86 - keine Liebe

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Damla
Es war so still im Raum, dass ich nur das Dröhnen in meinen Kopf hörte.
Sanfte Regentropfen prasselten auf die Fensterscheibe. Im Dunkeln saß ich auf dem Bett. Die Beine an den Körper gezogen, Handy unter der Hand. Ich wartete und etwas anderes konnte ich sowieso nicht tun.
Stunden waren vergangen, weder eine Nachricht, noch einen Anruf hatte ich erhalten. Zwei Uhr zeigte mein Bildschirm an.
Die Angst saß mir immer noch auf dem Herzen. Das Gefühl war mir zu bekannt. Schon damals, als mein Bruder lange unterwegs war, fanden mich die Sorgen. Es war so, als ob ich mir einen Film zum zweiten Mal anschauen würde. Mein Bruder versprach mir wie Devran zuhause einzukehren, aber eines Tages kam er nicht zurück. Würde es mit Devran genauso enden?

Noch einen Verlust konnte ich nicht verkraften. Ich spürte nur eine Leere in mir. Eine große tiefe Leere. Nachdenklich betrachtete ich den Ring in meiner Hand.
„Nehmen wir an, ich hätte dir einen Antrag gemacht und du hättest zugesagt.", fielen mir Devrans Worte ein. Den Ring bekam ich an dem Tag.
„Devran... Es war nicht nötig."
„Die Menschen werden reden. Dieser Ring wird bis zum Abend an deiner Hand bleiben."
An dem Tag änderte sich alles.
„Und nehmen wir an, wir hätten eine Verlobungsfeier gehabt.", sagte Devran und steckte sich seinen Verlobungsring an.
An dem Tag vereinten wir uns unbewusst. Wir verbanden unbewusst unsere Seelen miteinander.

Meine verweinten Augen fielen irgendwann zu. Die Decke zog ich mir über und zog tief die Luft ein. Dieses Mal wollte ich nicht weinen. Ich verspürte das Gefühl, Devran ganz egal zu sein. Wo er war, was er machte, war mir unbekannt. War es zu viel verlangt, mir eine Nachricht zu hinterlassen?
Ich wollte nur, dass der Albtraum ein Ende fand. Aber dieser Wunsch war zu schön um wahr zu sein...

Irgendwann nahm ich ein Geräusch wahr. Im Halbschlaf hörte ich die Tür aufgehen. Zu müde war ich, um nachzuschauen. Verschwommen erkannte ich die Uhrzeit auf der Digitaluhr. Drei Uhr mitternachts war es.
Im nächsten Moment ließ sich ein Gewicht neben mich sinken. Ein Arm umschlang sich um mich.
Devran.
Er konnte sich an sein Versprechen halten. Er war zurückgekommen.
Ruhe kehrte in meinem Inneren ein. Ruckartig drehte ich mich um.
„Devran!"
Erleichtert nahm ich sein Gesicht zwischen die Hände. Tränen quollen aus meinen Augen.
„Meine Damla!"
„Wo warst du nur? Weißt du, wie viel Angst ich um dich hatte? Wieso-"
„Ich will Ruhe Damla.", unterbrach er mich und legte den Zeigefinger auf meine Lippen. Er sollte nicht schweigen! Ich brauchte Antworten.
„Bitte!", bat er und umarmte mich. Sein Verhalten machte mir Angst. Die Stille war quälend.

„Ich habe Angst um dich!", nahm ich seine Hände von mir runter und stand auf.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du keine Angst um mich haben sollst?"
Am Oberarm packte er mich.
„Solange ich weiß, welchen Gefahren du ausgesetzt bist, werde ich immer Angst um dich haben! Du bist ein bewaffneter Krimineller Devran. So viele Augen liegen auf dir... Jeden Tag plagen mich die Gedanken, ob du heil nachhause kommen wirst! Ich will ein ganz normales Leben mit dir leben. Ein Leben ohne Angst und Waffen. Ich liebe dich, aber hasse deine Geschäfte. Ich liebe den gefühlvollen Devran und nicht den gefährlichen.", offenbarte ich meine wirren Gefühle und drückte ihn zum zweiten Mal von mir weg.
Schnaubend fuhr sich Devran über den Dreitagebart. Er wirkte total gestresst und aufgewühlt.

„Erzähle mir was passiert ist!", forderte ich mit zusammengezogenen Brauen.
„Vertraust du mir nicht? Warum schweigst du! Ich bin vor Angst verrückt geworden!"
„Damla bitte!", erhob er die Stimme, doch sie erwies trotzdem eine Spur von Schwäche.
„Wie soll ich für dich da sein, wenn du kein Wort mit dir redest? Willst du, dass du mir egal bist? Wirst du immer abends gehen müssen? Willst du, dass ich dasselbe wie mit meinem Bruder durchmache?", ging ich weiterhin auf ihn ein.
„Frag nichts! Ich will nicht darüber sprechen!", wiederholte er seine sture Antwort wie ein Mantra.
„Devran, ich-"
Es passierte in der selben Sekunde, dass Devran seine Lippen auf meine presste und ich an der Taille nach hinten gedrückt wurde. Gegen den Schrank stieß ich. Was passierte schon wieder?
Devran strich mir die Haare aus dem Gesicht. Unsere Stirn berührte sich. Einige Sekunden verblieben wir in dieser Position.

Die Wunde der VergangenheitWhere stories live. Discover now