5 - Agust D

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Sobald John wieder auf der Arbeit war, fühlte ich mich beobachtet. Mit einem unwohlen Gefühl im Bauch setzte ich mich in mein Büro und zeichnete ein wenig. Das half mir immer, auf andere Gedanken zu kommen, nur heute funktionierte es irgendwie nicht. Ich wuschelte mir seufzend durchs Haar und legte den Bleistift frustriert auf das Blatt vor mir. Nein, zeichnen war anscheinend keine Option. Und wenn ich wieder an den Strand ging? Schlechte Idee, das würde mich nur an gestern erinnern. Ich musste noch mal zu dem Mann von gestern. Ich hatte eindeutig zu viele Fragen auf der Zunge liegen und außerdem brachte es nichts, im dunklen Haus sitzen zu bleiben.
Ich holte mein Fahrrad und radelte die Straße hinunter in Richtung Alter Hafen. Heute wehte ein kühlerer Wind und auch der Himmel hatte sich mit kleinen grauen Wolkenfetzen bezogen, welche über mich hinweg flogen. Im Hafen roch es auch nicht so schlimm wie gestern, da der Wind die frische Seeluft in die schmutzigen Gassen fegte.
Langsam streifte ich durch diese Gassen und besah mir den Ort diesmal genauer.
"Wieso bist du zurück gekommen?", fragte mich eine vertraute Stimme. Verwirrt schaute ich nach oben und wahrlich - er hockte auf dem Dach einer der alten Fischerhütten. Heute trug er ein altes Karohemd und eine ausgewaschene Jeans. Im Sonnenlicht glänzten seine dunklen Augen nur noch mehr. Kühl blickte er auf mich herab, heute wirkte er trotzdem wesentlich weniger distanziert als gestern. "Ich habe Fragen.", antwortete ich. "Hab ich es mir doch gedacht ...", murmelte er eher zu sich selbst und kletterte darauf hin von der Erhöhung. Jetzt, wo er neben mir stand, merkte ich, dass er ungefähr gleich groß wie ich war. Eben ein kleiner Asiate. Ich grinste. Er sah mich grinsen, ignorierte das aber gekonnt. "Komm mit, Nervensäge.", befahl er mir und ich folgte ihm durch die Gassen bis hin zu der Lagerhalle von gestern.
Ich nahm auf dem Klavierhocker Platz und er setzte sich auf das zugeklappte Piano. "Fang an.", deutete er mir. Überrascht, dass er offen für meine Fragen schien, fing ich an: "Also als erstes: Wer oder was ist Agust D? Dein Cover-Name oder so was?" "Nicht ganz. Und zwar, bevor ich ein Mitglied von BTS wurde und auch während dieser Zeit nannte ich mich als Gangsterrapper Agust D. Darin ist übrigens mein eigentlicher BTS Name enthalten. Rückwärts." Er machte eine kurze Pause, damit ich überlegen konnte. "Suga?", fragte ich nach einer Weile. Er nickte. In meinem Kopf sammelte ich kurz alle Informationen zu ihm zusammen.

Suga, wirklicher Name Min Yoongi
Liebt seine Ruhe und schlafen
Spielt Piano und komponiert
Gangsterrapper auch unter dem Namen Agust D bekannt

Okay. "Nächste Frage: Sie scheinen ja zu wissen, wo du dich befindest. Oder?" Er nickte ernst. "Warum lassen sie dich dann in Ruhe?" Er lachte. Dann holte er seine Pistole aus der Hosentasche. "Erstens habe ich das. Und zweitens", er fuhr bedächtig mit den Fingern über das schwarze Metall der Waffe, "haben wir eine Art stillen Vertrag: Solange ich meinen Mund halte und meine Vergangenheit verschweige, lassen sie mich in Ruhe. Außerdem lebe ich zur Sicherheit so abgegrenzt von anderem Leben, wie es mir möglich ist. Mein einziger Freund ist der hier." Er deutete auf das Piano unter ihm. Empört schüttelte ich den Kopf über die Lage von Suga. "Wie verdienst du dein Geld?", erkundigte ich mich. "Straßenmusik. Ich habe eine Gitarre, da ich mein Piano ja nicht überall hin mitschleppen kann. Allerdings kann ich natürlich nicht unsere Musik spielen." Er beugte sich mit traurigem Gesicht hinunter und drückte eine Taste, welche einen reinen klaren Ton entstehen ließ. "Ich werde verfolgt.", säuselte ich erschöpft, "Sollte ich mir auch eine Waffe anschaffen?" "Wenn sie dich beseitigen wollen, werden sie das auch durchziehen. Ich will dir da keine großen Hoffnungen machen." "Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, BTS ein Comeback zu geben? Ich meine, ihr seid so erfolgreich gewesen, meinst du nicht, dass ihr das noch mal schafft?" "Und dann werden sie wieder alle uns vergessen lassen?! Danach sind wir doch sowas von tot. Ein nächstes Mal werden sie uns nicht vertrauen." "Du bedenkst nicht, was VIPs für eine Macht haben. Ihr könntet doch die Welt aufklären." "Die Chance, dass uns so eine Geschichte geglaubt wird, ist doch ..." "Woher willst du das wissen?", unterbrach ich ihn ärgerlich, "Was hast du denn zu verlieren?" "Ähm? Mein Leben?" "Ist so ein Leben denn lebenswert?" Er zuckte mit den Schultern. "Woher willst du wissen, ob die anderen mitspielen?" "Probieren geht über studieren.", antwortete ich trocken. "Nein. Vergiss es." Enttäuscht blickte ich Suga in die Augen. "Ich hätte BTS so gerne noch mal erlebt und ich glaube viele andere auch." Damit griff ich mein Fahrrad und verschwand. Sollte er doch in seinem eigenen Staub ersticken ...!

- Sugas POV -
Ich saß schweigend auf meinem Piano und ließ Frieda gehen. Die Stille kehrte wieder in mein Leben - das Gefühl, wie nach einer großen Party mit einem schmerzenden Kopf voller melankolischer Gedanken.
Ein Teil von mir sprang sehnsüchtig von dem harten Piano und folgte Frieda in das helle Tageslicht. Ich wollte nicht, dass sie mich auch verließ. Irgendwie. Ich konnte mir das ehrlich gesagt selbst nicht genau erklären.
Komischerweise fand ich Frieda nicht auf ihrem eigentlichen Weg wieder und eine schlimme Vorahnung leitete mich hinunter zu den alten Boten, welche im Hafen schaukelten, unbeachtet, vergessen.
Inmitten der alten Schiffe sah ich sie. Schnell versteckte ich mich hinter einem Container. Ich hatte Mühe, meinen Herzschlag runterzusetzten. Vorsichtig lugte ich hinter meinem Versteck hervor und das Blut gefror mir in den Adern. Sie hatten Frieda und waren gerade dabei, ihr den Gar auszumachen. Oh Gott. Ich verschwand wieder hinter dem Container und hielt mir die Hand auf die Brust, da ich das Gefühl hatte, dass dessen Klopfen mich verraten könnte. Keuchend schloss ich die Augen. Warum BTS? Warum ich? Hätten sie nicht einfach Blackpink auslöschen können? Nein, Yoongi, stopp mal! Hast du nicht mal geschworen, stark zu sein? Es hatte doch so lange funktioniert, egal, wen sie beseitigt hatten, ich hatte mir verboten, etwas zu fühlen. Und doch war es diesmal anders. Frieda hatte sich um mich gesorgt, ich hatte doch ihren Blick gesehen, als sie mich gebeten hatte, BTS wieder aufzubauen. Sie war zu mir gekommen, nachdem ich fünf Jahre lang immer auf so jemanden gewartet hatte.
Ich blickte um die Ecke.
Sie hatten Frieda gefesselt und schienen sie ertränken zu wollen. Ich konnte das nicht zulassen ...

Wortzähler: 1066 Wörter

ƒօɾցօԵԵҽղ | втѕTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang