Ich und andere Probleme

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Kann ich dir etwas bringen?« Ich hob den Kopf von meinem Block und blinzelte zu dem Kellner hoch. Mit einem Lächeln erkannte ich, dass es sich um den Mann handelte, der sich mit mir an dem Dean-Fynn-Evelyn-Anouschka-Elena-Abend unterhalten hatte. Nur konnte ich mich beim besten Willen nicht an seinen Namen erinnern.

   »Wasser, bitte. Ohne Kohlensäure«, sagte ich mit einem Lächeln und er zog die Augenbrauen hoch.

   »Heute Mal vernünftig?«, fragte er und steckte seinen Notizblock in die hintere Hosentasche. Ich lächelte zu ihm rauf und neigte meinen Kopf in Richtung meiner Unterlagen.

   »Hab noch eine Menge Kram zu erledigen.«

   »Was dagegen wenn ich dir Gesellschaft leiste?«, fragte er mich und ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich seinen Namen vergessen hatte.

   »Wenn ich mein Wasser bekomme und dich Psychologie interessiert, bist du herzlich Willkommen.« Ich schenkte ihm mein bestes Lächeln und mit einem Augenzwinkern machte er sich auf den Weg zurück zur Theke. Ich sah ihm kurz hinterher und senkte meinen Blick dann wieder auf den Aufsatz vor mir. Ich war wohl die einzige Studentin, die keinen eigenen Laptop besaß und somit Analysen über das Verhaltenswesen von Kindern mit der Hand schreiben mussten. Mit einem Seufzer drückte ich meine Schultern zurück und ließ sie durch knacken. Eine Angewohnheit die meine Mutter ebenfalls gehasst hatte.

   »Tut mir leid, ich habe deinen Namen vergessen.«, gestand der junge Kerl und stellte mein Glas Wasser vor mir ab. Ich atmete erleichtert aus und brachte ein kleines Lachen zustande während er sich Gegenüber von mir hin setzte.

   »Wie wäre es mit einem Tausch? Mein Name gegen deinen?«

   »Klingt fair.« Seine Augen hielten die meinen Gefangen und ich lächelte wieder kurz.

   »Evelyn Rose Dunkens.«, stellte ich mich mit ganzen Namen vor und löste mich von seinen unheimlich schönen Augen.

   »Wow, ein Zweitname. Ob ich mir das merken kann?« Ich kicherte. Gott, war das peinlich. »Christian Bane.«

   »Wow, ein Buchstabe trennt dich davon Batman zu sein.«

   »Du bist ja ein richtiger Nerd.«, lachte Christian und ich verdrehte mit einem Lachen die Augen.

   »Ich bin einfach ein Fan von maskierten Männern.« Jedes Mal wenn er lächelte bildeten sich Grübchen und kleine Lachfältchen in seinem Gesicht. Sein unfassbar gutes Aussehen war mir allerdings schon bei unserer letzten Begegnung aufgefallen.

   »Christian!« Unsere Blicke trennten sich und wir sahen beide in Richtung Theke. Ich kniff die Augen zusammen. Das war genau das Weib, dass Fynn angeschmachtet hatte, als dieser hier mit mir teuren Whiskey getrunken hatte. Ich erkannte ihre viel zu blasse Haut und die kaputten, trockenen Haare vom weiten.

   »Tut mir leid, muss wieder an die Arbeit.« Ich beendete den Starrwettbewerb gegen die Tussi und lächelte wieder den dunkelhaarigen Jungen vor mir an.

   »Ich sollte auch wieder arbeiten. Der Aufsatz schreibt sich wohl nicht von selbst.«

   Er grinste mich an und kratzte sich am Nacken. »Wie wäre es, wenn wir uns am Samstagabend treffen? Ich könnt dich Abholen.«

   Ich spielte etwas nervös an meinem linken Lippenpiercing, schlug dann eine neue Seite von meinem Block auf und riss einen Fetzen von dem Blatt ab. Hastig und in der schönsten Schrift die ich aufbringen konnte, kritzelte ich meine Handynummer darauf. »Am Samstag muss ich bis achtzehn Uhr arbeiten, aber du kannst mich abholen, wenn du es findest.« Ich schrieb die Adresse des Cafés auf reichte ihm den Papierfetzen, wirklich sehr romantisch. Er grinste mich an.

   »Na dann, bis Samstagabend.«, erwiderte er und machte sich wieder an die Arbeit.

   Ich grinste wie eine Idiotin und räumte meinen Collegeblock in den Rucksack. Meinen Kugelschreiber warf ich achtlos hinterher und trank das Glas aus. Ich sah ein letztes Mal nach, ob ich alles eingepackt hatte, schulterte meinen Rucksack und nahm das Glas wieder in die rechte Hand um es zur Theke zu bringen. Mit meiner freien Hand strich ich mir eine Haarsträhne hinters linke Ohr und setzte das beste Lächeln auf, das ich drauf hatte. Ich reichte das leere Glas über die Theke zu Christian und bedankte mich bei ihm.

   »Wir sehen uns dann am Samstag.«, verabschiedete ich mich und drehte mich elegant um. Während meiner Drehung sah ich in das ungläubige Gesicht der Kellnerin. Hätte ich eine Sonnenbrille, würde ich sie jetzt extrem cool aufsetzen und kühler Wind wurde meine Haare aus dem Gesicht wehen wie in den Werbespots immer. Aber auch ohne dem Wind und der Sonnenbrille war mein Abgang ziemlich... ziemlich gut und erfolgreich.

»Ich habe dich nicht für so schwach gehalten.«, bemerkte ausgerechnet der Typ, den ich nicht sehen wollte. Ich fühlte mich wie an meinem zweiten Tag hier. Mit zwei Einkaufstüten und vier Stockwerken die einfach unmöglich zu bewältigen waren.

   »Lass mich in Ruhe, Fynn.«, knurrte ich und bemühte mich darum, den Schmerz in meinen Händen zu ignorieren. Wieso hatte dieses beschissene Gebäude keinen Aufzug? Wir lebten im 21. Jahrhundert, da kann es doch nicht so schwer sein, in jedem mehrstöckigem Gebäude einen Fahrstuhl anzuschaffen!

   »Soll ich dir was abnehmen?«

   »Hast du nicht eigene Probleme?«

   »Ich muss dringend pissen und du versperrst mir den Weg.«, erwiderte er mit ernster Stimme. »Es ist sehr wohl mein Problem.«

   Ich stöhnte genervt auf und stellte die schweren Taschen auf den Treppenstufen ab und drehte mich zu dem blöd grinsenden Jungen um. »Na los, zeig was du drauf hast.«, forderte ich ihn auf. Er reichte mir seinen Rucksack und nahm die beiden vollen Tüten in die Hände. Ich musterte die schwarze Tasche die er mir in die Hand gedrückt hatte.

   »Warst du bis eben in der Uni?«, fragte ich und folgte ihm in den zweiten Stock.

   »Mehr oder weniger.«

   »Wow, bist du gesprächig.«

   »Du wolltest, dass ich dich in Ruhe lasse.«, erwiderte er und erklimm den nächsten Treppenabsatz.

   »Komm schon, sprich mit mir!«, flehte ich.

   »Hab mit Dean gesprochen.«

   »Hast ja gar kein neues blaues Auge bekommen.«, bemerkte ich ironisch und musterte seinen Rücken. Inzwischen hatten wir den dritten Stock erreicht. Vielleicht waren männliche Freunde doch nicht so schlecht, obwohl... Ich war mit Fynn bereits im Bett gelandet. Eine Freundschaft zwischen zwei Geschlechtern konnte nicht gut enden. Das hatte mir Mister Macho-Muskelprotz bewiesen.

   »Nee.«, machte Fynn und stellte die Taschen vor meiner Tür ab. »Haben bloß geredet.«

   »Wie geht's ihm?«

   »Ziemlich gut.«, antwortete er und ging zur nächsten Wohnung. Ich drehte den Schlüssel um und schob mit meinem Bein erst eine dann die andere Tasche in mein Apartment. »Ich glaube, er trifft sich am Freitag mit diesem Mädchen aus der Bar.«

   »Welches Mädchen?« Ich runzelte die Stirn und sah ihn verwirrt an

   »Die blonde.«, beantwortete Fynn meine Frage.

   »Ouh, okay.«, murmelte ich nur und wollte die Tür grade zu machen als er rief:

   »Wenn du willst, können wir auch was machen?«, schlug er vor.

   »Wolltest du nicht pissen?«, entgegnete ich und sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an.

   »Ist das ein nein?«, fragte er und nun war er derjenige der die Augenbrauen hob.

   »Ja... nein!« Ich runzelte die Stirn. »Meinetwegen können wir was machen.«

   »Irgendwie habe ich mehr Begeisterung erwartet.«

   »Ach, halt doch die Klappe.«, knurrte ich und schloss die Tür. Zwei Dates in zwei Tagen. Nein, Moment. Das mit Fynn würde kein Date werden, Megan hatte Unrecht.

Friends in a roundabout wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt