Der Anbeginn

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Ich hatte mir die dumme Angewohnheit wie eine Obdachlose zu leben von meinem Bruder angeeignet. Das wars dann auch schon mit unseren Gemeinsamkeiten.

Als zwölf jährige musste ich mal für knapp einen Monat zu ihm ziehen. Die Zeit in der er und seine Anastasia noch nicht zusammen waren, die Zeit in der er einfach mein Bruder sein konnte. Jackson war zwar nicht so spießig wie Klaus, aber er wollte unbedingt Mathematik studieren und saß die Hälfte der Zeit vor irgendwelchen Büchern. Eingekauft wurde von seinem damaligem Mitbewohner Benny, wobei ich fünf Jahre später erfuhr, dass Benny wegen des Besitzes irgendwelcher Drogen fest genommen wurde. Schade eigentlich, Benny war der einzige der mit mir Mensch ärgere dich nicht und Schach gespielt hatte und er war ein Genie. Benny war mein Ersatzbruder, wenn Jackson mal wieder keine Zeit für mich hatte. Und ohne Benny und seinen Freunden hätte ich vermutlich auch niemals die Gute Seite am Punk und Rock entdeckt.

Stattdessen wäre ich vermutlich wie meine Mutter geworden und würde mir irgendwelche Melodien von Mozart rein ziehen. Nein, das wäre wirklich nicht gut. Der Gedanke an meine Mutter, die Studenlang im Salon saß, ein Buch in der Hand und Klassikmusik aus dem Radio neben ihr; verfolgte mich während ich in der geräucherten Makrele herum pulte und einen Bissen von meinem trockenem Brötchen nahm. Ich sollte unbedingt einkaufen. Der Esstisch war viel zu groß und ich sehnte mir schlagartig Besuch herbei. Als Fynn und sein Kumpel da waren um meine Pfannenkuchen zu essen, sah es bei weitem nicht so leer aus.

Moment mal... Fynn und Dean? Nein, niemals. Die hatten mich angegriffen! Niemals dürften sie wieder her kommen um zu essen. Überhaupt herkommen duften sie nicht. Vorallem nicht Fynn. Fynn war der letzte der her dürfte. Fynn... »Er ist mir noch was schuldig!«, sagte ich zu mir selbst und stand auf, schob die zur Hälfte aufgegessene Makrele in den Kühlschrank und schnappte mir meine Schuhe. Mit aufgeschnürrten Martens und dem Schlüssel in der Hand schlendere ich zur Wohnung gegenüber. Nachdem er mich am Dienstag Morgen zur Universität gefahren hatte, hatte ich ihn auch nicht mehr gesehen.

Das war nun drei Tage her. Ich seufzte, ließ meine Wirbelsäule knacksen und klopfte dann an seiner Tür. Was wohl besser wäre? Wenn er wegen irgendeinem Betriebsfehler nach Asien versetzt wurde oder wenn er da wäre um mich zu irgendeinem Baumarkt zu fahren? Ich klopfte erneut und erneut wurde mir nicht aufgemacht. Zur Probe drehte ich am Türknauf und grinste zufrieden als diese aufsprang. Er sollte seine Tür dringend mal abschließen.

Ohne jeglichen Gewissensbissen betrat ich die Wohnung und ließ mich auf sein Sofa fallen. Aus dem Badezimmer drangen die Geräusche von fließendem Wasser, lange konnte er also nicht mehr weg sein. Ich sollte allerdings unrecht behalten, nach zehn Minuten hatte ich seinen Fernseher angeschaltet und nach weiteren fünfzehn Minuten hatte ich beschlossen mir ein Bier aus seinem Kühlschrank zu borgen. Als er nach zwei Folgen New Girl und einem ganzen Bier immer noch im Badezimmer steckte, wurde ich langsam ungeduldig. Und zwar so richtig ungeduldig. Grade als ich aufstehen wollte um an der Badezimmertür zu klopfen, wurde das Wasser abgedreht und ich hörte ein Kichern.

Ein weiblichen Kichern. Ohne lange zu überlegen klatschte ich meine Handfläche gegen meine Stirn und erlitt einen inneren Zusammenbruch.

Ich.

Hasste.

Diesen.

Typen.

So sehr, dass ich ihn am liebsten hier und jetzt verprügeln wollte. Die Tür wurde geöffnet und eine zierliche blonde Dame, nur mit einem Handtuch bedeckt, tratt zusammen mit der warmen Luft nach draußen.

»Schatz, ich mache uns Kaffee!«, flötete sie und drehte dann ihr glückliches Gesicht in meine Richtung. Ich konnte nicht anders als sie an zu starren und als sie mich erblickte, verschwand ihr Lächeln und ein spitzer Schrei entfloh ihr. Ihre Schreie waren furchtbar.

Friends in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt