18 - Unerwünscht

2.5K 73 11
                                    

Erneut stand eine Waffe so nah zu mir.
Devrans kalte Blicke hatten mich wieder getroffen.
Das erste mal hatte Devran eine Waffe auf mich gerichtet, als wir uns im Schrank versteckt hatten.
Ich wusste aber, dass er nicht abdrücken würde. Denn er brauchte mich. Jetzt zumindest. Aber später? Er würde mich wirklich umbringen, weil ich von seinen dreckigen Geschäften Bescheid wusste. Was war bloß aus mir passiert? Wie konnte ich mit so einer Person zutun haben? Mein Bruder war Kriminalpolizist! Und jetzt? Arbeitete ich mit einen Kriminellen. Ich war nicht mehr die unschuldige Damla. Meine Hände verdreckten sich langsam.
Ich konnte diese Last nicht mehr tragen!
Eiskalte Blicke beäugten mich. Devrans Herz war genau so kalt wie seine Blicke. Er kannte keine Gnade. Er würde mich irgendwann kaltblütig umbringen.

„Erschieß mich doch einfach!", gab ich schwach von mir.
Devrans Braue zogen sich zusammen.
„Was schaust du so! Zieh doch ab, wenn du nicht mit mir auskommst! Eines Tages wirst du es doch eh tun! Also macht es kein Unterschied, ob du es heute oder morgen tust!", schrie ich.
Tränen sammelten in meinen Augen. Tief atmete ich die Luft ein und aus. Mein Herz zog sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr zusammen. Meine Atemwege schnürten sich zu. Devran war schockiert von meiner Reaktion. Er hätte diese Worte nicht erwartet. Es reichte mir aber!
„Du regst mich auf!", kam Devran zu Wort und nahm die Waffe wieder runter. Könnten Blicke töten, wäre er jetzt schon längst tot!
Ich löste mein Gurt und hob meine Tasche vom
Boden auf. Ich konnte nicht länger mit ihm sein. Ich musste irgendwo hin, wo ich weit weg von Devran war!
„Mach die Tür auf.", befahl ich. Er war schon auf die Pannenspur abgebogen.
„Nein. Ich werde dich da ablassen, wo du eingestiegen bist.", widersprach er mir.
„Mach die scheiß Tür auf, habe ich dir gesagt!", wurde ich lauter und blickte ihn hasserfüllt an. Dieses mal hörte er auf mich und entriegelte die Türen.

Ich stieg aus und knallte die Türe zu.
Was dachte er, wer er ist? Ich bin nicht seine Marionette! Wenn er sich daneben benimmt, werde ich es auch machen!
Keiner soll mich auf die leichte Schulter nehmen. Ich werde verrückt, wenn mir der Kragen platzt.
Wieso fuhr Devran nicht weg? Auf was wartete er? Flüchtig schaute ich mich nach ein Taxi um. Aus der Ferne sah ich ein gelbes Auto kommen. Sofort winkte ich ihn her. Daraufhin bog er ab und blieb vor mir stehen. Erst nachdem ich eingestiegen war, fuhr Devran weg.
Ich verstand ihn nicht. Musste ich das überhaupt tun? Er war geisteskrank. Eine andere Erklärung gab es nicht. Er war durchgeknallt!
„Wo soll ich Sie hinfahren?", fragte mich der Taxifahrer.
„Ortaköy bitte.", gab ich Bescheid und schnallte mich an. Dort gab es ein Ort, zu dem ich immer zum Abschalten ging.
Ich brauchte frische Luft und Ruhe. Ich musste abschalten. Heute war ein sehr anstrengender Tag gewesen. Ich war todmüde, doch ich kochte auch vor Wut. Ich war Enttäuscht von mir, ich war wütend, fühlte mich hilflos.

Als wir in Ortaköy ankamen, bezahlte ich den Betrag für die Fahrt und stieg aus.
Mit zügigen Schritten ging ich zu meinem Zielort. Es war eine unentdeckte Aussichtsplatte. Eine kleine Gasse führte dort hin. Die Ecke wurde schon vor mir von Sprayern gefunden. Graffitis hatten die Wände geschmückt.
Vertieft blickte ich die Aussicht an. Der Bosphorus, das Meer, die lebendige Stadt, die Lichter - alles war in Stimmung miteinander. Die Stadt schien friedvoll zu sein, aber die Menschen trugen kein Frieden in sich.
Müde ließ ich mich auf die Treppenstufe hinter mir nieder. Ich stützte mein Kopf an meine Hände. Ich fühlte wieder den Kloß in meiner Kehle. Ein Schluchzer erging mir. Danach kamen unzählige Tränen. Ich konnte nicht mehr!
Demir komm bitte zurück! Es ist so schwer ohne dich! Ich kann nicht mehr. Alles kommt mir zu viel! Wie soll ich all die Lasten tragen? Ich befand mich in einer Sackgasse...

Devran
Der Tag fängt früh an, doch für Manches sind wir zu spät. Manche rennen hinter der Zeit her, manche flohen vor ihr. Die Vergangenheit war von manchen der Freund und von manchen der Feind. Was war sie für mich? Die Vergangenheit war eine Wunde für mich. Meine Wunden bluteten noch. Das Kämpferherz blutete ununterbrochen. Heute weinte mein Herz still. Keiner hörte meine innerlichen Kriege. Nur ich.
Und es war unerträglich ständig schweigen zu müssen, obwohl es in dir brannte. Es gab aber niemanden außer mir, der diesen Brand löschen konnte. Ich war die Flamme in Person, wie sollte ich das Feuer in mir löschen? Ich ging langsam unter. Ich musste einen Anhaltspunkt finden. Aber egal, wohin ich meine Hand reichte, fiel ich immer tiefer runter...

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt