Wie ich auf die Schnauze fliege

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Es war noch recht früh gewesen als ich Heim kam. Doch als ich am gestrigen Abend an Fynns Haustür geklingelt hatte, hatte mir keiner aufgemacht. Ich war allerdings so naiv gewesen zu glauben, alles sei in bester Ordnung. Doch es war gar nichts in bester Ordnung. Rein gar nichts.

   Liebreizend wie ich war, stand ich um neun Uhr morgens in meiner Küche und kochte zwei Tassen Kaffee. Mir viel einfach nichts anderes ein, das Fynn mögen könnte und ich konnte nicht mit leeren Händen an seiner Tür klopfen. Selbst in schlechten Liebesfilmen brachte der Kerl Blumen mit, wenn er sich bei der Frau entschuldigte. Nur das ich weiblich war und wohl kaum mit Blumen bei Fynn aufkreuzen sollte.

   Ich wusste nicht einmal, wo es hier Blumen zu kaufen gebe. An diesem Morgen hatte ich ausgesprochen gute Laune und dabei war ich ein ausgesprochen großartiger Murrkopf. Ich schlüpfte in meine Springerstiefel und drückte meine Haustür auf und joggte zurück in meine Küche. Mit zwei Tassen bewaffnet, den Kaffee in meiner Linken möglichst so zubereitet wie Fynn ihn immer in dem Café trank. Auf der anderen Seite der Türschwelle drehte ich mich noch einmal um und zog die Tür mit meiner Fußspitze zu. Mit einem leisen Klicken viel sie ins Schloss und ich machte mich breit grinsend auf den Weg zur nächsten Tür. Die Tassen noch immer in meinen Händen balancierend, hob ich mein rechtes Bein an und klopfte drei Mal an die Holztür.

   Ich war so naiv, so leichtsinnig. Ich hätte mir denken können, dass etwas faul war, da nicht das altbekannte „Komm rein!" ertönte. Aber meine gute Laune trübte meinen Verstand, machte mich naiver als ich es schon war.

   Stattdessen wurde die Tür von einer hochgewachsenen Brünette geöffnet die mir nur allzu gut bekannt vorkam. »Anouschka?«

   »Hi, Evelyn!« Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film als sie sich vorlehnte und mich in eine Umarmung schloss. Da ich nun hinter sie sehen konnte, erkannte ich Fynn, der grade aus seinem Zimmer kam. Alles war er trug waren seine Boxershorts und als das Mädchen mich losließ, verlor ich die Kraft in meinen Armen und Händen und meine beiden Tassen vielen klirrend zu Boden. Der Naturstein zersprengte meine Tassen in tausend kleine Stücke und Kaffee spritzte gegen meine Schuhe und ihre nackten Füße. Sie zuckte zurück, doch ich wagte es nicht mich zu bewegen.

   »Was willst du hier, Evelyn?«, fragte Fynn nun und trat hinter Anouschka hervor. Mein Blick wanderte von den zersprungenen Tassen zu Fynn hinauf.

   »Ich?«, fragte ich ziemlich idiotisch und zog die Augenbrauen hoch. Ich hatte noch nie eine so große Abneigung zu jemanden des männlichen Geschlechts. Aber in diesem Moment hatte ich den Drang den beiden vor die Füße zu kotzen. Mir wurde richtig übel.

   »Ich sehe hier weit und breit keine andere Evelyn.«, erwiderte Fynn.

   Anouschka lachte. Ihr schien die gesamt Situation gut zu gefallen. »Nicht zu glauben, dass ich so eine Idiotin bin.«, bemerkte ich und verspürte den Drang ihm eine zu Scheuern.

   »Ich gehe mir einen Kaffee machen.«, lächelte die Brünette neben Fynn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert.

   Ich folgte dem Mädchen kurz mit den Augen, dann wanderte mein Blick wieder kurz zu den zersprungenen Tassen eher ich Fynn wieder ins Gesicht sah. »Nicht zu fassen, dass du so eine Schlampe bist.«, bemerkte ich und hielt seinen Blick stand.

   »Behauptet die, die sich gleich am nächsten Abend einen Neuen sucht.«

   »Du bist nicht viel besser als ich, Fynn.«

   »Weißt du – «, er machte eine kleine Pause, schien nach Worten zu suchen. »Frauen und Männer können wirklich keine Freunde sein. Das Date war ein Fehler.«

   Ich hatte lange nicht mehr vor anderen geheult. Wenn man mal den Zusammenbruch vor Dean aus der Liste strich, aber jetzt hatte ich den Drang mich wie ein Embryo auf dem Boden zusammen rollen und mich hin und her zu wiegen. Nur lagen überall Scherben meiner beiden einzigen Tassen und Fynn war mit seiner Sexfreundin beschäftigt. Gott, wie klischeehaft! »Weißt du, was ich weiß?«, fragte ich und funkelte ihn wütend an. Jedenfalls hoffte ich, dass es wütend aussah, ich fühlte mich nämlich wie ein blödes Reh, das einfach nicht von den Scheinwerfern des fahrenden Autos wegkommen konnte. Dementsprechend sah ich vermutlich eher aus wie ein blödes Tier, das in den Lauf einer Waffe sah. Fynns Blick ruhte ungeduldig auf mir und ich suchte in meinem Kopf nach passenden Worten. »Dass du das größte und mieseste Arschloch auf der ganzen Welt bist. Nicht das Date war ein Fehler, sondern mein Gedanke, du hättest mehr drauf als so eine Barney-Stinson-Masche.« Ich runzelte einen Moment die Stirn. »Nein, warte. Selbst Barney hat sich im Laufe der Zeit geändert!« Und mit diesen Worten holte ich zum dritten Mal in meiner Zeit in Amerika aus um Fynn eine zu Scheuern. Allerdings steckte ich zum ersten Mal echte Gefühle in diese Backpfeife und als ich meine Hand an meine Brust presste, musste ich ein Schluchzen unterdrücken. Mit einem erstaunten Blick fuhr er sich mit der Hand an die Wange an der ein roter Abdruck meiner Hand leuchtete. »Sei froh, dass ich keine riesen Greifer habe!«, zischte ich noch zum Abschied. Leider klang es bereits nach einem weinerlichen Schluchzer.

   »Eve!«

   »Halt die Schnauze!«, schluchzte ich erneut und erreichte meine Haustür. Ich stützte mich mit einer Hand an meiner Tür ab, da mir die aufkommenden Tränen die Sicht versperrten und kramte mit der Linken in der Tasche meines Pullovers. Erst in der einen, dann in der anderen Tasche während ich immer blasser im Gesicht wurde.

   »Ist alles okay? Brauchst du Hi – «, begann er, doch ich unterbrach ihn erneut.

   »Du sollst doch die Klappe halten!«, kreischte ich wütend und fasste mir mit der linken Hand an die Stirn. Einen Ersatzschlüssel hatte ich eines Tages bei Megan hinterlassen, ich musste ihn allerdings nur noch holen.

   Und natürlich mir auch ein Ticket kaufen. Von dem Geld, das auf meinem Küchentisch in dem Portmonee ruhte.

   »Eve?« Wieso stand er noch immer an seiner Tür? Und wo war diese blöde Kuh Anouschka? Hatte etwas sie gefressen? Hatte sie sich am Kaffee verschluckt und war qualvoll erstickt, während ich Fynn eine scheuerte? Ich verwarf die Gedanken und rieb mir die Augen. Dann drehte ich mich um, schritt hastig auf Fynn zu und streckte die Hand aus. Er zuckte kurz zusammen, so, als hätte er Angst ich würde ihn erneut schlagen.

   »Gib mir zehn Mäuse.«

   »Wir haben nur noch Farbratten da.«

   »Du bist nicht witzig, na los!« Ich streckte meine Hand weiter aus und sah ihn abwartend an. Einen scheinbar unendlich langen Moment musterte der blonde Junge mich, seufzte dann und verschwand im inneren der Wohnung. Ich sah auf die Scherben hinab. Wie hatte ich so naiv werden können? Wie hätte ich denken können, dass er und ich? Alleine der Gedanke hätte mir absurd vorkommen müssen, denn es war unmöglich. Wir beide, das machte keinen Sinn. Pärchen sollten sich ergänzen und nicht gleich sein.

   »Ich fühle mich, als würde ich dir für irgendetwas Geld zahlen müssen.«, bemerkte er und presste die Lippen zusammen.

   »Zahl lieber dein Betthäschen für die heiße Nacht.«, erwiderte ich kalt und drehte mich um nun endgültig zu verschwinden.

   »Evelyn!«, rief er mir noch hinterher. Einen kurzen Moment hoffte ich er würde mir hinterher laufen, nach meiner Hand greifen, mir sagen, dass er mich gern hatte. Doch er lief mir nicht hinterher und ich blieb auch nicht stehen.

   Es war ganz anders gelaufen als ich gedacht hatte.

Friends in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt