52 - Black Swan

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Von mir zu Hause aus war es nicht weit. Das Hochhaus, zu dem ich an diesem unglücklichen Tag schlenderte, um auf andere Gedanken zu kommen, stand schon länger leer und trotzdem pflegte irgendeine ziemlich hobbylose Seele die Pflanzen auf dessen Dach. Hierhin verschlug es mich immer an schlechten Tagen und meine Kreativität förderte das verlassene begrünte Dach inmitten der Stadt auch noch sehr oft. Ein wenig atemlos durch die langen Treppen, die ich hierher hochgestiegen war, nahm ich auf dem alten Gartenstuhl Platz, dessen Farbe an vielen Stellen schon abgeplatzt war. Mitgenommen hatte ich nur meinen kleinen Notizblock, in welchen ich meine Ideen niederschrieb. Jedoch kam heute nichts. Ich dachte nur über Layans einleuchtenden Plan nach und die plötzliche Kündigung. Ich war nicht abergläubisch, aber warum zum Satan passte das alles zusammen? Warum hatte ich das Gefühl, dass übernatürliche Kräfte dahinter stecken. Du bist verrückt, Lea. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Ich seufzte nur leise. Plötzlich hörte ich die Klänge einer Gitarre und eine leise Stimme, die wahrscheinlich von der leeren Straße unten kam. Verblüfft hörte ich genauer hin. Woher kannte ich ... diese Melodie? Wie verzaubert stand ich langsam auf, legte meinen Block ab und bahnte mir einen Weg durch das Pflanzengewirr des Daches. Langsam, vorsichtig, aber sicher trat ich näher auf das Geländer zu, dass mich davon abhielt, zehn Stockwerke herunterzufallen. Die Klänge waren leise und zart, aber sie wurden auch immer sicherer, als hätte sich der Musiker ein Herz gefasst. Mit jedem neuen Ton hatte ich das Gefühl, etwas blühte in mir auf, etwas frisches und doch altvertrautes. Der Duft dieser Blüte umnebelte meine Sinne, bis ich bemerkte, dass jemand hinter mir stand. Aber es war zu spät, um zu reagieren oder sein Gesicht zu sehen. Schon stieß er mich grob von hinten an und ich kippte über das Geländer, wessen rostige Farbe meine Hände noch rutschiger machte. Und ehe ich mich versah, knallte mein Körper gegen die raue Hauswand und befand sich keine Sekunde darauf im freien Fall. Ich hatte gar keine Zeit, vor Schmerz aufzuschreien, schon war ich auf dem Boden aufgekommen und der Knall verwischte meine Sicht, bis ich in ein tiefes schwarzes Loch fiel.

- Suga POV -
Das Mädchen krachte auf der anderen Seite der Straße auf den Bürgersteig. War sie von dem Dach des Hochhauses gefallen? Ich riss verschreckt meine Augen auf, als ich realisierte, was passiert war. Als ich ihren schlaffen Körper sah. Trotzdem rief ich unverzüglich den Krankenwagen und brachte die junge Frau ganz vorsichtig in die stabile Seitenlage. Warum hatte ich auch versucht, Black Swan zu spielen? Hatte ich denn nichts gelernt? Panisch wischte ich mir die Feuchtigkeit vom Gesicht, nicht wissend, ob es Schweiß oder Tränen waren. Das war alles meine Schuld!

Hilfe kam schnell und ich berichtete alles, was ich gesehen hatte. Die Polizisten sahen mich ungläubig an, baten mich dann aber nur, ihnen meine Kontaktdaten zu geben. Natürlich, sie dachten, ich hätte sie von dort gestoßen. Wenn man es so sah, war das wohl nicht zu bestreiten, wenn auch nur passiv. Aber es war meine Schuld und ich wünschte, ich hätte nie einen unserer alten Songs gespielt.
Verdammt.

- Lea POV -
Ich wachte auf und hatte erst keine Ahnung, wo ich war. Es war hell, weiß. Und schmerzhaft. Autsch. Ich versuchte, meinen Kopf zu drehen, aber es ging nicht. Leicht panisch hob ich meinen Arm und sah, wie die Kabel zum Tropf in meine Haut gesteckt waren. Krankenhaus. Langsam sprang mein Gehirn wieder an. Die Welt gewann an Farbe und Kontur und ich war ein wenig erleichtert. Außer mir schien niemand hier zu sein, auch wenn ich nicht den ganzen Raum einsehen konnte, aber es war totenstill. Mein Kopf pochte ein wenig und Schwindel kamen auf. Ich entschloss mich, meine Augen zu schließen und zu warten, bis jemand vorbei kam.
Krankenhaus. Was ist denn passiert?

Layan war mein erster Besuch. Sie hatte irgendwelche hellblauen Blumen dabei, die sehr schön aussahen. Sorgsam gab sie sie in eine Vase und stellte sie auf den Tisch neben mir. "Na Glückspilz?" "Glückspilz?" Ich lachte, auch wenn das ein wenig wehtat. "Du hättest tot sein können." Sofort wurde Layan ernst und sah mich an. "Was ist passiert?", fragte sie deutlich. "Das wüsste ich auch gerne." Ich dachte kurz nach. "Ich war wieder auf dem Dach, you know? Naja, und da habe ich Musik gehört und ... oh mein Gott, jemand hat mich runtergeschubst." "Wer?" Ich runzelte die Stirn. "Habe ich nicht gesehen." Layan schwieg und ging auf und ab in dem kleinen Raum, wie ein Detektiv aus den ganzen Filmen. "Du hast gesagt, du hast Musik gehört. Wie meinst du das?" "Hä? Naja, da hat jemand auf der Straße Gitarre gespielt und es war sehr schön, es hat mich an etwas erinnert." Ich verfiel ebenfalls ins Schweigen. "Dann hat der Typ mit der Gitarre nicht gelogen, der den Krankenwagen gerufen hat.", stellte Layan fest und taute dann urplötzlich wieder auf. "Guck mal, was ich dir mitgebracht habe!" Sie wedelte mit einer Tüte Schokocupcakes herum und ich grinste gierig.

Kurz darauf hatten die Ärzte mich im Bett aufgerichtet und ich verschlang in affenartigem Tempo mehrere Cupcakes, welche einfach köstlich waren, wie immer. "Wann kannst du wieder nach Hause?" "Zwei Wochen, haben sie gesagt", kaute ich. "Du hattest wirklich Glück gehabt, Lea!", wiederholte Layan noch mal mit Nachdruck, "I mean, du hättest dein Genick brechen können, eine ernsthafte Gehirnerschütterung -" "Ist ja gut, ich weiß.", unterbrach ich sie schnell, "Lass mich doch bitte einfach die Cupcakes genießen." "Bitch." Layan drehte nur mit den Augen, hielt dann aber wirklich den Mund, bis sie meine verbundene Hand nahm und mich lächelnd ansah. "Ich bin froh, dass es dir gut geht. Ich hatte schon Angst, du hättest versucht, dich selbst umgebracht." "Dafür bin ich viel zu feige." "Unterbrich mich nicht! Hör zu, ich wette, wenn du in zwei Wochen nach Hause kommst und dann vielleicht in fünf Wochen wieder voll arbeitsfähig bist, suchen wir dir einen neuen, viel besseren Job. Ok?" Ich nickte.
Aber ich log ein wenig. Ich hatte nicht vor, die Nachforschungen einzustellen und ich wollte auch wissen, was es mit dieser Musik auf sich hatte, die der Gitarrist gespielt hatte. Und ich fragte mich, wer mich geschubst hatte? Irgendwie hatte ich das Gefühl, all das hinge irgendwie zusammen. Mir fehlte nur noch ein Puzzelteil. Das in der Mitte, das wichtigste, was alles ausmachte.

Ich würde es finden!

Wortzähler: 1062 Wörter
Ja dieser kleine Exkurs ist für meine Motivation gedacht und zieht noch ein wenig mehr die Strippen. I hope, you liked it. Lea & Layan sind allerdings noch längst nicht aus dem Spiel. 😏

ƒօɾցօԵԵҽղ | втѕWhere stories live. Discover now