63 - Ungeheuer

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Devran
Ich warf einen schnellen Blick auf die Uhr. 22:07 zeigte sie an. War die Zeit stehen geblieben? Sie verging nicht. Das einzige, das mein Körper gerade wollte, war Schlaf. Alles ging an mir vorbei. Ich war wie in Trance.
Ich befand mich in einem Restaurant, doch gedanklich, war ich auf einer ganz anderen Welt. Mein Kopf war bei der Waffenlieferung hängen geblieben. Unter anderem bei Yaman, bei meiner Mutter, meinem Opa - alles Mögliche war in meinem Kopf, bloß nicht die Arbeit.

„Was denken Sie darüber, Herr Devran?", suchte eine Stimme nach meiner Aufmerksamkeit.
„Wie bitte?", wandte ich mich dem Geschäftspartner.
„Ich nehme an, sie haben es nicht gehört. Meine Assistentin hat vorgeschlagen, dass wir eine Feierlichkeit für unsere Zusammenarbeit organisieren sollten. Die Presse sollte unsere Erfolgen an die Öffentlichkeit bringen.", schlug Herr Rafet vor.
„Was denkst du darüber Gülin?", gab ich das Wort an meine Assistentin, da ich momentan über nichts nachdenken wollte. Die Kopfschmerzen verfolgen mich bis in die späten Stunden.
„Ich denke, es wäre eine gute Idee. Aber Herr Devran bevorzugt keine Events zu veranstalten."
In kurzer Zeit hatte Gülin mich kennengelernt. Von Events hielt ich überhaupt nichts.
„Wieso Herr Devran?", wollte Herr Rafet wissen.

Im nächsten Moment spürte ich ein Vibrieren am Tisch. Ich wurde angerufen.
Als ich Damlas Name auf dem Display las, überraschte ich mich. Eigentlich rief sie zu einer ziemlich passenden Zeit an.
„Entschuldigt mich.", nahm ich ab.
„Ja, Damla?"
Anstatt eine Antwort zu bekommen, hörte ich eine Stille. Doch danach folgte ein Schluchzer. Weinte sie? Tausende Dinge stürmten durch mein Kopf.
„Damla!", stand ich abrupt von der Stelle auf, dass sich die Blicke auf mich richteten.
„Devran!", hörte ich nach Tagen ihre Stimme mit zittrigem Unterton.
„Was ist los?", fragte ich und fand den Weg nach draußen.
„Stimmt es?", fragte sie.
„Was?"
„Wurde mein Bruder wirklich von Bahtiyar entführt?"
Auf der Stelle blieb ich stehen.

Jetzt verstand ich Damlas Anliegen. Sie hatte die Sprachmemo erhalten und konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
„Ja... Ich habe Demirs Spur gefunden."
„Devran, du-", fing sie an, doch stockte.
„Du bist der beste! Ich weiß nicht, was ich sagen soll!"
„Du musst nichts sagen. Ich habe dir etwas versprochen und habe mich daran gehalten.", vergewisserte ich und stützte mich am Treppengeländer vor mir.
„Mein Bruder kann am Leben sein! Du weißt nicht, wie glücklich ich gerade bin. Wie konntest du Timur finden?"
„Hab dir ja gesagt, dass ich keine Geduld mehr habe. Konnte ihn eben durch Devran Taktiken finden."
Dabei waren illegale Wege gemeint, was Damla auch verstand. Meeresrauschen war an der Leitung zu hören. Damla schien am Ufer zu sein.

„Können wir uns kurz treffen?", fragte sie auf einmal. Ich wollte hier auch nicht länger bleiben, aber diese Einladung hatte nichts mit unserer Zusammenarbeit zutun. Es wäre nicht richtig.
„Schlechter Zeitpunkt."
„Bitte. Nur ganz kurz.", bat sie in einem sanften Ton, dass ich kaum widersprechen konnte. Gehe nicht Devran, sagte meine innere Stimme, während die zweite dagegen sprach. Allein durch die Stimme hörte ich, wie durcheinander Damla gekommen war. Was hatte ich mir auch gedacht, als ich ihr die Sprachmemo schicken ließ?
„Wo bist du?", fragte ich anschließend.
„Am Leuchtturm."
Unser inoffizieller Treffpunkt.
„Bin gleich da.", gab ich Bescheid und legte auf.

Ich ging rein und entschuldigte mich von den Geschäftspartnern. Mit der Ausrede, dass es ich los müsste, machte ich mich fort. Die wesentlichen Themen wurde sowieso durchgesprochen.
„Alles in Ordnung, Herr Devran?", fragte Gülin nach.
„Ja, vielen Dank für den Abend.", richtete ich letzte Worte an die Gruppe aus und ging los.
Beim Leuchtturm angekommen, hielt ich Ausschau nach Damla. Wie vermutet entdeckte ich sie am Steg. Mit einer Packung Taschentuch in meiner Hand näherte ich mich ihr. Einsam saß Damla an der Kante des Steges. Sie wischte sich die Tränen weg und fuhr durch die Haare.

Die Wunde der VergangenheitWhere stories live. Discover now