97 - die schöne Seite der Welt

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Als Damla sagte, dass mich Enver sprechen will, wusste ich, dass heute der bedeutsame Tag ist. Ich war angespannt und nervös.
Wir verabredeten uns um 12 Uhr in einem ruhigen Hafenviertel. Zu Hause wäre es zu riskant gewesen und im Polizeirevier ebenfalls.
Damit die Behörden die Razzia in drei Tagen durchführen konnten, musste ich meinen ganzen Plan vorstellen. All die harte Arbeit, die ich in den Monaten durchgeführt hatte, würde ans Licht kommen. Ich war wütend, aber zugleich erleichtert. Mansur Bahtiyar verdiente einen qualvollen Tod, doch stattdessen würde er ins Gefängnis wandern.

Viertel vor zwölf stand ich schon unter der Brücke. Es regnete. Die unebene Wasseroberfläche beobachtete ich. Das Wasser verschluckte die Tropfen.
Noch einmal schaute ich mich um und sicherte ab, dass mich niemand verfolgte. Ich konnte alles von jedem erwarten. Sogar mein Handy ließ ich zu Hause. Ich lehnte mich zurück und genoss die letzten Minuten als nicht-Verräter.

Irgendein klassisches Stück lief im Radio, das ich nebenbei aufgedreht hatte. Moonlight Sonata von Beethoven.
Das Gewitters dramatisierte die Stimmung. Über meine Fantasien lachte ich und kniff schmerzlich die Augen zusammen. Die Kette mit der Patrone, die von meinem Vater verlieben war, verschloss ich in meiner Faust. Ich werde nicht aufgeben, wie mein Vater damals. Ich werde alles richtig machen.

Reifen, die über den steinigen Weg fuhren, unterbrachen die Stille. Pünktlich ließ sich Enver zeigen.
Einmal atmete ich tief durch, steckte die Kette in meine Jackentasche ein und stieg aus. Meine Cap zog ich zurecht. Heute war ich undercover unterwegs mit Lederjacke und so.
„Enver Akay.", ließ ich den Blick über ihn schweifen.
„Freut mich dich zu sehen, Devran."
„Ich hatte dich schon vermisst.", spottete ich. Er lachte auf.
„Keine Handys, Waffen oder Handschellen?", ging ich noch einmal sicher.
„Ja, wie wir besprochen haben. Bei dir?"
„Auch. Handschellen habe ich sowieso nicht."
„Gut, dann lass uns anfangen."

Auf der Motorhaube legte ich die Zettel und Notizen aus.
„Mansur Bahtiyar.", zeigte ich mit dem Zeigefinger auf das Foto.
„Drogenboss, Waffendealer, betreibt Menschenhandel - alles mögliche was ihr im Strafgesetzbuch stehen habt. Ich habe Demirs Spur über Damlas mysteriöse Post gefunden. Der Junge, der im Paketshop arbeitete, brachte die Lebensmittelbestellungen von Bahtiyar vorbei. Eines Tages hat ihn Demir angesprochen. Durch Umwegen hat Damla die Post bekommen."

Enver schaute sich die Notizen näher an. Die komplette Mission, die in geplant hatte, redeten wir durch.
„Das ist Bahtiyars Unterkunft in Izmir. Die Drogenübergabe findet nach drei Tagen statt. Ihr habt 72 Stunden Zeit, um die Einheiten zusammenzurufen."
Nachdenklich fuhr er über den Bart. Enver sah total müde aus.
„Woher hast du die Informationen gefunden? Mit wem arbeitest du zusammen?", wandte er sich mir.
„Ich habe gute Agenten."
„Warum bist du nicht Polizist geworden, wenn du einen scharfsinnigen Verstand hast?", fragte er mich auf einmal.

Ich musste lachen.
„Die Regierung braucht intelligente Polizisten und nicht erfolgreiche Kriminelle."
„Ich und Polizist?"
„Deine Familie hätte dich wohl ausgestoßen. Aber dich muss man loben. Du hast professionell gearbeitet. Dazu hast du die Mission selbst gelenkt... Danke für die Informationen. Sie sind in sicheren Händen.", klopfte mir Enver auf die Schulter.
„Das hoffe ich. Was ich hier mache, ist hochverboten."
„Mir geht es nicht anders. Du kannst mir vertrauen. Ich mache alles für Demir und natürlich Damla."
Wir waren im selben Boot. Weder Enver, noch ich duften Fehler machen.

„Dürfte ich dich noch etwas fragen, Devran?", wollte er zuletzt wissen.
„Liegt drauf an, was?"
„Liebst du Damla wirklich? Oder habt ihr nur aus Zwang geheiratet?"
Innehaltend fixierte sich mein Blick auf einen Punkt in der Ferne. Dann sah ich ihn wieder an.
„Ich bin dir zwar keine Antwort schuldig, aber wir haben schon viel früher Gefühle füreinander gehabt. Deshalb konnte ich Damla nie loslassen und sie mich. Ist deine Frage hiermit beantwortet?"
„Ja, Devran. Pass auf Damla auf. Sie hat niemanden außer ihren Bruder und dich. Damla ist ein starker aber sensibler Mensch."
„Ich weiß. Niemand kann besser auf sie aufpassen als ich.", vergewisserte ich.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt