88 - Mörder und Opfer

2.2K 126 63
                                    

„Sag mir, wo Görkem wohnt!", forderte Devran zum zweiten Mal. Ich schüttelte den Kopf. Es würde Görkem Körels Todestag bedeuten. Die Verantwortung könnte ich nicht übernehmen. Ich könnte Devran nicht zum Mörder verurteilen lassen.
„Du verteidigst den Hund!", warf er mir vor.
„Görkem ist mir egal! Aber du Devran? Ich kann dich in dem Zustand nicht gehen lassen."
„Du beschützt ihn!"
Devran war verloren in seiner Illusion.
„Nein, verdammt nochmal! Komm zu dir!", blickte ich tief in seine wuterfüllten Augen. Sie spuckten Feuer. Er verbrannte sich an seinem Zorn.
„Ich muss die Sache heute klären! Entweder sagst du mir, wo der Drecksmann steckt, oder-"
„Oder was Devran! Willst du mich umbringen, anstatt Görkem?"
Meine Sicht wurde verschwommener. Mit tiefen Atemzügen unterdrückte ich Schluchzer.

Verbittert wurde ich angestarrt. Ich könnte Devran ohrfeigen, dass er zu sich kam.
„Er war ein Fehler aus meiner Vergangenheit. Akzeptiere es doch einfach, so wie ich dich akzeptiere!", fuhr ich zittrig fort. Devrans Männerstolz war ein großes Hindernis für sein Verständnis. Dazu kamen die ekligen Gerüchte im Artikel, die ihn endgültig außer Kontrolle brachten.
Der feste Griff um mein Oberarm lockerte sich und Devran verließ den Raum. Hart knallte sich die Tür zu.
Ich hörte ihn schreien und etwas wurde klirrend gegen die Wand geschleudert. Eine weitere Vase zerbrach. Devran kam total neben die Spur. Das ganze Haus könnte er abfackeln, wenn es ihn beruhigen würde.

Eine Nachricht von Ersin empfing ich. Alles okay?
Den Streit müssten sogar die Männer mitbekommen haben.
Nein, schrieb ich zurück. Die Tränen wischte ich mir weg, doch weitere folgten. Keiner konnte mich mehr verletzen als Devran. Mein Herz begann zu schmerzen und ich bekam schlecht Luft. Auf den Balkon floh ich. Nieselregen fiel auf mich herab. Die feinen Tropfen lösten sich auf meiner warmen Haut auf.
Ich versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, aber jeder Versuch war erfolglos. Warum lief alles schief, seitdem ich an Devrans Seite stand?

Es war acht Uhr morgens als ich mich aus dem Schlafzimmer machte. Keine Ahnung wo Devran die Nacht verbracht hatte und egal war es mir auch. Okay, nicht ganz. Mein Kopf war bei ihm geblieben. Dummer Kopf.
Schlecht gelaunt ging ich die Treppen runter. Hoffentlich begegneten wir uns nicht.
Moment Mal. Wo war Devran die ganze Nacht über gewesen? Hat er etwa Görkems Adresse gefunden und ihn irgendwo im Wald vergrabt? Nein er würde seinen leblosen Körper viel professioneller verschwinden lassen. Immerhin ist er er ja professioneller Mafiaboss! Da er kein Blut sehen kann, hat er sich also in Görkems Haus eingeschlichen und ihn beim Schlafen erwürgt. Tage später würde die Nachricht die Presse erreichen und Devran wäre der mutmaßliche Mörder.

Die Vorstellung war kein bisschen lustig und langsam machte ich mir Sorgen um Devran. Trotz allem behielt ich meine Kaltblütigkeit und ging fort. Als ich meine Hand an die Türklinke setzte, hörte ich ein Geräusch. Schritte blieben stehen. Henker war zuhause und ich fühlte seine Blicke auf meinem Rücken.
„Wehe", hallte seine dunkle Stimme im Flur. Er sah schlaflos aus. Tiefe schatten zeichneten sich unter seinen Augen.
Nach all dem, was er mir gesagt hat, könnte er sich entschuldigen. Aber das würde an seinem Ego kratzen. Das wäre zu viel von einem Devran Atahan verlangt.

„Du bleibst zuhause.", fuhr er fort.
„Damla, 20. Jung und versklavt an einen aggressiven Mafiaboss.", spottete ich. Tief hörte ich ihn einatmen. Als ich damit rechnete, dass Henker auf mich losraste, bewegte er sich locker in meine Richtung.
„Ich muss dich schützen. Draußen ist es unruhig.", war seine Erklärung.
„Nicht nötig. Ich kann mich selbst beschützen.", drehte ich mich um.
„Wohin, habe ich dich gefragt!", griff Devran im nächsten Moment ein und versperrte mir den Ausgang. Vor der Haustür baute er sich auf.
„Ich werde Görken persönlich erschießen."
Meine unernste Art machte ihn nur verrückter. Allein, dass er vor mir stand und atmete, provozierte mich. Mein Herz war gebrochen. Und kein bisschen Reue sah ich in seinen Augen.

Die Wunde der VergangenheitWhere stories live. Discover now