Kapitel 23

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Meine Augen weiteten sich überrascht, als Jack ihren Namen aussprach, denn ich hätte niemals damit gerechnet, dass es sich wirklich um sie handeln könnte. Vollkommen überfordert und etwas verwirrt von dieser Situation beobachtete ich sie genau, dabei fiel mir auf, dass Jack vollkommen Recht hatte und ich konnte durchaus verstehen, warum er so fasziniert über sie gesprochen hatte.

Sie war bildhübsch.

Ich wusste noch, wie er mir erzählt hatte, dass sie an Krebs erkrankt war und dadurch ihre Haare verloren hatte. Sie waren aber nachgewachsen, die ihr nun fast bis zur Schulter gingen und in einer goldbraunen Farbe zu erkennen waren. Da sie sich noch immer nicht von der Stelle rührte und mit leicht geöffnetem Mund vor mir stand, konnte ich in ihre großen schokoladenbraunen Augen hineinsehen, die durch langen natürlichen Wimpern umrandet waren. Ihre kleine Stupsnase ließ sie süß wirken und allgemein hatte sie eine unschuldige Ausstrahlung.

"Jack", flüsterte sie und drehte sich langsam um, dabei näherte sich mein Cousin zu ihr.

Als er direkt vor ihr stand, blickte er sie weiterhin durch großen Augen an, denn er konnte noch immer nicht fassen, dass es sie war. Vorsichtig hob er seine rechte Hand und wollte sie an der Wange berühren, dabei lag ein kleines Lächeln an seinen Lippen. Es schaute so aus, als ob er sichergehen wollte, ob es sich tatsächlich um Fleur handelte.

Augenblicklich ließ er seine Hand sinken, dabei verging ihm die Freude aus dem Gesicht und er schaute plötzlich so traurig aus.

Nebenbei wanderte mein Blick kurz zu Liam, der mich im selben Moment ebenso ansah. Er hatte natürlich keine Ahnung, was gerade los war und die anderen genauso nicht, wobei ich mir bei Kyle nicht so sicher war, denn dieser schaute die beiden nicht wirklich planlos wie ich an. Ich konnte ihnen gerade aber nichts sagen, denn zuerst musste das Problem zwischen den beiden geklärt werden und ehrlich gesagt, machte es mich ebenso neugierig.

"Du bist es wirklich", brachte Jack schließlich über seine Lippen, wobei ich leicht lächeln musste.

Zuerst blieb Fleur vollkommen ruhig, doch auf einmal begann sie langsam ihren Kopf zu schütteln, dabei entfernte sie sich einen Schritt von ihm.

Jack verengte verwirrt die Augenbrauen und wollte auf sie zugehen, aber sie stoppte ihn mit einer Handbewegung davon ab, weswegen er sich nicht mehr von der Stelle rührte und das Mädchen vollkommen unverständlich anschaute.

"Fleur-", begann er, aber er kam nicht weiter zum Reden, denn sie ließ es nicht zu.

"Ich habe nicht erwartet dir wieder zu begegnen", meinte sie mit einem Hauch von Verzweiflung in ihrer Stimme, wenn ich mich nicht täuschte.

"Ich verstehe dich nicht", murmelte mein Cousin und er schaute so hilflos gerade aus.

"Vergiss mich einfach", sagte sie und wollte gehen, aber Jack ließ es nicht zu, indem er ihr hinterher ging und sie an ihrem Arm festhielt.

"Du kannst nicht gehen und von mir dann erwarten, dass ich dich einfach vergesse!", regte er sich nun darüber auf.

"Jack, bitte", flehte sie ihn schon fast an.

"Sag mir doch, was los ist", bat er sie, aber sie begann erneut den Kopf zu schütteln.

"Warum bist du gegangen?", wollte er nun wissen, jedoch schwieg Fleur.

"Jack", kam nun Kyle dazwischen.

"Misch dich nicht ein! Keiner von euch!", warnte er uns alle, weswegen wir nichts tun konnten.

"Lass mich gehen", sprach sie wieder, doch diesmal schüttelte er den Kopf.

"Nicht noch einmal", blieb er stur.

"Jack ich muss gehen", versuchte sie ihn zu überreden, aber er gab nicht nach.

Im selben Augenblick begann ein Handy zu klingeln und wahrscheinlich handelte es sich um Fleur ihres, denn sie nahm es aus ihrer Jackentasche raus. Ohne lange darüber nachzudenken lehnte sie den Anruf ab und steckte das Gerät wieder ein.

In ihrem Gesicht war Verzweiflung geschrieben.

Ihr Blick wanderte nun zu Jack, der sie weiterhin noch festhielt und nicht gehenlassen würde. Aus diesem Grund legte sie ihre freie Hand auf seine, die fest um ihre andere geschlungen war. Mit flehenden Augen blickte sie ihn an und wollte, dass er endlich losließ. Sie versuchte sogar vergeblich seine Hand wegzuschieben, aber sie hatte keine Chance.

"Du wirst es mir nicht erzählen oder?", fragte er schließlich und sie blieb still.

Jack nickte ganz langsam und ließ vorsichtig ihre Hand wieder los. Daraufhin veränderte sich der Gesichtsausdruck von Fleur, denn sie hatte anscheinend nicht erwartet, dass er aufgeben würde und ehrlich gesagt, ich genauso wenig.

Er entfernte sich sogar einen Schritt von ihr und schaute sie dabei ausdruckslos an, wobei mir seine plötzliche Art Sorgen bereitete.

"Geh", sagte er gleichgültig.

"Jack-", wollte sie beginnen.

"Geh!", schrie er sie an und sie zuckte erschrocken zusammen, sowie ich.

"E-Es tut mir so s-schrecklich Leid", entschuldigte sie sich mit Tränen in den Augen.

"Du wirst mir aber niemals verzeihen", waren ihre letzten Worte bis sie sich umdrehte und weglief.

Wenige Sekunden später ließ sich Jack auf die Knie fallen und starrte mit leeren Augen auf den Boden. Traurig näherte ich mich schließlich zu dem Lockenkopf und nahm ihn ganz fest in meine Arme. Ich konnte seine Tränen an meiner Schulter spüren, denn er hatte nun ein gebrochenes Herz und ich wusste leider, wie sich dieser Schmerz anfühlte.

Ich streichelte beruhigend über seine Haare und hinterließ einen leichten Kuss an seinem Kopf, dabei konnte ich nicht verhindern, dass mir ebenso einige Tränen aus den Augen entwich.

"Jayden", hörte ich leise von Liam, weswegen ich mich leicht in deren Richtung umdrehte.

Mein Freund zeigte mit einer Kopfbewegung zur Straße rüber, worauf Jayden verstehend nickte. Er gab Hope einen Kuss auf die Stirn und entfernte sich von ihr, denn er machte sich auf den Weg. Meine beste Freundin blickte ihm verständnislos hinterher, doch ich wusste, was sein Ziel war.

Selbst, wenn es Liam noch nicht richtig klar war, was hier passierte, wusste er trotzdem wie er vorgehen musste und dafür dankte ich ihm.

Er ließ Fleur verfolgen.

Der VerstandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt