns jemand sehen könnte. In dem Moment als ihre Lippen mich berührten hatte mein Verstand abgeschaltet.

Vielleicht ist es einfach zu riskant!
"Gefühl kann man nicht durch Vernunft ersetzen", säuselte die Stimme meiner Lehrerin in meinem Kopf.
Meine Fresse, das heißt aber nicht, dass man gleich komplett seinen Verstand abschalten muss, Esme!

Julia seufzte und verscheuchte die tadelnde Stimme in meinem Kopf. Prüfend sah sie mich an, bevor sie mir ein aufmunterndes Lächeln schenkte und mir über die Wange strich, "Bis morgen, meine Kleine". Ich schluckte meine Enttäuschung herunter, dann halt wann anders. Es eilte nicht. Wir haben ja Zeit.

"Bis morgen.... Julia", ich schenkte ihr zuletzt ein schwaches Lächeln und trennte mich dann widerwillig von ihrer Berührung um das Klassenzimmer mit rasendem Herzen zu verlassen.


Vielen Dank fürs Lesen! Freue mich über jegliches Feedback :)

𝔼𝕟𝕚𝕘𝕞𝕒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt