23 - Belogen

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Ich wusste nicht, was ich machen, oder fühlen sollte.
Ein großer Schmerz hatte sich in mir breit gemacht. Aber gleichzeitig fühlte ich auch eine Leere. Tausende Gefühle stürmten durch mein Kopf.
Ich konnte es nicht wahrhaben, was ich vorhin gesehen hatte! Ich hatte die Ermordung meines Vaters gesehen! Vor meinen Augen - wurde er erschossen!
Devrans Vater kam ebenfalls um's Leben!
Es war ein geplanter Mordfall. Jemand hat sie bewusst umgebracht. Aber wer? Und wieso? Was haben unsere Väter gemacht, dass sie ermordet wurden?
Wieso wurde vorgegeben, dass mein Vater durch ein Autounfall um's Leben gekommen ist? Wer hat das geplant? Welche Gruppe steckt dahinter? Welche große Macht?
Fragen über Fragen. Wann würden sich diese Fragezeichen lösen?

Verwirrt fuhr ich durch die Haare und setzte mich hin. Ich war kurz davor in Tränen auszubrechen.
Von Devran kam nichts. Er blieb weiterhin still. Wahrscheinlich ging es ihm gerade gleich wie ich. Wir beide fühlten uns verarscht!
Wir wurden jahrelang belogen! Keiner hat uns die Wahrheit gesagt! Ich konnte vor Wut platzen!
Aber... vielleicht wurde sie vor jeden versteckt. Vielleicht hat jeder an die Lüge geglaubt! Ich verstand wirklich nichts mehr! Und ich hatte auch keine Nerven mehr, etwas verstehen zu wollen!
„Damla.", erwähnte Devran irgendwann mein Name und blieb vor mir stehen. Ich blickte zu ihm hoch.
„Wir wurden jahrelang belogen Devran!"
„Ich weiß, wie du dich gerade fühlst. Aber es wurde Zeit, dass wir die Wahrheit erfuhren. Mit der Schießerei hätte ich nicht gerechnet...", sagte er und setzte sich zu mir.
„Mein Bruder hatte Recht! Er war auf den richtigen Weg!", fiel mir ein.
Ich glaubte es nicht! Was wir heute erfahren haben, hatte Demir zuvor herausgefunden. Wer weiß, was er noch alles über den Tod unseres Vaters aufgedeckt hat.
„Was hatten unsere Väter miteinander zutun? Wieso wurden sie umgebracht?", fragte ich.
„Wenn ich wüsste.", gab er verzweifelt von sich und grub sein Gesicht in die Hände.
Das erste Mal hatte ich das Gefühl, Devran schwach zu sehen. Seine bedrohliche, unantastbare Maske war beinahe gefallen. Es hatte ihn bestimmt kaputt gemacht die Ermordung seines Vaters zu sehen.

„Das ist der Beginn eines großen Krieges. Ist dir das bewusst?", fragte Devran und blickte mich wieder an. Rachsucht und Hass entfachten wie Flammen in seinen Augen. Vor den hohen Fenstern, die zum Garten führten, blieb er stehen.
„Es ist mir bewusst. Aber hast du auch schon daran gedacht, mit welchem Maifaboss wir uns anlegen werden? Sie haben die Sterbeurkunde meines Vaters manipuliert. Wie kann das geschehen? Wir legen uns mit einer großen Macht an!", versuchte ich klar zu machen.
Kurz hielt er inne.
„Es ist mir egal, mit wem ich mich anlege! Es war mir von Anfang an bewusst, dass es nicht einfach sein wird. Wenn du Angst hast, dann nimm die Pistole, die ich dir geschickt hatte und ziehe ab!"
Er provozierte mich dermaßen. Natürlich wusste er, dass ich das nicht machen würde. Ich würde diese Pistole nehmen und am liebsten Mafia Devran erschießen! Danach würde ich zwar ins Gefängnis landen, aber hätte einen freien Kopf.
„Was hast du vor?", fragte ich und stand auf.
„Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken.", gab Devran überfordert von sich. Ich hoffe sein Holzkopf konnte gerade logisch denken. Ich hatte keine Lust auf einen zweiten Einbruch. Ich hoffe für den Rest des Plans, wird er mich nicht brauchen.
Nachdenklich blickte er raus auf den Garten. Ich glaube mehr zu besprechen gab es nicht.

„War's das? Kann ich gehen?", unterbrach ich die Stille im Raum.
„Nein. Wir wollten noch Tee trinken.", scherzte er in einem ernsten Ton und wandte sich zu mir. Ha ha ha, so einen guten Witz hatte ich lange nicht mehr gehört. Seine Witze waren also genau so schlecht wie seine Entscheidungen.
„Morgen wirst du mir alles bringen, was du über die Ermittlungen deines Bruders finden kannst. Mit der CD, die er dir schicken lassen hat. Um 14 Uhr.", vereinbarte er.
„Ich glaube du vergisst, dass ich auch eine Studentin bin. Um 14 Uhr habe ich noch ein Kurs in der Universität.", erinnerte ich ihn.
„Denkst du, das juckt mich?", fragte er.
„Wegen dir will ich nicht mein Unterricht verpassen.", machte ich sicher.
„Dann komme nach dem Kurs. Aber ich will morgen alles zu Demirs Ermittlungen haben."
„Ich kann in seiner Wohnung nachschauen, aber ob ich etwas finden werde, kann ich nicht versprechen.", vergewisserte ich.
„Demir hat das, was wir heute gesehen haben viel früher entdeckt. Er war hinter der selben Person, die wir auch suchen! Vielleicht hat er sie sogar gefunden!", meinte Devran.
„Das ist mir auch bewusst. Mein Bruder hat Wichtiges gefunden."
„Und womöglich ist er deshalb verschwunden Damla. Du kennt die dunkle Welt nicht! Hier passieren Dinge, die du dir nicht mal vorstellen kannst. Was denkst du, wie viele Beamte gibt es, die für Verbrecher arbeiten? Sie haben überall ihre Männer und können deswegen so sauber arbeiten. Eine Sterbeurkunde zu fälschen, oder einen Kriminalpolizisten verschwinden lassen, ist keine leichte Aufgabe.", sagte Devran.

Die Wunde der VergangenheitWhere stories live. Discover now