Evelyns Independence Day

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Ich wollte schon immer mal in einem Internetcafé sitzen. Dean hatte mir freundlicherweise das nächst beste Café gezeigt und nun vertrieb ich meine Zeit damit, online zu Schoppen. Gut, im Grunde schweifte ich ständig zwischen Facebook und Amazon. Und ich fragte mich, ob ich Benny zum Geburtstag gratulieren sollte. Eigentlich sollte er vor zwei Wochen entlassen werden, ärgerlich, dass ich ihn nicht sehen konnte. Ärgerlich dass Benny Entlassungstermin mir erst erzählt wurde, als ich das Flugticket bereits gebucht hatte. 

   An dieser Situation ärgerte mich wirklich alles. Während ich also mit meinem letzten Dollar in einem Café hockte, las ich mir die letzten Beiträge meiner Brüder und all der anderen Verwandten durch. Klaus hatte vorbildlich aufgerufen ihm oder meinen Eltern Bescheid zu geben, wenn jemanden mein Aufenthalt bekannt war. Ich war schon beinahe gerührt. 

   Da mein Geld nur noch für zwei Minuten reichte, öffnete ich hastig den Chat mit Benny. – Ich hoffe, du nutzt deine zweite Chance. – Tippte ich mit zittrigen Fingern und setzte noch einen lächelnden Smiley da hinter. Die Nachricht wirkte trotzdem irgendwie plump und ernst, also entschied ich mich die mir übergebliebenen eineinhalb Minuten sinnvoll zu nutzen. – Deine Königin – So hatte er mich während meiner Kindheit immer genannt. Königin. Was für ein alberner Spitzname es doch war, vermutlich hatte ich mich deswegen so schwer in Benny verliebt.

   Noch während die letzten zehn Sekunden abliefen, sah ich, dass er eine Antwort tippte. Was er mir schrieb würde ich allerdings nie erfahren – dachte ich jedenfalls.

   Mit einem Seufzer drückte ich auf Abmelden und sah zu wie die Sekunden dahin liefen.

   Drei.

   Zwei.

   Eins.

   Ich griff nach meinem Rucksack, schulterte ihn und verließ das Internetcafé. Das Problem bei der ganzen Sache war, dass ich ein verdammt neugieriger Mensch war und mein Problem als neugieriger Mensch: Ich musste wissen was Benny geschrieben hatte oder schreiben würde. Ob es bloß ein Wo bist du war? Ob er clean war? Ich hoffte für ihn, dass er sich beruhigt hatte.

   Der Rucksack baumelte zwischen meinen Schulterblättern und ein kalter Windzug schoss mir durch die dünne Jeansjacke.

   Ich hasste den Herbst.

   Und die Kälte.

   Vor allem aber hasste ich Weihnachten. Vermutlich würde ich irgendwann enden wie Ebenezer Scrooge. Soweit ich mich erinnern konnte, lebte Scrooge ebenfalls in London. Gut, man konnte nicht wirklich behaupten, dass ich in London gelebt hatte, aber es war die nähere Umgebung.

   Das letzte Mal als ich Benny gesehen hatte, war am Geburtstag der Queen. Ziemlich scheiße wenn man bedachte, dass heute der zweiundzwanzigste August war. Ich rechnete an meinen Fingern nach, dreißig Tage. Seit dreißig Tagen war ich auf mich alleine gestellt.

   Ich sollte Jubiläum feiern. Obwohl mich die das weiße Hemd, das ich zur Arbeit im Café tragen musste, tierisch nervte, schlug ich den Weg zur Bar ein statt nach Hause. Die Bar hatte Fynn mir gezeigt, Fynn.

   Ich seufzte und erlöste meine Haare von dem Pferdeschwanz. Mit einem eleganten Kopfschwung Richtung Boden, – Bei dem mein Rucksack und die Wasserflasche darin schmerzhaft gegen meinen Kopf schlugen – brachte ich meine Haare einigermaßen in Ordnung und setzte dann meinen Weg fort.

   Sollte ich mein Jubiläum nicht mit Freunden feiern? Aber mit wem?

   Mit Megan? Die würde noch ihren Hund mitschleppen und um ehrlich zu sein sah sie nicht aus wie eine Trinkerin. Dean? Fehlte nur noch, dass ich danach betrunken mit ihm Sex hatte. Ich strich auch Dean von der kurzen Liste und sah beim Vorbeigehen zu den Fenstern hoch an denen ich Fynns Wohnung schätzte. Aber auch ihn strich ich von der Liste, auch mit Fynn konnte man betrunken Sex haben und auf den verzichtete ich gerne. Ich ließ mein Apartment hinter mir und überlegte ob ich Dean nicht vielleicht doch anrufen sollte.

Friends in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt