95 - Schweigen und Worte

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- Frieda POV -

Suga fuhr mich zum Krankenhaus. Wir hatten unsere Planung allesamt vorerst über den Haufen geworfen. Und noch nicht mal das hatten wir besprochen. Jeder war seit gestern stillschweigend seiner Wege gegangen und vor allem mich hatte keiner belästigt. Nach dem Frühstück hatte Suga nur in der Tür gestanden, den Autoschlüssel unseres Leihautos um den Finger drehend und jetzt saß er eben so wortkarg neben mir. Das Auto roch fremd. Meine Stickjacke roch nach der Zigarette, die ich vor unseres Aufbruches noch inhaliert hatte.
"Was hast du vor?"
Ich zuckte bei dieser Frage viel zu deutlich zusammen, sodass Suga nur mit ernstem Gesicht nickte.
"Verstehe."
Ja, natürlich verstand Min Genius.
Ich hatte nichts vor. Ich hatte einen riesigen Fehler gemacht, aber ich fühlte mich gar nicht mehr so schuldig, wie ich es eigentlich gemusst hätte und das verwirrte mich.
"Hmm ich will dir nicht irgendwie auf die Pelle rücken", begann Suga erneut, aber ich lehnte mich einfach laut stöhnend zurück und unterbrach seine Rechtfertigungen.
"Wirst du doch eh machen.", stellte ich trocken fest.
"Ja.", erwiderte er ebenso trocken.
Er schaltete in einen höheren Gang um, da wir uns jetzt auf einer langen Landstraße außerhalb der Ortschaft befanden.
Im Augenwinkel beobachtete ich alle Bewegungen seiner Muskeln, um sicher zu gehen, dass er mir nicht gleich an den Hals ging. Ja, Suga machte mir gehörig Angst. Der Koreaner war scharfsinnig genug, mein kindliches Verhalten auf das Genaueste zu analysieren und skrupellos genug, mich dafür gehörig zu schelten.

"John hat euch erwischt, was?"
Ich nickte fast unmerklich.
"Und seit wann rauchst du eigentlich?"
Er rümpfte die Nase.
Bockig biss ich mir auf die Lippe und sparte mir die Antwort.
"Verstehe."
"Wird das hier nur eine hochnotpeinliche Befragung oder warte ich doch nicht hoffnungslos auf Hilfe in dieser scheiß Situation?!", entfuhr es mir urplötzlich.
Ich war selbst verstört, wie aggressiv ich geklungen hatte.
Suga schaute weiter unberührt auf die Straße.
Dann machte er Musik an. Ich erkannte das Lied sofort, es war "Run" von BTS.
Ich gab es auf, auf eine Antwort zu warten. Erneut fingen meine Augen an, zu tränen und ich lehnte meinen Kopf kraftlos gegen die kühle Fensterscheibe. Sie beschlug sofort, dank meiner warmen Tränen, die langsam verdunsteten, aber immer noch Nachschub bekamen.

Irgendwie war die Fahrt vorüber gegangen und nachdem wir auf dem Parkplatz des Krankenhauses geparkt hatten, stiegen wir wortlos aus.
"Ist okay, ich hole nur John und dann geht es ab nach Hause. Musst nicht mitkommen.", versuchte ich, Suga ins Auto zurückzubeordern. Dabei vermied ich es, ihn anzublicken, starrte einfach geradeaus auf den feuchten Kies und zwang mich, meine brennenden Augen zu unterdrücken.
Min Yoongis Schritte stoppten aber nicht, sondern kamen direkt auf mich zu. Ich glaubte schon, seine Hand auf meiner Wange brennen spüren zu können, als er mich wider Erwarten zu sich heran zog und die Arme um mich legte.
"Ich kann dir nicht helfen, Frieda. Ich kann dir nicht mal mehr sagen, wie du dich am besten verhalten solltest.", gab er zu, seine Stimme war sehr nahe an meinem Ohr.
Ich vergaß fast, zu atmen.
Für eine Weile standen wir einfach so dort, bis Suga sich entschied, in seine sonst allgegenwärtige ablehnende Position zurückzukehren. Mir fiel wieder ein, wofür wir hier waren. Um John abzuholen. Nicht um feste Umarmungen wie aus einer schlechten Fanfiction entgegenzunehmen.
"Danke.", gab ich leise von mir und schaute Suga wieder in die Augen.
Suga lächelte. "Wofür eigentlich, dein Problem ist immer noch genauso präsent wie zuvor."
Ich zuckte mit den Schultern. Da hatte er es schon wieder geschafft, den süßen Moment im Bruchteil einer Sekunde zu zerstören.
"Dann jetzt los, bevor du hier festklebst!", drängte Suga.
Als ich mich nicht gleich zum Gehen wandte, gab er mir mit der rechten Hand einen kleinen Beschleunigungs-Klaps auf den Hintern, mit den Worten: "Na los, klär das jetzt, sonst kannst du dir eine andere Mitfahrtgelegenheit nach Hause suchen! In Wirklichkeit bin ich nämlich verdammt sauer auf dich, Dummkopf!"
Schnell sprintete ich davon, bevor es noch mehr Ärger gab.

Ich drosselte meinen Drang nach Geschwindigkeit, als ich meinen Freund unten im Eingangsbereich sitzen sah. Mit dem Rücken zu mir und in sich zusammen gefallen verharrte er auf einem der beigen Sofas dort.

"Hallo." Meine Stimme klang weitaus belegter als gedacht. Ich räusperte mich augenblicklich, während John sich zu mir umdrehte.
"Hallo.", antwortete er ebenso leise und bedrückt.
"Suga wartet auf dem Parkplatz. Hast du deine Sachen?", versuchte ich, den heißen Brei zu umgehen.
"Mir geht es super, danke der Nachfrage.", antwortete John mit eisigem Blick.
Ich zuckte zusammen.
"Tut mir leid, ich bin sehr durch den Wind.", stammelte ich.
"Das ist mir schon aufgefallen, Frieda. Seit du das Buch gefunden hast, ist es mit jedem Tag schlimmer geworden."
Nun runzelte ich dir Stirn und blieb im Gehen stehen.
"Willst du damit sagen, es wäre besser, wenn ich es nicht gefunden hätte?", fragte ich alarmiert, obwohl ich die Antwort doch selbst gut genug kannte.
"Das weiß ich nicht.", gab John zu, "Aber ich wünschte, du hättest es nicht getan."
Ich atmete laut aus und riss mich zusammen, nicht wütend zu werden.
Stattdessen schloss ich nun kurz die Augen und legte mir meine Worte zurecht.
"Ich weiß, ich habe Scheiße gebaut.", begann ich langsam und vorsichtig, "Ich habe logischerweise noch keine Erfahrung, was das Zurückbringen von K-Pop Gruppen an die Öffentlichkeit angeht. Ich wünschte nur, du könntest einfach verstehen, dass meine Welt Kopf steht. Ich wünschte, ich hätte mich nicht auf Jimin eingelassen und dieses Chaos veranstaltet. Ich wünschte doch aber nur, du würdest mir etwas mehr Vertrauen, etwas mehr Raum geben. Kannst du mir verzeihen, wenn wir uns versprechen, dass wir das ab jetzt zusammen durchstehen?"
John schüttelte lächelnd den Kopf, es war ein entäuschtes, entschlossenes Lächeln, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.
"Ich verstehe, du brauchst Raum. Hmm."
Wir standen jetzt schon in der Tür, die entnervt versuchte, automatisch zuzugehen, aber deren Bewegungsmelder uns davor bewahrte, eingequetscht zu werden.
"Ich wette, ohne mich hast du weitaus mehr Raum."
"Aber-"
"Frieda. Ich habe mich in dir getäuscht. Ich habe immer unter der festen Überzeugung gelebt, du würdest mich treu ins Grab begleiten werden. Vielleicht ist das hier auch teils meine Schuld, weil ich meine Erwartungen zu hoch gesetzt habe. Du hast mich verletzt, sehr sogar. Ich glaube nicht, dass ich dir jemals verzeihen könnte."
Schon wieder kamen meine Tränen und spülten jegliche Erwiderungen, die mich vor Johns Urteil beschützen hätten können, einfach weg.
"Es ist vorbei, Frieda. Wir fahren jetzt nach Hause und heute Abend sitzt ihr ohne mich im Nachtzug in Richtung Stadt."

Wortzähler: 1068 Wörter
Ok end my suffering! Ich weiß, einige von euch haben auf diesen Moment sehnlichst gewartet, aber dieses Kapitel war für mich persönlich eine sehr harte Nuss.
Danke an BlackOrchiedee dafür, dass du mich so motiviert hast und danke an meinen Romeo, dass du mir jeden Tag Kraft gibst

ƒօɾցօԵԵҽղ | втѕWo Geschichten leben. Entdecke jetzt