Der Weiberkomplex

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Jetzt wo ich Mandy mehr oder weniger kannte, sorgte ich dafür, ihr nicht mehr über den Weg zu laufen. An der Uni war es am schwersten ihr zu entgehen.

   Es ist so: Wenn man jemanden kennen lernt, fällt einem immer öfter auf, wie oft man diese Person eigentlich schon gesehen hatte. Und mir fiel in diesem Moment auf, dass Mandy mehr oder weniger an ihrer älteren Schwester zu kleben schien. Diese Tatsache erschwerte mir den Kontakt zu Megan, da ihre kleine Schwester mir mehr oder weniger... Angst machte.

   Und zwar so wirklich panische Angst. Eine Angst die ich sonst nur bei meiner Mutter verspürte. Was mich nun zum nächsten Punkt brachte: Benny. Obwohl fast eine Woche vergangen war, hatte ich ihm nicht geantwortet und zu meinem Leidwesen, hatte er auch nicht weitere Nachrichten an mich verfasst. Zwar hatte Danny am nächsten Morgen unseres „Zusammen Kommens" behauptet, ich solle ihn anschreiben, einfach damit er wusste, dass es mir gut gehe. Doch ich traute mich nicht, ich traute mich ziemlich wenig, wenn es darum ging anderen meine Gefühle zu zeigen. Vermutlich mied ich deswegen Megan und ihre gruselige Zecke Mandy und zu meinem Schrecken mied ich während der Pausen zwischen meinen Seminaren auch Dean.

   Wahrscheinlich hatte meine Mutter recht gehabt als sie sagte, ich sei wie mein Vater: Ohne jeglicher Liebe. Ich wunderte mich nach zwanzig Jahren nicht mehr über meine Mutter, ich wunderte mich nicht, wieso sie Dad nicht einfach verließ. Ich wunderte mich nicht, wieso sie nicht dafür gesorgt hatte, dass ich nicht wie mein Vater wurde. Die Wahrheit war, es war mir relativ egal, wieso sie so war wie sie war. Jedes ihrer Kinder, sogar meine scheinbar perfekten Brüder, war mehr oder weniger von Zuhause geflohen.

   Ich vielleicht ein bisschen mehr als die anderen beiden, aber letztendlich waren wir alle abgehauen. Ich kratzte mich am Hinterkopf und entsperrte mein Handy um mich in der Innenkamera zu betrachten. Etwas frustriert versuchte ich verwischte Schminke an meinen Augenwinkel zu beseitigen, als ich erschrocken zusammen fuhr und auf meinem Stuhl herumwirbelte.

   »Du hast mich erschrocken!«

   »Störe ich dich bei einer wichtigen Selfie-Session?«, fragte Fynn mit seinem typischen Fynn-Grinsen. Ich rollte mit den Augen und gab es auf, zu versuchen, den verwischten Strich zu beseitigen.

   »Eher beim Philosophieren über den Sinn des Lebens.«

   »Worüber genau?«, hackte er nach und ließ sich auf den Stuhl neben mir nieder.

   »Ach, das übliche Zeugs. Noten, Sex und ob ich dir beim nächsten Mal eine reinhauen sollte.« Ich versuchte bei meiner lächerlichen Antwort äußerst professionell und konzentriert zu wirken.

   »Du verbringst viel Zeit alleine, Streber.«, bemerkte er und betrachtete das aufgeschlagene Buch vor mir.

   »Dir ist klar, dass das 50 Shades of Grey ist?« Zum Beweis klappte ich das Buch zur Hälfte wieder zu und präsentierte ihm das Cover. Das mehr oder weniger gute Stück, hatte ich am Vortag als Sonderangebot ergattert. Allerdings bereitete mir das Lesen keine Freude mehr und eskalierte die ganze Aktion eher zu einem quälend langsamen Prozess durch einen geschrieben Porno. »Ich wusste gar nicht, dass du lesen kannst.«, gab er geschlagen von sich und ich funkelte ihn wütend an, ließ das Buch – natürlich ohne mir vorher die Seitenzahl zu merken – zuklappen und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.

   »Und ich dachte, du würdest ein dummen Kommentar über das Buch ablassen.«, erwiderte ich und musterte den blonden Jungen vor mir. Aus Fynn Jackentasche guckte eine Zigarettenschachtel raus und um seinen Hals baumelten Kopfhörer. Mit meinen Eltern unter einem Dach, hatte man nichts anderes als Lesen tun können.

   Und Piano üben, allerdings war ich nicht besonders musikalisch.

   Fynns Blick wanderte wieder zu dem Buchcover und mit einem Schmunzeln bemerkte er: »Das kann ich gerne noch mal nach holen.«

Friends in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt