37 - Summer

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Die ganze Schule war in Aufregung. Die Vorbereitungen für das Schulfest waren nicht mehr zu übersehen. Überall im Schulhaus hängten die Schüler Girlanden an oder beschrifteten Schilder. Draußen wurden Buden aufgebaut und schwere Kisten getragen. Ich half Mina und Majo noch ein wenig beim Einräumen ihres Crap Standes. Gerade schnitt ich eine Tüte Puderzucker auf und gab diesen in eine große Schüssel. Majo neben mir steckte die Kabel zusammen, damit sie die Herdplatten erhitzen konnte. "Musst du nicht langsam los, Unnie?", wunderte sich Mina, die mit einer großen Dose Pfannkuchenteig angetrottet kam. "Hm?" "Deine Audition ist doch schon in einer Stunde." "Ich weiß, ich weiß." "Du gehst zur Audition?" Majo sah mich überrascht an. "Meine erste.", gab ich zu. "Ja, und dazu sollte man auch pünktlich kommen.", grummelte Mina und griff mein Handgelenk. "Mina, chill." "Nein nein nein. Ich bringe dich jetzt zur Bahn und gehe erst zurück, wenn du drin sitzt. Majo? Ich bin gleich zurück." "Ok", nickte Majo, die anscheinend solche Aktionen ihrer großen Schwester gewohnt war und mir rief sie hinterher: "Fighting Juzu Unnie!" Ich lächelte in mich hinein.

Ich saß seit zehn Minuten in der Bahn zum Centrum von Busan und machte mir Sorgen. Ich hatte meiner Mutter immer noch nichts von der Audition erzählt, sondern einfach heimlich heute morgen meinen Sportbeutel gepackt, der jetzt auf meinem Schoß lag. Sportsachen, Deospray, die Unterlagen, die ich brauchte, und sogar Pflaster für den Fall der Fälle. Sonst war ich nie so übervorsorglich. Aber das heute war schon was anderes. Meine Tanzlehrerin und ich hatten die ganzen letzten Tage im Dauerprogramm geübt und ich war eigentlich gut vorbereitet. Trotzdem fühlte ich mich, als hätte ich etwas wichtiges vergessen. Oh mein Gott, wie ich dieses Gefühl hasste!
Die Bahn fuhr gerade auf einer Straße, von der aus man das Meer sehen konnte. Heute lag es ruhig da. Der Seenebel, welchen sie gestern im Fernsehen angesagt hatten, war voll und ganz verschwunden und man konnte neben anderen Boten auch viele weiß glänzende Segelschiffe auf dem türkisen Wasser entdecken. Ich lehnte mich zurück, stöpselte meine Kopfhörer in die Ohren und hörte das Lied Summer von Alma, weil es die Atmosphäre perfekt widerspiegelte. Ich lächelte müde und verdrängte die ungemütlichen Gedanken für eine Weile.

Meine Station wurde durchgesagt und ich stand auf, um mich neben ein etwas jüngeres Mädchen an die Tür zu stellen. Sie wirkte schüchtern und schaute zu Boden, als ich sie freundlich anlächelte. Sie wollte wahrscheinlich auch zu der Audition. Bevor ich ein Gespräch mit ihr beginnen konnte, hielt die Straßenbahn und die Türen öffneten sich mit einem lauten Piepen. Das Mädchen, ich und viele andere stiegen aus der Bahn in die sommerliche Luft, welche zwischen den Hochhäusern hier extrem stickig war. Ich strich meine Haare zurück und holte mein Handy heraus. Ich öffnete Google Maps und folgte der angegebenen Route.

Das Haus, in dem die Audition stattfand, war ein eingeschössiger großer Bau, der an eine Art Kindergarten erinnerte. Die Wände waren einheitlich pastellgelb angemalt und im Flur hingen mehrere eingeräumte Fotos. Die Mädchen und Jungen darauf waren alle in meinem Alter gewesen. Einige erkannte ich. Jung Eun-ji von Apink lächelte mir entgegen, als ich auf dem Weg zu den Warteräumen an ihrem Bild vorbei schlenderte. Sie war damals auch nur eine hübsche kleine Asiatin mit langem schwarzen Haar gewesen. Ich setzte meinen Weg fort. Weiter hinten drängelten sich ein paar mehr Mädchen um eines der Bilder, welches, wie ich erwartet hatte, Jimin in jungen Jahren abbildete. Er grinste so sehr, dass man glauben mochte, dass er so nichts sehen konnte. Ich riss mich zusammen und ging mit gleichgültigem Blick an dem Foto und den Selfie machenden Mädchen vorbei.

"Juzu Chung." "Juzu, ja?" Die Frau mir gegenüber tippte meinen Namen mit blitzartiger Geschwindigkeit in ihren Computer ein. "Deine Nummer ist 122. Du wartest bitte in einem der Warteräume, dass deine Nummer aufgerufen wird." Ich nickte im Dauertakt, um auch keinen Zweifel zu lassen, ich würde etwas nicht verstehen. Sobald mir die Frau meine Unterlagen wieder in die Hand drückte, verschwand ich in dem Flur und kehrte in einen Warteraum ein. Ich stoppte abrupt, als die hier angestaute Welle mir entgegen schwappte. In diesem Raum gab es anscheinend keine Fenster, weshalb es so heiß war wie in den Tropen. Erdrückt von der Schwüle pflanzte ich mich sogleich in eine freie Ecke des Raumes. Hier saßen Mädchen von geschätzt neun bis zwanzig Jahren wie Hühner im Hühnerstall und warteten darauf, dass ihre Nummer ausgerufen wurde. Ich seufzte. Wahrscheinlich musste ich noch über eine Stunde hier verbringen und versuchen, nicht zu dehydrieren. Erstmal checkte ich mein Handy. Mina hatte mich noch mit Glückwünschen und Emojis vollgespamt. Meine Mutter hatte mir den Einkaufszettel geschickt, für das, was ich hier in Busan noch kaufen sollte. Achja, sie dachte, ich hätte Tanzstunden. Das beklemmende Gefühl kam wieder, weshalb ich nur kurz 'Ok' antwortete und dann weiterskrollte.

Frieda: Hey Juzu, wie geht es dir momentan? Ich habe gehört, du nimmst jetzt öfter Tanzstunden.

Frieda, sie war meine Austauschpartnerin vor zwei Jahren gewesen. Wir hatten immer noch Kontakt und dieses Jahr wollte sie für eine Woche nach Korea kommen. Ich hatte sie mit dem Kpop Virus angesteckt, denn wie man sagte: "Once you Jimin, you can't Jimout." Ich lächelte, als ich an Friedas baldigen Besuch dachte. Eine wunderbare Überraschung hatte ich für sie vorbereitet. Hoffentlich freute sie sich. Aber erstmal war es ja eine Überraschung. Daher schrieb ich nur, dass es mir gut ginge und dass ich jetzt an einer Audition teilnahm. Frieda kam gleich online.

Frieda: Oh mein Gott! Das ist ja großartig! Ich wünschte, ich hätte die Chance, das auch zu machen.

Du: Bleib mal schön bei deinen englischen Fanfictions! Du bist ein Genie im Schreiben und ich liebe deine Geschichten. ♡

Ich schaltete mein Handy aus und holte mir einen Becher kühles Wasser vom Wasserspender.

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Ich begann, mich für meine erste Audition fertig zu machen und dehnte mich, so gut es hier ging. Dann wurden die nächsten Nummern durchgesagt. "Nummer 110, 111, 112, 113, 114 und 115 bitte." Jetzt war es soweit. Wie in Trance folgte ich der Frau, die meine Nummer aufgerufen hatte, zusammen mit den anderen Mädchen, in die Höhle der Löwen.

Wortzähler: 1032 Wörter
Wusstet ihr, dass es in Südkorea nur ein bisschen wärmer ist als hier in Deutschland? Ich finde das echt faszinierend und habe auch die Wetteranzeige auf meinem Handy nach Seoul gestellt. Vielleicht bin ich auch ein wenig ein Freak. Aber ich würde sterben für eine Woche Korea Urlaub. 🤤

ƒօɾցօԵԵҽղ | втѕWhere stories live. Discover now